Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses für EU-Ausländer

 

Orientierungssatz

1. Der im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelte Leistungsausschluss für EU-Ausländer greift nur ein, wenn der Zweck des Aufenthalts die Arbeitsuche ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, B 4 AS 54/12 R). Soweit sich das Aufenthaltsrecht aus einem anderen Zweck ableitet, ist deshalb ein Zugang zu Grundsicherungsleistungen gegeben.

2. Der in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 geregelte Leistungausschluss für EU-Ausländer begegnet keinen europarechtlichen Bedenken, so dass die Regelung anzuwenden ist. (Fortführung LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 29. Februar 2012, L 20 AS 2347/11 B ER).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2013 geändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1964 geborene Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin. Sie ist nach eigenen Angaben verheiratet mit einem 1946 geborenen polnischen Staatsbürger (im Folgenden: Ehemann), der nach einer Anmeldebestätigung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin seit dem 4. November 2010 in Berlin gemeldet ist. Der Ehemann erhält nach seinen Angaben vom 6. Juni 2013 eine Altersrente aus der polnischen Rentenversicherung in monatlicher Höhe von rund 100 € und Sozialhilfe.

Ausweislich einer weiteren Anmeldebestätigung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 28. Mai 2013 meldete sich auch die Antragstellerin mit diesem Datum unter derselben Anschrift wie ihr Ehemann an. Mit schriftlichem Antrag vom 29. Mai 2013, bei dem Antragsgegner eingegangen am 30. Mai 2013, beantragten die Antragstellerin sowie ihr Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht geltend gemacht. Außerdem erklärten beide, als Arbeitsuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein. Der Ehemann erklärte außerdem, das Datum seiner ersten Einreise (in die Bundesrepublik Deutschland) sei am 4. November 2010 und seiner letzten Einreise sei am 25. Mai 2013 gewesen. Die Antragstellerin erklärte, kein Einkommen zu erzielen und auch keiner Tätigkeit nachzugehen; sie sei am 23. Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Mit Bescheid vom 26. Juli 2013 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin unter Hinweis auf den Leistungsausschluss § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ab.

Am 5. August 2013 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Zeitraum vom 5. August 2013 bis zum 30. November 2013 monatliche Leistungen in Höhe von 345 € (für die Zeit vom 5. August 2013 bis zum 31. August 2013 anteilig 310,50 €) vorläufig zu bewilligen und auszuzahlen. Ihr seien Leistungen zu gewähren, da sie weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Ihr monatlicher Bedarf liege bei 345 €. Ihr Ehemann sei Rentner und sie würden bei einem Bekannten wohnen, ohne Miete zu zahlen. Sie sei auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II angewiesen, um Lebensmittel zu kaufen.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Schreiben vom 15. August 2013 den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ein Leistungsanspruch für die ersten drei Monate nach der Einreise nicht bestehe und die Dreimonatsfrist liefe erst am 23. August 2013 ab. Außerdem hat das Sozialgericht zur Vorlage von Unterlagen über die Einkommensverhältnisse aufgefordert.

Mit Schriftsatz vom 15. August 2013 hat daraufhin die Antragstellerin erklärt, der Ehemann wohne schon seit drei Jahren in Deutschland und daher gelte die Ausschlussfrist von drei Monaten nach Einreise nicht. Außerdem hat die Antragstellerin die Kopie eines Bewilligungsbescheides des Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 8. August 2013 über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) für den Ehemann für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Mai 2014 in monatlicher Höhe von 245 € übersandt.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 28. August 2013 den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit ab dem 28. August 2013 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 26. Juli 2013, längstens jedoch bis zum 30. November 2013, anteilig für August 2013 36,80 € und für die Monate September bis November 2013 monatlich 276 € zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verstoße gegen Art. 4 VO (EG) 883/2004. Der Antragstellerin seien daher Leistungen...

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