Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. Erweiterung der Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB 2 um das Bestehen eines Aufenthaltsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss von Unionsbürgern mit Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 durch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist europarechtskonform (Aufgabe von LSG Darmstadt vom 14.7.2011 - L 7 AS 107/11 B ER - Leitsatz 1 = NDV-RD 2011, 102, vom 18.12.2012 - L 7 AS 624/12 B ER - Leitsatz 2 und vom 20.9.2013 - L 7 AS 474/13).

2. Die in § 7 Abs 1 S 1 SGB 2 für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2 aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen sind um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern. Der dadurch bewirkte Ausschluss von Unionsbürgern ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland von Leistungen nach dem SGB 2 ist europarechtskonform.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 24. März 2014 bis 23. September 2014.

Die Antragstellerin zu 1. und ihre minderjährigen Kinder, die Antragsteller zu 2. und 3., sind rumänische Staatsangehörige. Sie beantragten am 17. Dezember 2013 formlos bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. In dem am 19. Dezember 2013 beim Antragsgegner eingegangenen Antragsformular wies die Antragstellerin zu 1. darauf hin, dass sie seit 16. Dezember 2013 ortsanwesend seien und gab als Grund für den Zuzug “Arbeitsaufnahme„ an. Sie gab außerdem an, dass sie über keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung verfüge und nur rumänisch spreche. Bei der Antragstellung lagen der Personalausweis der Antragstellerin zu 1. und die Reisepässe der Antragsteller zu 2. und 3. vor. Mit Bescheid vom 3. Januar 2014 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Zur Begründung verwies der Antragsgegner auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II und führte an, dass sich die Antragsteller nach ihren Angaben erst seit 16. Dezember 2013 in Deutschland aufhielten und sie deshalb keinen Leistungsanspruch hätten. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 4. Februar 2014 Widerspruch ein. Dabei verwies die Antragstellerin zu 1. darauf, dass neben ihrem Anliegen, in der Bundesrepublik Deutschland Arbeit aufzunehmen, weitere Gründe für ihren Aufenthalt bestünden, nämlich ihre familiären Bindungen zu ihrer Mutter und ihrer Schwester. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Antragsgegner weiter an, dass auch nach dem Ablauf von drei Monaten seit der Einreise Leistungen nicht gewährt werden könnten, da sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe und sie deshalb auch für diesen Zeitraum vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid haben die Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (S 26 AS 507/14), über die noch nicht entschieden wurde. Am 24. März 2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main einstweiligen Rechtsschutz beantragt.

Im Wege der eidesstattlichen Versicherung hat die Antragstellerin zu 1. angegeben, im Jahr 2008 für ca. ein Jahr in der Bundesrepublik Deutschland gelebt zu haben. Sie sei dann mit den in Rumänien geborenen Kindern Ende Oktober/Anfang November 2013 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Sie und ihrer Kinder lebten zusammen mit ihrer Schwester und deren beiden Kindern in der Wohnung ihrer Mutter. Miete habe sie zu keinem Zeitpunkt gezahlt. Sie und ihre Kinder lebten von dem ihr für ihre Kinder bewilligten Kindergeld. Seit ihrer Einreise werde sie von Verwandten unterstützt, die ihr ab und an kleinere Beträge für sich und ihre Kinder liehen. Diese habe sie teilweise aus der Nachzahlung des Kindergeldes zurückgezahlt. Die Antragstellerin hat außerdem im Laufe des Verfahrens angegeben, ihrer Mutter sei die Kündigung der Wohnung angedroht worden. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 1. den Mietvertrag ihrer Mutter, die Androhung der Kündigung für ihre Mutter, Kontounterlagen ihres Kontos, den Bewilligungsbescheid vom 24. März 2014 für die Gewährung von Kindergeld für ihre Kinder, Unterlagen über ihre bestehende Schwangerschaft und eine Mitteilung an ihre Schwester zur Auszahlung von SGB II-Leistungen vorgelegt. Die vom Sozialgericht angeforderten Gebur...

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