Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Fortzahlung von Krankengeld. nicht rechtzeitiger Arzt-Patienten-Kontakt

 

Leitsatz (amtlich)

Krankenkassen dürfen gegenüber dem Krankengeldanspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz Anschluss an BSG vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R = SozR 4-2500 § 46 Nr 10.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus.

Die 1972 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld gesetzlich krankenversichert. Sie war seit dem 9. Juli 2018 aufgrund der Diagnosen R42 G (Schwindel, Taumel) und H81.8 V (Sonstige Störungen der Vestibularfunktion) arbeitsunfähig erkrankt und bezog - auch nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte - Krankengeld von der Beklagten. Sie legte für den Zeitraum vom 20. August 2018 bis 7. September 2018 (Freitag) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit gleichbleibender Diagnose vor. Die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reichte sie am 12. September 2018 (Mittwoch) für den Zeitraum vom 12. September 2018 bis 28. September 2018 ein.

Mit Bescheid vom 13. September 2018 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus ab. Um die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten aufrecht zu erhalten, sei eine Folgebescheinigung am nächsten Werktag, d.h. am Montag, dem 10. September 2018 notwendig gewesen, um einen lückenlosen und durchgehenden Krankengeldanspruch nachzuweisen. Da die Folgebescheinigung auf den 12. September 2018 datiere, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 legte die Klägerin Widerspruch ein. Es läge ein zu berücksichtigender Ausnahmefall vor. Die Klägerin habe sich am 10. September 2018 telefonisch bei ihrem behandelnden Arzt gemeldet, um einen Termin zu erhalten. Dies sei normalerweise kein Problem. Da sich der Hausarzt jedoch im Urlaub befand, habe sie bei dessen Vertreter erst am 12. September 2018 einen Termin erhalten. Aus diesem Grunde habe sie die Folgebescheinigung erst ab dem 12. September 2018 erhalten. Die Klägerin melde sich aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen immer vorab telefonisch in der Praxis an, da sie kein Auto fahren könne und zu Fuß aufgrund ihrer Erkrankung etwas unsicher sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Es reiche nicht aus, den Arzt telefonisch zu kontaktieren, es sei ein unmittelbarer persönlicher Kontakt zum Arzt notwendig. Sofern der Arzt in diesem Falle aus von ihm zu vertretenen Gründen keine Folgebescheinigung ausstelle, sei dies der Beklagten zuzurechnen. Eine solche Konstellation sei nicht gegeben.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Februar 2019 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Sie war der Auffassung, dass das Krankengeld zu Unrecht eingestellt worden sei. Es liege ein Ausnahmefall vor, da ihr ein früheres Erscheinen in der Praxis ihres Hausarztes vor dem 12. September 2018 verweigert worden sei. Dies, obwohl sie darauf hingewiesen habe, dass sie eine Folgebescheinigung benötige. Die Beklagte war der Auffassung, dass eine zu berücksichtigende Krankengeldlücke vorliege. Eine lückenlose Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Dies sei von besonderer Relevanz, da die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nur noch über den Bezug von Krankengeld bestanden habe. Das Ende der Mitgliedschaft schließe auch einen neuerlichen Krankengeldanspruch aus. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, da nicht rechtzeitig ein unmittelbarer persönlicher Kontakt mit dem Arzt aufgenommen worden sei.

Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der Fassung vom gültig ab 23. Juli 2015 bis 10. Mai 2019 (im Folgenden: aF). Der Anspruch auf Krankengeld bleibe jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben...

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