Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsrente. verspätete Antragstellung. Rentenbeginn. Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Anwendbarkeit der 4-Jahresfrist des § 44 Abs 4 SGB 10

 

Orientierungssatz

Es ist gerechtfertigt, die in § 44 Abs 4 SGB 10 für eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen festgesetzte zeitliche Grenze von vier Jahren entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einer Erstfeststellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht (Anschluss an BSG vom 11.4.1985 - 4b/9a RV 5/84 = SozR 1300 § 44 Nr 17, vom 9.9.1986 - 11a RA 28/85 = BSGE 60, 245 = SozR 1300 § 44 Nr 24, vom 21.1.1987 - 1 RA 27/86 = SozR 1300 § 44 Nr 25, vom 28.1.1999 - B 14 EG 6/98 B = SozR 3-1300 § 44 Nr 25, vom 14.2.2001 - B 9 V 9/00 R = BSGE 87, 280 = SozR 3-1200 § 14 Nr 31, vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R = BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9, entgegen BSG vom 2.8.2000 - B 4 RA 54/99 R = SozR 3-2600 § 99 Nr 5 und vom 6.3.2003 - B 4 RA 38/02 R = BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1, wonach der § 44 Abs 4 SGB 10 auf den Herstellungsanspruch im Bereich des Rentenrechts nicht entsprechend anzuwenden ist ≪vielmehr die Verjährungsregelung des § 45 SGB 1≫, wenn die Herstellung eine Erstfeststellung betrifft).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen B 13 R 23/13 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die ab Januar 2006 bewilligte Erziehungsrente bereits für die Zeit ab Juli 2001 zu zahlen hat.

Die 1956 geborene Klägerin war mit dem am 00.00.2001 verstorbenen Versicherten I verheiratet. Aus der Ehe stammte der am 00.00.1994 geborene Sohn N. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen am 09.11.2000 mit einem Versorgungsausgleich zu Lasten der Klägerin geschieden. Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet. Sie war seit 1975 versicherungspflichtig berufstätig.

Auf den Antrag der Klägerin vom 16.07.2001 bewilligte ihr die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Halbwaisenrente nach § 48 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) ab Juli 2001. Im Rahmen dieses Verfahrens ist der Klägerin nach ihrem von der Deutschen Rentenversicherung Bund (als Rechtsnachfolgerin der damaligen BfA mit Schreiben vom 30.03.2011) bestätigten Vortrag kein Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung einer Erziehungsrente nach § 47 SGB VI gegeben worden. Auf ihren Antrag vom 08.12.2010 auf Erziehungsrente erkannte die Beklagte wegen mangelnder Auskunft und Beratung nach §§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch an und bewilligte mit Bescheid vom 20.04.2011 unter Hinweis auf § 44 Absatz 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ab dem 01.01.2006 Erziehungsrente, die infolge Erreichens des 18. Lebensjahres des Sohnes N im Juli 2012 bis zum 31.07.2012 befristet wurde. Die Nachzahlung der Erziehungsrente für die Zeit von Januar 2006 bis April 2011 betrug rund 30.000,- EUR. Im Widerspruchsverfahren (Widerspruchseingang am 06.05.2011) begehrte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten die Zahlung der Erziehungsrente bereits ab Juli 2001. Die Anspruchsvoraussetzungen seien bereits am 29.06.2001 erfüllt gewesen. Die verspätete Stellung des Rentenantrags beruhe auf einer unterbliebenen Beratung der Deutschen Rentenversicherung Bund, so dass die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bestünden. Die von der Beklagten angewandte Vorschrift des § 44 Absatz 4 SGB X sei beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht anwendbar. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei insoweit uneinheitlich (Hinweis auf Urteil des BSG vom 26.06.2007, B 4 R 19/07 R). Eine direkte Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X scheide im vorliegenden Erstfeststellungsverfahren aus. Bei einer fehlerhaften Beratung, aufgrund der eine Antragstellung unterblieben sei, liege kein Verwaltungsakt vor, gegen den die Klägerin rechtlich hätte vorgehen können. Die Vorschrift des § 44 Absatz 4 SGB X sei aber gerade auf solche Konstellationen zugeschnitten, in denen ein Verwaltungsakt zu überprüfen sei (vgl. Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 04.11.2009, S 4 R 4538/08). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch werde entgegen der Auffassung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 27.03.2007, B 13 R 58/06 R) auch nicht durch die nachträgliche Einführung des § 48 Absatz 4 SGB X ermöglicht, da auch in diesem Fall die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts Tatbestandsvoraussetzung sei (Hinweis auf Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 04.11.2009, (in juris unter) S 4 R 4538/08). Wenn Versicherte durc...

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