Rz. 24

Ist die Erwerbsfähigkeit des Verletzten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit um mindestens 20 v. H. gemindert, gewährt der Unfallversicherungsträger dem Verletzten eine Rente (vgl. §§ 56 ff. SGB VII).

Die Verletztenrente soll den wirtschaftlichen Schaden ausgleichen, den der Verletzte wegen der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erleidet.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen, seelischen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten. Bei der Bemessung des Ausgleichs werden die Nachteile berücksichtigt, die der Versicherte dadurch erleidet, dass er bestimmte von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann (vgl. § 56 Abs. 2 SGB VII).

Bei der Einschätzung bleiben sowohl Vorschädigungen als auch nicht unfallbedingte Nachschäden außer Betracht.

Die Einschätzung der MdE erfolgt durch den Unfallversicherungsträger aufgrund von Erfahrungswerten. Wegen der abstrakten Schadensberechnung kommt es nicht darauf an, welcher wirtschaftliche Erwerbsschaden konkret bezogen auf die vor dem Arbeitsunfall ausgeübte Tätigkeit eingetreten ist. Verliert ein Bankangestellter ein Bein, wird das ebenso bewertet wie bei einem Maurer. Besonderheiten gelten aber, wenn besondere berufliche Umstände von der Norm abweichen.

Die Verletztenrente wird ab einem MdE von mindestens 20 % gewährt. Hat ein Versicherter bereits einen Arbeitsunfall mit einer MdE i. H. v. 10 % und tritt ein neuer Versicherungsfall hinzu, gibt es einen sogenannten Stütztatbestand.

 
Praxis-Beispiel

Der Versicherte erlitt 2002 und im Jahr 2018 jeweils einen Arbeitsunfall mit jeweils einer MdE von 10 %. Nach Anerkennung des zweiten Arbeitsunfalls kann eine Verletztenrente gezahlt werden. Bessert sich der Gesundheitszustand, so dass eine MdE von 10 % wegfällt, endet die Rente wieder.

 

Rz. 25

Ist die Erwerbsfähigkeit um 100 % gemindert, kann der Versicherte eine steuerfreie Vollrente (= 100 % MdE) in Höhe von zwei Dritteln des Jahresarbeitsverdienstes beanspruchen (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Als Jahresarbeitsverdienst gilt gemäß § 81 i. V. m. § 82 SGB VII der Gesamtbetrag des (Brutto-)Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens (§§ 14, 15 SGB IV) des Versicherten in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall (Arbeitsunfall; vgl. §§ 7 bis 9 SGB VII) eingetreten ist. Eine Begrenzung auf das Nettoarbeitsentgelt findet bei Arbeitnehmern nicht statt. Es gelten Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienste und bei versicherten Unternehmern auch Jahresarbeitsverdienste, die pauschal durch Satzung des jeweiligen Unfallversicherungsträgers festgelegt sind (vgl. §§ 83, 85 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit nur um 40 % gemindert, erhält der Versicherte auch nur 40 % der Vollrente.

 
Praxis-Beispiel

Bei einer Minderung von 40 % und einem Jahresarbeitsverdienst von 36.000,00 EUR errechnet sich die Rente wie folgt:

2/3 × 36.000,00 EUR = 24.000,00 EUR

Bei 40 % Erwerbsminderung: 40/100 × 24.000,00 EUR = 9.600,00 EUR

Die monatliche Rente beträgt also 9.600,00 EUR : 12 Monate = 800,00 EUR.

Für Schwerverletzte (MdE 50 % oder mehr) wird zur Unfallrente eine Zulage in Höhe von 10 % gewährt, wenn infolge des Versicherungsfalls keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt werden kann und keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsversicherung bezogen wird.

Arbeitet der Verletzte trotz seiner Einschränkung weiter, erhält er die Rente zusätzlich zu seinem Einkommen, egal wie hoch das Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen ist. Hat er aber neben der Unfallrente eine Alters- oder Erwerbminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so wird diese gekürzt.

 

Rz. 26

Bei Kindern und Jugendlichen, die z. B. einen Kindergarten- oder Schulunfall (= Arbeitsunfall) erlitten haben, ist die Rente weniger ein Ausgleich für augenblicklich entfallende Arbeitsmöglichkeiten als eine Leistung für die künftige wirtschaftliche Existenzsicherung. Diese Renten berechnen sich aus einem speziell für Kinder bestimmten Jahresarbeitsverdienst (vgl. § 86 SGB VII). Hierbei wird nach dem Alter des Kindes/Jugendlichen unterschieden.

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