Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung der Krankenkasse durch die Aufsichtsbehörde, ihren Vorstand wegen unzulässiger Verwendung von Haushaltsmitteln in Regress zu nehmen

 

Orientierungssatz

1. Nach § 89 Abs. 1 SGB 4 kann die Aufsichtsbehörde bei einer Rechtsverletzung durch Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers diesen verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Voraussetzung ist, dass die Aufsichtsbehörde zunächst beratend in dieser Richtung tätig wird und der Versicherungsträger dem in angemessener Frist nicht nachkommt.

2. Bei Erlass des Verpflichtungsbescheides ist die Aufsichtsbehörde auf eine Rechtsaufsicht beschränkt. Hierzu gehört die Beachtung einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung.

3. Zu den Hauptaufgaben des Krankenkassenvorstands gehört die ordnungsgemäße Verwaltung des Versicherungsträgers. Dieser hat bei seinen Handlungen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Dem Verwaltungsrat der Krankenkasse obliegt u. a. die Pflicht, den von ihm zu überwachenden Vorstand bei Pflichtverstößen in Regress zu nehmen.

4. Es ist kein rechtfertigender Grund dafür erkennbar, dass wegen der Fusion von Krankenkassen und der damit verbundenen Zusammenführung zweier Belegschaften die Übernahme von Bewirtungskosten bei Betriebsfeiern für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung erforderlich ist.

5. Die Aufsichtsbehörde hat in einem solchen Fall die Krankenkasse zu verpflichten, ihren Vorstand wegen unzulässiger Verwendung von Haushaltsmitteln in Regress zu nehmen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.03.2015; Aktenzeichen B 1 A 2/14 B)

 

Tenor

Die Klage gegen den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 13.06.2012 wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sie verpflichtet wird, ihren Vorstand wegen unzulässiger Verwendung von Haushaltsmitteln in Regress zu nehmen.

Am 19.06.2009 richtete die Klägerin für ihre Mitarbeiter im Anschluss an eine Personalversammlung ein Betriebsfest aus. Die Kosten für die Bewirtung von ca. 440 Personen betrugen 37.961,00 EUR.

Für den 19.11.2010 war eine weitere Personalversammlung mit anschließendem Betriebsfest geplant. Der Vorstandsvorsitzende der Klägerin wurde am 14.10.2010 von den Prüfern des Prüfdienstes Krankenversicherung (PDK) darauf hingewiesen, dass interne Veranstaltungen wie Betriebs- und Personalversammlungen nicht aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln zu bestreiten seien. Das Aufsichtsreferat der Beklagten wiederholte diesen Hinweis mit Fax vom 18.11.2010 unter Bezugnahme auf die "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden für die Prüfung der Repräsentations- und Bewirtungsleistungen" vom 15.10.2002 i.d.F. vom 05.11.2009 ("Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden"). Die Personalversammlung mit anschließendem Betriebsfest fand am 19.11.2010 wie geplant statt. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich auf 36.579,05 EUR.

Daraufhin bat die Beklagte die Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Klägerin unter Hinweis darauf, dass die Übernahme der Kosten für Betriebsfeiern unzulässig sei, um Prüfung der Inregressnahme des Vorstands (Schreiben vom 18.07.2011).

Der Verwaltungsrat der Klägerin vertrat dazu die Auffassung, das von der Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.02.1984 - 8 RK 27/82 -, nach dem u.a. Versicherungsträger unter Berücksichtigung der Verhältnisse des übrigen öffentlichen Dienstes keine Zuschüsse zur Förderung der Betriebsgemeinschaft gewähren dürfen, sei nicht mehr einschlägig (Schreiben vom 14.10.2011). Nach Novellierung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) im Jahr 2001 sei die Verpflichtung zur Beachtung der Bewertungs- und Bewirtschaftungsmaßstäbe des Bundes in § 70 Abs. 3 SGB IV lediglich für die Renten- und nicht für die Krankenversicherungsträger aufgenommen worden. Die "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" fänden daher auf Krankenversicherungsträger keine Anwendung. Zudem erfüllten die Krankenkassen ihre Aufgaben grundsätzlich eigenverantwortlich; daran seien die Aufsichtsbehörden gebunden.

Der ebenfalls von der Beklagten angeschriebene Vorstand der Klägerin bestätigte durch seinen Vorsitzenden C, dass seit dem 19.11.2010 keine Betriebsfeiern mit Bewirtung der Mitarbeiter durchgeführt worden seien und auch in Zukunft nicht durchgeführt werden würden (Schreiben vom 06.03.2012)

Unter dem 15.03.2012 beriet die Beklagte die Klägerin aufsichtsrechtlich (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), ihren Vorstand für den durch die Bewirtung der Mitarbeiter am 19.06.2009 und 19.11.2010 entstandenen Schaden wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gem. § 69 Abs. 2 SGB IV in Regress zu nehmen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Beratung kündigte die Beklagte den Erlass eines entsprechenden Verpflichtungsbescheides an.

Mit Verpflichtungsbescheid vom 1...

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