Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Anspruch auf Verhinderungspflege im EU-Ausland (hier: Österreich. Kurzzeitpflege. Leistungen bei Verhinderung der Pflegeperson. Notwendige Ersatzpflege. Pflegegeld. Sachleistung. Geldleistung. Erholungsurlaub. Behindertenfreizeit. Auslandsaufenthalt. EU. Unionsbürger. Freizügigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Pflegekraft i.S.v. § 34 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 SGB XI kann auch eine Person sein, die den Versicherten wegen der Verhinderung der häuslichen Pflegeperson vor dem Auslandsaufenthalt im Rahmen der Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung gepflegt hat.

 

Normenkette

SGB XI § 34 Abs. 1, §§ 36-37, 39, 41-43, 43a, 71 Abs. 2, 4; EGV Art. 18

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. April 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 05. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Juni 2005 verurteilt, die Klägerin von Kosten in Höhe von € 360,00 für die Verhinderungspflege vom 04. bis 08. Mai 2005 freizustellen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte die Klägerin von den Kosten in Höhe von € 360,00 für die Teilnahme an einer Behindertenfreizeit in Österreich vom 04. bis 08. Mai 2005 freizustellen hat.

Die am 1972 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie bezieht von der Beklagten Pflegegeld nach Pflegestufe II (monatlich € 410,00). Sie wird von ihrer Mutter L. S. (L.S.) in der gemeinsamen Wohnung in O. gepflegt. Am 14. April 2005 hatte die Klägerin bei der Beklagten Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) in der Vertragseinrichtung des Clubs 82 (Freizeitclub mit behinderten Menschen, im Folgenden Club) in H. für die Zeit vom 30. April bis 04. Mai sowie vom 08. bis 13. Mai 2005 beantragt, und zwar mit dem Hinweis, dass die Kurzzeitpflege durch die Teilnahme an einer Freizeit vom 04. bis 08. Mai 2005 unterbrochen werde. Ihre Mutter sei nervlich im Moment nicht in der Lage, die häusliche Pflege durchzuführen. L.S. befand sich vom 04. bis 11. Mai 2005 im Urlaub in Ägypten. Die Kurzzeitpflege fand bei der Klägerin vom 30. April bis 04. Mai sowie vom 08. bis 13. Mai 2005 in der mit Versorgungsvertrag zugelassenen Pflegeeinrichtung “Wohnen am Kreisel„ des Clubs statt. Für diese Kurzzeitpflege zahlte die Beklagte an den Club insgesamt € 691,20 (= € 307,20 + € 384,00). Ferner gewährte sie der Klägerin - aufgrund einer während des Berufungsverfahrens durchgeführten Nachberechnung - insgesamt restliches Pflegegeld für Mai 2005 (24 Tage) von € 328,08.

Vom 04. bis 08. Mai 2005 nahm die Klägerin dann an einer vom Club durchgeführten Behindertenfreizeit in Schwarzach in Österreich teil. Diese Freizeit fand im Selbstversorgerhaus “Ingrüne„ statt, das dafür angemietet worden war. An der Freizeit nahmen insgesamt 20 behinderte Personen teil. Als Betreuer und Pfleger standen insgesamt sechs Begleitpersonen zur Verfügung. Die Verrichtungen der Grundpflege und der häuslichen Versorgung wurden bei den Pflegebedürftigen, die Pflegegeldbezieher waren, von einem Diplompädagogen, einer Altenpflegerin, einer Physiotherapeutin, einem Erzieher, einer Familienpflegerin und einem ehemaligen Zivildienstleistenden als haupt- und nebenamtliche Mitarbeiter des Clubs ausgeführt. Für die pflegebedingten Aufwendungen während der Freizeit wurden für die Klägerin, ausgehend von einem Tagespflegesatz von € 63,00 für Pflegestufe I, zunächst € 315,00 berechnet (Antrag auf Kostenzusage vom 24. Februar 2005), dann aber im Hinblick auf einen Tagespflegesatz von € 72,00 für die Pflegestufe II auf € 360,00 erhöht (Rechnung vom 10. Mai 2005). Zusätzlich wurden der Klägerin Sachkosten für die Teilnahme an der Freizeit in Höhe von € 83,20 (Rechnung vom 13. Mai 2005) in Rechnung gestellt, die sie bezahlte. Den Antrag auf eine Kostenzusage für die pflegebedingten Aufwendungen während der Freizeit als Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 05. April 2005 gegenüber der Klägerin abgelehnt, wovon auch der Club unterrichtet wurde. Die Leistung werde im Rahmen der Ersatzpflege bei Verhinderung der Pflegeperson beantragt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 34 SGB XI ruhe jedoch der Leistungsanspruch, solange sich der Versicherte im Ausland aufhalte. Bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt bis zu sechs Wochen bestehe ein Anspruch auf Pflegegeld. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Betrag von € 1.432,00 für Verhinderungspflege sei auch dann maßgebend, wenn die Zeitgrenze noch nicht ausgeschöpft sei. Gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 SGB XI sei bei vorübergehendem Aufenthalt von bis zu sechs Wochen im Kalendermonat die Pflegesachleistung dann weiterzugewähren, soweit die Pflegekräfte, die ansonsten die Pflegesachleistung erbrächten, die pflegebedürftige Person ins Ausland begleiten würden. Dies sei durc...

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