(1) Voraussetzung für die Leistung nach § 39 SGB XI ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, dass bereits Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI vorgelegen und dieselbe Pflegeperson den Pflegebedürftigen sechs Monate gepflegt haben muss. Die Gesetzesmaterialien geben hierzu keine Hinweise. Diese Regelung wird dahingehend ausgelegt, dass die Wartezeit von sechs Monaten auch erfüllt ist, wenn sich mehrere Personen die Pflege zeitlich geteilt haben. Die Pflege muss nicht ununterbrochen ausgeführt worden sein. Unterbrechungstatbestände, die den Voraussetzungen des § 39 SGB XI entsprechen und nicht länger als vier Wochen dauern, sind für die Erfüllung der Wartezeit unschädlich. Hat die Unterbrechung länger als vier Wochen gedauert, so verlängert sich die Frist um den Zeitraum der Hemmung. Nicht erforderlich ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor jeder neuen Unterbrechung der Pflegetätigkeit wiederum sechs Monate gepflegt haben muss. Für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz ohne Pflegestufe gelten die zuvor aufgeführten Grundsätze entsprechend. Die Wartezeit von sechs Monaten ist erfüllt, wenn die Person in diesem Zeitraum betreut worden ist.

(2) Anspruchsvoraussetzung ist nicht, dass die Leistung im Voraus beantragt wird.

2.1 Ersatzpflege außerhalb der Häuslichkeit des Anspruchsberechtigten

Da die Ruhensvorschrift nach § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB XI hier ausdrücklich nicht gilt, ist die Erbringung dieser Leistung nicht auf die Ersatzpflege im Haushalt des Anspruchsberechtigten beschränkt. Es gilt vielmehr ein erweiterter Häuslichkeitsbegriff. Die Ersatzpflege kann daher insbesondere in

  • einem Wohnheim für behinderte Menschen,
  • einem Internat,
  • einer Krankenwohnung,
  • einem Kindergarten,
  • einer Schule,
  • einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung,
  • einem Krankenhaus oder
  • einer Pflegeeinrichtung (unabhängig von einer Zulassung nach § 72 SGB XI)

durchgeführt werden. Dient der Krankenhausaufenthalt des Anspruchsberechtigten allein der vollstationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V, besteht für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Ersatzpflege. Bei der Kostenübernahme für die zuvor genannten oder vergleichbaren Einrichtungen ist jedoch darauf zu achten, dass nur die pflegebedingten Aufwendungen berücksichtigt werden können. Investitionskosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung oder für Zusatzleistungen sowie die Behandlungspflege und soziale Betreuung dürfen hier jedoch nicht übernommen werden. Falls in diesem Zusammenhang lediglich eine Gesamtsumme oder ein Tagessatz – ohne weitere Spezifizierung – in Rechnung gestellt wird, sollte ein Prozentsatz in Höhe von mindestens 20 v. H. von der Summe des Rechnungsbetrages für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten, medizinische Behandlungspflege und soziale Betreuung in Abzug gebracht werden. Soweit mit Einrichtungen auf der Grundlage des 8. Kapitels des SGB XI Vergütungsverhandlungen geführt wurden, und damit auch der pflegebedingte Anteil am Pflegesatz feststeht, ist dieser entsprechend zu berücksichtigen. Soweit entsprechende Pflegesatzvereinbarungen bzw. Vergütungsregelungen von derartigen Einrichtungen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind, kann der pflegebedingte Anteil ebenfalls ermittelt und für die Leistungsgewährung herangezogen werden.

Beispiel

Die Ersatzpflege bei einem Pflegegeldempfänger der Pflegestufe II wird vom 11.04. bis 03.05.2016 (23 Kalendertage) in einer Rehabilitationseinrichtung erbracht.

Rechnungsbetrag der Rehabilitationseinrichtung für 23 Tage Ersatzpflege 1.530,00 EUR
Abzug für Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten medizinische Behandlungspflege, soziale Betreuung in Höhe von 20 v. H. des Rechnungsbetrages 306,00 EUR
Erstattungsbetrag für Ersatzpflege 1.224,00 EUR
Berechnung der Pflegegeldansprüche:    
für den 11.04. und 03.05.2016    
volles Pflegegeld (458,00 EUR x 2 : 30) = 30,53 EUR
vom 12.04. bis 02.05.2016    
hälftiges Pflegegeld (229,00 EUR x 21 : 30) = 160,30 EUR

Ergebnis:

Im laufenden Kalenderjahr 2016 besteht noch ein Restanspruch auf Ersatzpflege für 19 Kalendertage bzw. in Höhe von 388,00 EUR (1.612,00 EUR – 1.224,00 EUR).

Bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt und aus Deutschland heraus organisierter Ersatzpflege (mitreisende Ersatzpflegekraft) besteht Anspruch auf Ersatzpflege (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11.05.2007, Az.: L 4 P 2828/06). Diese Regelung gilt weltweit (vgl. Ziffer 1 zu § 34 SGB XI).

2.1.1 Ersatzpflege bei Gewährung von Leistungen nach § 43a SGB XI

Ist bei Pflegebedürftigen, die sich während der Woche und an Wochenenden oder in den Ferienzeiten im häuslichen Bereich befinden und die Leistungen nach § 43a SGB XI und der häuslichen Pflege (§§ 36, 37, 123 Abs. 3 und 4 SGB XI) erhalten, im häuslichen Bereich die Pflege (z. B. an den Wochenenden oder in Ferienzeiten) nicht sichergestellt, können die Leistungen nach § 39 SGB XI zur Verfügung gestellt werden. Eine Anrechnung auf die Leistungen nach § 43a SGB ...

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