Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessungsentgelt. Bestandsschutzregelung. Herstellungsanspruch. Fiktion. Verfügbarkeit. Arbeitslosengeldanspruch: Verfügbarkeit eines Arbeitnehmers vor Arbeitslosmeldung. Herstellung der (fristgerechten) Arbeitslosmeldung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches

 

Orientierungssatz

Die für den Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld erforderliche Arbeitslosigkeit liegt erst zu dem Zeitpunkt vor, ab dem der Arbeitnehmer tatsächlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet ist. Eine fehlende Arbeitslosmeldung und die daraus resultierende Verfügbarkeit kann nicht im Wege des sozialrechtliche Herstellungsanspruches fingiert werden.

 

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Gewährung höheren Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit vom 15. September 2006 bis 17. Oktober 2007 in Anspruch.

Die Klägerin, geboren 1948, hatte bis 14. September 2004 von der Beklagten Alg bezogen, und zwar auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 575 €. Ab 15. September 2004 arbeitete die Klägerin als Verkaufsmitarbeiterin bei der C H C GmbH in Teilzeit und erzielte von September 2005 bis August 2006 jeweils ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.100 € monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete am 14. September 2006; den letzten Arbeitstag absolvierte die Klägerin am 13. September 2006, am 14. September 2006 war sie von der Arbeit freigestellt (Bescheinigung der Arbeitgeberin vom 14. Februar 2008). Am 16. Juni 2006 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 15. September 2006 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte Alg mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 ab 15. September 2006 für 393 Kalendertage bis zum 17. Oktober 2007 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 16,61 €. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie sich gegen das ermittelte Bemessungsentgelt wandte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2006 zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin eine schriftliche Auskunft der Agentur für Arbeit B N vom 21. März 2006 eingereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 10. August 2007 die auf Gewährung höheren Alg nach dem früheren Bemessungsentgelt von 575 € gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Ein Anspruch auf höheres Alg bestehe nicht. Über eventuelle Schadenersatzansprüche wegen einer Falschauskunft habe das Gericht nicht entscheiden können. Insoweit sei eine Amtshaftungsklage vor dem Landgericht B zu erheben. Zu Recht habe die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass die Bestandsschutzregelung des § 131 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) nicht zur Anwendung gelange. Denn danach müsse der Arbeitslose innerhalb der letzten 2 Jahre vor der Entstehung des neuen Anspruches höheres Alg bezogen haben. Der neue Anspruch auf Alg entstehe, wenn alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien. Dies sei hier erst am 15. September 2006 der Fall gewesen, da die Klägerin noch bis zum 14. September 2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, also nicht arbeitslos iS des § 118 SGB III gewesen sei. Die 2-Jahres-Frist, innerhalb derer ein höheres Alg bezogen worden sein müsse, laufe daher vom 15. September 2004 bis zum 14. September 2006, dem Tag vor der Entstehung des neuen Anspruches. Unstreitig habe die Klägerin innerhalb dieser Vorfrist kein höheres Alg bezogen. Der Berechnungsfehler in dem Auskunftsschreiben der Beklagten vom 21. März 2006 helfe der Klägerin im Sozialrechtswege nicht weiter. Denn insoweit komme allenfalls eine sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht, der aber nur dann greife, wenn die fehlende Leistungsvoraussetzung, hier die Voraussetzung für die Anwendung der Bestandsschutzregelung, in dem Sinne ersetzt werden könne, dass der Betroffenen so gestellt werde, wie er sich bei einer richtigen Beratung verhalten hätte. So könne z. B. ein unterbliebener Leistungsantrag fingiert werden oder das Datum eines Antrags hinausgeschoben werden, wenn bei einer späteren Antragstellung ein günstigerer Anspruch erlangt worden wäre. Nicht zulässig sei dagegen ein “Hinwegdenken„ von Tatbestandsmerkmalen, die den Leistungsanspruch ausschlössen. Im vorliegenden Fall sie dies die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin noch am 14. September 2006 und das tatsächliche Ende der zuletzt bezogenen höheren Anspruchsleistung am 14. September 2004. Diese außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses stehenden Lebenssachverhalte könnten im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht hinweggedacht werden. Im Ergebnis würde die Beklagte zu einer systemwidrigen Leistungszahlung verpflichtet werden müssen.

Mit Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt zur Begründung vor: Sie habe einen Anspruch auf höheres Alg nach den Grundsätzen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Beklagte habe eine Beratungs- bzw. Auskunftspflicht nach den §§ 14, 15 So...

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