Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit dem minderjährigen getrennt lebenden Kind. zeitweise Bedarfsgemeinschaft. Erhöhung der Regelleistungen. Individualanspruch des Kindes auf Sozialgeld. keine Prozessführungsbefugnis des nicht sorgeberechtigten Elternteils bei fehlender Genehmigung. Beschränkung der Handlungsfähigkeit des minderjährigen Kindes durch Sorgeberechtigten. kein Mehrbedarf für Alleinerziehende. Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit dem minderjährigen getrennt lebenden Kind, zeitweise Bedarfsgemeinschaft. Mehrbedarf für Alleinerziehende. vollmachtlose Prozessführung. gesetzliche Vertretungsmacht

 

Orientierungssatz

1. In Fällen, in denen "Scheidungskinder" das Umgangsrecht bei einem Elternteil wahrnehmen, hat jedes Mitglied der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft einen eigenen Leistungsanspruch nach dem SGB 2 (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 und - B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Dies bedeutet, dass dieser Individualanspruch nur vom jeweiligen Anspruchsinhaber selbst im eigenen Namen oder von einem berechtigten Vertreter im Namen des Anspruchsinhabers geltend gemacht werden kann.

2. Wenn das Kind zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das 15. Lebensjahr vollendet hat, kann es gem § 71 Abs 2 SGG iVm § 36 Abs 1 S 1 SGB 1 zwar die bis dahin vollmachtlose Prozessführung des nicht sorgeberechtigten Elternteils genehmigen. Denn die fehlende gesetzliche Vertretungsmacht des Klägers kann hierdurch - auch noch in der Rechtsmittelinstanz - geheilt werden (vgl BGH vom 30.11.1988 - IVa ZB 12/88 = BGHZ 106, 96). Hat der allein sorgeberechtigte Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes jedoch die Prozessführung durch den nicht sorgeberechtigten Kläger selbst nicht genehmigt und die Handlungsfähigkeit des Kindes durch eine zu Protokoll erklärte Verweigerung der Genehmigung eingeschränkt, so kann das Kind die Prozessführung des Klägers nicht wirksam genehmigen.

3. Die Vermutungsregelung des § 38 S 1 SGB 2 berechtigt nur zur Vertretung der Mitglieder der (zeitweiligen) Bedarfsgemeinschaft im Verwaltungsverfahren und ermächtigt nicht zur Klageerhebung (vgl LSG Essen vom 21.4.2008 - L 20 AS 112/06 = Sozialrecht aktuell 2008, 155).

4. Steht das Sorgerecht nur einem Elternteil zu, kann die Vertretungsmacht des nicht sorgeberechtigten Elternteils auch nicht über eine im Licht des Art 6 Abs 1 und 2 GG zu erfolgende Auslegung der zivilrechtlichen Bestimmungen über die Ausübung der elterlichen Sorge begründet werden. Der zivilrechtliche Anknüpfungspunkt fehlt, da für den nicht sorgeberechtigten Elternteil § 1687 BGB nicht unmittelbar, sondern nur über § 1687a BGB Anwendung findet.

5. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB 2 erfüllt nicht, wer die Kinder "nur" an zwei Wochenenden im Monat und in der Hälfte der Schulferien betreut (vgl LSG Essen aaO).

 

Normenkette

SGG § 71 Abs. 2, § 69 Nr. 1, § 54 Abs. 2; SGB I § 36 Abs. 1 S. 1, § 38; SGB II § 21 Abs. 3, § 23 Abs. 1 S. 1; SGB XII § 73; BGB §§ 1626, 1628-1629, 1687, 1687a; GG Art. 6 Abs. 1-2

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.12.2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 wegen des im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts besuchsweisen Aufenthaltes seines Sohnes bei ihm.

Der Kläger ist Vater des am 00.00.1993 geborenen Kindes D C-L. Die Ehe des Klägers mit Frau F C ist seit dem 30.05.1995 geschieden. Der Kläger ist für den Sohn D C-L nicht sorgeberechtigt. Sorgeberechtigt ist vielmehr allein seine geschiedene Ehefrau.

Am 15.01.2002 schloss er mit seiner geschiedenen Ehefrau vor dem Amtsgericht Neuss - Familiengericht - Az.: 46 F 371/01 - hinsichtlich des Umgangsrechts mit dem Sohn eine Vereinbarung. Nach dieser hat er das Recht des persönlichen Umgangs mit seinem Sohn an jedem zweiten Wochenende in der Zeit von Freitag 18:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr sowie an jedem Doppelfeiertag der kirchlichen Hochfeste in der Zeit von 9.00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie für die Hälfte der Oster- und Sommerferien.

Mit Bescheid vom 13.12.2004 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.12.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 i.H.v. 805,- EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte die Beklagte neben den Regelleistungen i.H.v. 345,- EUR Kosten der Unterkunft i.H.v. 460,- EUR. Leistungen für den zeitweiligen Aufenthalt des Sohnes beim Kläger gewährte die Beklagte nicht.

Mit Widerspruchsschreiben vom 06.01.2005 legte der Kläger ausdrücklich gegen den Änderungsbescheid vom 20.12.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass der Aufenthalt seines Sohnes D bei ihm im Rahmen der Leistungsgewähr...

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