Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 30.11.2020 - L 1 KR 125/20, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Mai 2020 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 19. März 2018 bis zum 13. August 2018 zu gewähren.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 19. März 2018 bis zum 13. August 2018 Krankengeld gewähren muss.

Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 6. März 2018 bescheinigte der Allgemeinmediziner Dr. D. eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aufgrund der ICD-10 Diagnose F 48.0 (Neurasthenie) für die Zeit vom 6. März 2018 bis zum Sonntag, 18. März 2018.

Die Klägerin telefonierte am Montag, 19. März 2018 mit der Praxis Dr. D. Aus organisatorischen Gründen konnte ihr erst am Mittwoch, 21. März 2020 ein Termin gegeben werden. Mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 21. März 2018 bescheinigte Dr. D. eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aufgrund der ICD-10 Diagnose F 48.0 (Neurasthenie) für die Zeit vom 6. März 2018 bis zum 1. April 2018.

Mit Bescheid vom 12. April 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 7. März 2018 bis zum 18. März 2018 Krankengeld und teilte mit, dass mit dem Ende des Krankengeldanspruchs auch die beitragsfreie Versicherung ende. Die Arbeitsunfähigkeit sei nicht spätestens am Folgetag bescheinigt worden.

Die Klägerin widersprach dem Bescheid am 17. April 2018, da sie durchgängig arbeitsunfähig gewesen sei. Sie legte ein Attest von Dr. D. vom 12. April 2018 bei, der dies bestätigte. Sie habe keinen Einfluss auf die Terminvergabe gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nachdem bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit nach ärztlicher Bescheinigung vom 6. bis zum 18. März 2018 attestiert worden war, hätte sie sich spätestens am 19. März 2018 in ärztliche Behandlung begeben müssen, um ihre Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Die Klägerin habe ihre Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Dazu gehöre das aktive Herbeiführen eines Arzt-Patienten-Kontakts. Nicht ausreichend sei es, mit der Arztpraxis für einen späteren Zeitpunkt vereinbarte persönliche Vorstellung abzuwarten. Mit dem Ende des Krankengeldanspruchs endete am 18. März 2018 auch die weiterführende Versicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Zum Zeitpunkt der erneuten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 21. März 2018 habe keine Versicherung mit Krankengeldberechtigung bestanden, so dass daraus kein erneuter Krankengeldanspruch entstehe.

Dagegen hat die Klägerin am 12. Juli 2018 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Klagebegründung hat sie vorgetragen, sie habe Dr. D. am 19. März 2018 telefonisch mit der Bitte um eine Terminvergabe unter Hinweis auf das Auslaufen der Arbeitsunfähigkeit am 18. März 2018 kontaktiert. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass erst am 21. März 2018 ein Termin frei sei und es unerheblich wäre, dass er erst am 21. März 2018 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstelle, da diese rückwirken könne. Auf diese Aussage habe sie vertraut.

Die Klägerin hat durchgehende AU-Bescheinigungen von Dr. D. für die Zeit vom 13. August 2018 vorgelegt; auf Blatt 28 ff. der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Weiter hat die Klägerin Atteste von Dr. D. vom 10. Juli 2018 und 12. Juli 2019 vorgelegt, in denen dieser mitteilte, dass die Klägerin in der Praxis angerufen, er mit ihr persönlich gesprochen habe und aus organisatorischen Gründen der Praxis eine frühere Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, für die Beendigung der Krankengeldzahlung hätten medizinische Aspekte nicht im Vordergrund gestanden. Es handle sich ausschließlich um die Folge aus der Verletzung der Obliegenheitspflicht. Ein Arzt-Patienten-Kontakt habe nicht stattgefunden. Der Klägerin sei es durchaus auch zumutbar gewesen, sich frühzeitig vor Ende des Arbeitsunfähigkeitsabschnitts um einen Folgetermin in der Arztpraxis zu kümmern. Zudem sei fraglich, ob der telefonische Kontakt tatsächlich zwischen dem Arzt selber und der Klägerin stattgefunden habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Versicherte nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Fünften Buch Sozialgesetzbuches (SGB V) Anspruch auf Krankengeld haben, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen könnten, bestimme sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt...

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