Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatbestandswirkung der Innungsmitgliedschaft im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Tatbestandswirkung der Aufnahme in eine Trägerinnung der Innungskrankenkasse.

2. Die versicherungspflichtig Beschäftigten eines Betriebes, der die von einem anderen Unternehmen gelieferten Produkte (hier: Fleisch- und Wurstwaren) verkauft, gehören der Innungskrankenkasse an, wenn die Waren vor dem Verkauf durch handwerkliche Tätigkeiten weiter zubereitet werden.

 

Orientierungssatz

Haben die Innungsorgane den Inhaber des Betriebes als Innungsmitglied aufgenommen, so kann von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn der Aufnahmeakt nichtig ist, festgestellt werden, daß die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Innung gefehlt haben (vgl BSG 22.2.1974 3 RK 88/72 = BSGE 37, 135, 136). In der Regel hat das Bestehen der Innungsmitgliedschaft im sozialgerichtlichen Verfahren Tatbestandswirkung, dh das Gericht muß bei seiner Entscheidung von der Rechtmäßigkeit der Aufnahme und von der Innungsmitgliedschaft wie von einer Tatsache ausgehen (vgl BSG 6.11.1985 8 RK 42/84 = SozR 2200 § 250 Nr 11).

 

Normenkette

RVO § 250 Abs 1 S 1, § 234 Abs 1 S 1; HwO § 58 Abs 1, § 1 Abs 1 S 1, § 1 Abs 2, § 6 Abs 2, § 7 Abs 1, § 7 Abs 2, § 7 Abs 3, § 7 Abs 4, § 7 Abs 7

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27.09.1984; Aktenzeichen L 16 Kr 1/82)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 12.11.1981; Aktenzeichen S 17 Kr 10/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch darüber, ob die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) oder die beklagte Innungskrankenkasse (IKK) für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der bei der Beigeladenen zu 2.) versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer - die Beigeladenen zu 6.) bis 8.) - zuständig ist.

Die Firma W. - Beigeladene zu 1.) - stellt Fleisch- und Wurstwaren her. Die Firma J. - Beigeladene zu 2.) - unterhält acht Ladengeschäfte, zwei Stadtküchenbetriebe sowie eine Rotisserie. Dort werden die Waren, die bis auf einige hinzugekaufte Spezialitäten und Zutaten ausschließlich aus der Produktion der Beigeladenen zu 1.) stammen, für die Kunden verkaufs- bzw eßfertig zubereitet. Dies geschieht unter Anleitung und Kontrolle des Beigeladenen zu 6.), eines Fleischermeisters, der an der verkaufsfertigen Zubereitung der Waren auch unmittelbar selbst mitwirkt.

Mit der am 24. Januar 1980 erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß sie für alle versicherungspflichtig Beschäftigten der - damals rechtlich noch in einem einzigen Unternehmen zusammengefaßten - Firma M. die zuständige Krankenkasse sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen.

Während des Berufungsverfahrens ist durch rechtliche Abspaltung und Verselbständigung aus der Beigeladenen zu 1.) mit Wirkung vom 1. Januar 1983 die Beigeladene zu 2.) hervorgegangen. Der Rechtsstreit ist daraufhin teilweise durch Klagrücknahme und einen Teilvergleich erledigt worden. Soweit der Rechtsstreit sich nicht erledigt hat, hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 27. September 1984 die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Beigeladenen zu 6.) bis 8.) seien als Versicherungspflichtige in einem Betrieb beschäftigt, mit dem der Inhaber in die Handwerksrolle eingetragen und zugleich Mitglied einer Trägerinnung der beklagten IKK sei. Bei dieser Sachlage habe gemäß § 250 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht die klagende AOK, sondern die beklagte IKK die gesetzliche Krankenversicherung der genannten Beigeladenen durchzuführen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dürften die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur dann die Tatbestandswirkung der Eintragung in die Handwerksrolle und der Mitgliedschaft in der Trägerinnung unberücksichtigt lassen, wenn die handwerksrechtlichen Entscheidungen nichtig seien. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Zwischen den Beteiligten stehe zu Recht fest, daß die Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 2.) auch typisch handwerkliche Verrichtungen ausführten, zB das Zerlegen der Fleischstücke, das Aufschneiden der Wurstwaren, das Abfüllen der Bratwürste, das Herstellen von Hackfleisch usw. Die Beigeladene zu 2.) sei deshalb in gleicher Weise als Betrieb des Fleischerhandwerks zu werten wie ein Betrieb, in dem nur Fleischwaren produziert und verkaufsfertig zubereitet würden. Aber selbst wenn man die Beigeladene zu 2.) im Hinblick auf die beiden Stadtküchen als einen Mischbetrieb ansähe, ändere dies nichts an der Kassenzuständigkeit. Denn der Betrieb erhalte sein Gepräge jedenfalls durch das in den Ladengeschäften betriebene Fleischergewerbe. Dieses habe sowohl nach der Zahl der dort Beschäftigten (71 Arbeitnehmer gegenüber etwa 15 Arbeitnehmern in den beiden Stadtküchen) als auch nach dem erzielten Umsatz (etwa 6/7 des Gesamtumsatzes) ein eindeutiges Übergewicht.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 250 und 234 RVO und macht ua geltend, die Beigeladene zu 2.) führe im wesentlichen den Vertrieb der von der Beigeladenen zu 1.) produzierten Waren durch. Bei der Beigeladenen zu 2.) handele es sich nicht um einen meisterlich geführten Betrieb. Vielmehr überwiege - entgegen der Annahme des LSG - die nichthandwerkliche Tätigkeit. Deshalb sei die beklagte IKK auch für die Beschäftigten der Beigeladenen zu 2.) nicht die zuständige Krankenkasse. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 250 RVO solle die Krankenversicherung nur für die Mitglieder von Handwerksbetrieben von IKK'en durchgeführt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. September 1984 und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12. November 1981 zu ändern und festzustellen, daß die bei der Beigeladenen zu 2.) beschäftigten Beigeladenen zu 6.), 7.) und 8.) versicherungspflichtige Mitglieder der Klägerin sind.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage statthaft ist. Hierbei kann es - wie der erkennende Senat bereits in dem Urteil vom 6. November 1985 (8 RK 42/82 - zur Veröffentlichung bestimmt) angenommen hat - dahingestellt bleiben, ob der Streit eine Feststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - Zuständigkeitsklage - oder eine Klage iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG - Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses - betrifft (vgl dazu auch BSGE 18, 190, 193; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl, § 55 Anm 12).

Das LSG hat auch zu Recht angenommen, daß die klagende AOK nicht für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 6.) bis 8.) zuständig ist.

Nach § 234 Abs 1 RVO sind Versicherungspflichtige, die weder in die Bundesknappschaft oder die See-Krankenkasse noch in eine besondere Orts- oder eine Betriebs- oder eine IKK gehören, Mitglieder der AOK ihres Beschäftigungsorts. Aus dieser Vorschrift kann die Klägerin ihre Zuständigkeit nicht herleiten, weil die genannten Beigeladenen in eine IKK gehören.

Die Mitgliedschaft in den IKK'en ist in § 250 RVO geregelt. Danach gehören die in einem Betrieb beschäftigten Versicherungspflichtigen einer IKK an, wenn der Inhaber des Betriebes Mitglied einer Trägerinnung der IKK ist (in § 250 Abs 1 Satz 1 RVO ungenau formuliert: "für die der Innung angehörenden Betriebe"). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des LSG hier vor. Die Beigeladenen zu 6.) bis 8.) sind im Betrieb der Beigeladenen zu 2.) versicherungspflichtig beschäftigt. Diese ist als Betriebsinhaberin auch Mitglied einer Trägerinnung der beklagten IKK.

Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, der Betrieb der Beigeladenen zu 2.) sei kein Handwerksbetrieb.

Nach § 58 Abs 1 der Handwerksordnung (HwO) kann jeder selbständige Handwerker Mitglied der Handwerksinnung werden, der das Handwerk ausübt, für welches die Handwerksinnung gebildet ist. Selbständige Handwerker im Sinne der HwO sind nur diejenigen natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften, denen der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe aufgrund ihrer Eintragung in die Handwerksrolle gestattet ist (§ 1 Abs 1 HwO). Haben die Innungsorgane den Inhaber des Betriebes als Innungsmitglied aufgenommen, so kann von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn der Aufnahmeakt nichtig ist, festgestellt werden, daß die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Innung gefehlt haben (BSGE 28, 111, 113; 37, 135, 136). In der Regel hat das Bestehen der Innungsmitgliedschaft im sozialgerichtlichen Verfahren Tatbestandswirkung, dh das Gericht muß bei seiner Entscheidung von der Rechtmäßigkeit der Aufnahme und von der Innungsmitgliedschaft wie von einer Tatsache ausgehen (Urteil des erkennenden Senats vom 6. November 1985 - 8 RK 42/84 -).

Hier liegt ein solcher Regelfall vor. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Aufnahme der Beigeladenen zu 2.) in die Trägerinnung der beklagten IKK nichtig sein könnte, sind nicht gegeben. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als § 58 Abs 1 HwO iVm § 1 Abs 1 Satz 1 HwO für die Mitgliedschaft bei einer Innung die Eintragung in die Handwerksrolle voraussetzt (vgl BSGE 28, 111, 112; dazu Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Kommentar, 2. Aufl, § 58 RdNr 2). Ob das Fehlen der Eintragung die Nichtigkeit der Aufnahme begründen würde, mag dahingestellt bleiben, denn die Beigeladene zu 2.) ist - wie das LSG ebenfalls für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat - in die Handwerksrolle eingetragen. Die Entscheidung hierüber obliegt der örtlich zuständigen Handwerkskammer (§ 6 Abs 2 HwO). Diese muß darüber befinden, ob der Betrieb handwerksmäßig geführt wird (§ 1 Abs 2 HwO) und ob der Inhaber - wenn dieser eine natürliche Person ist - die persönlichen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt (§ 7 HwO) oder - bei einer juristischen Person - ob der Betriebsleiter den Voraussetzungen der Absätze 1, 2, 3 oder 7 genügt (§ 7 Abs 4 Satz 1 HwO). Hat die Handwerkskammer die handwerksrechtlichen Voraussetzungen bejaht und den Inhaber mit seinem Betrieb in die Handwerksrolle eingetragen, so ist diese Entscheidung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in gleichem Maße bindend wie die Aufnahme in die Innung. Nur wenn die Eintragung sich wegen grober Mängel als nichtig erweist, entfällt die Tatbestandswirkung dieser handwerksrechtlichen Entscheidung (vgl hierzu 28, 111, 113; 37, 135, 136; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1985 - 8 RK 40/83 -; Hagebölling, KrV 1985, S 122 ff). Der Senat läßt die Frage offen, ob in diesem Zusammenhang zu unterscheiden ist zwischen einer von Anfang an bestehenden oder erst später (vgl hierzu BVerwGE 22, 73, 74: Löschung in der Handwerksrolle führt automatisch zur Beendigung der Innungsmitgliedschaft; BSGE 28, 111, 112; s aber auch Siegert/Musielak, § 58 RdNr 8: Ausschluß aus der Innungsmitgliedschaft muß in der Satzung gemäß § 55 Abs 2 Nr 3 HwO vorgesehen werden) eintretenden Nichtigkeit. Weder das eine noch das andere liegt hier vor. Soweit die Klägerin geltend macht, der Betrieb der Beigeladenen zu 2.) sei kein Handwerksbetrieb, kann nach den vom LSG hierzu getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht angenommen werden, daß die Eintragung der Beigeladenen zu 2.) in die Handwerksrolle und damit auch ihre Mitgliedschaft in der Trägerinnung nichtig wären. Zwar verlangt das Gesetz für die Eintragung in die Handwerksrolle, daß der Betriebsinhaber oder - bei juristischen Personen - der Betriebsleiter in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 HwO). Dies bedeutet: Die Richtigkeit der Eintragung hängt auch von der Art des Betriebes ab. Nach § 1 Abs 2 HwO ist ein Gewerbebetrieb nur dann ein Handwerksbetrieb iS dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder im wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfaßt, das in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführt ist. Die Feststellung, die das LSG zur Art des Betriebes der Beigeladenen zu 2.) getroffen hat, lassen nicht den Schluß zu, daß die Eintragung in die Handwerksrolle an groben Mängeln leidet. In dem Betrieb werden nämlich handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt. Insbesondere erfolgt unter Anleitung und Kontrolle des Beigeladenen zu 6.), eines Fleischermeisters, die Zubereitung der Waren, nämlich das Portionieren der nur grob zerlegt angelieferten Fleischstücke, das Abfüllen der Bratwürste, die Herstellung von Hackfleisch und das Aufschneiden der Würste. Dies sind Arbeiten, die typischerweise zum Fleischerhandwerk gehören (vgl Blätter zur Berufskunde, 4. Aufl, Bd 1, IE 102 - 1.2.1), einem Gewerbe, das in der Anlage A zur HwO unter Nr 85 aufgeführt ist. Ob die im Betriebe der Beigeladenen zu 2.) erfolgten handwerklichen Tätigkeiten nur - wie die Klägerin meint - untergeordnete Bedeutung haben, kann hier dahinstehen. Jedenfalls kann nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen von einer Nichtigkeit der Eintragung in die Handwerksrolle und der damit möglicherweise verbundenen Nichtigkeit der Aufnahme in die Trägerinnung keine Rede sein.

Der erkennende Senat hat aber auch bereits in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, daß die Tatbestandswirkung der Mitgliedschaft in einer Trägerinnung sich nicht darauf erstreckt, daß das Gewerbe, mit dem eine Person in die Handwerksrolle eingetragen und in eine Trägerinnung aufgenommen worden ist, ein selbständiger Betrieb iS des § 250 RVO oder nur ein unselbständiger Teil eines anderen Gesamtbetriebes ist (Urteil vom 6. November 1985 aa0 mwN). Deshalb obliegt es den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Streitfalle zu prüfen, ob ein Betrieb mehrere Gewerbe umfaßt. Sind einzelne Gewerbe eines Unternehmens weitgehend zu Betrieben verselbständigt, so ist die Frage der Kassenzugehörigkeit der in ihnen beschäftigten Arbeitnehmer jeweils gesondert zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17. Oktober 1969 - 3 RK 93/68 - SozR § 250 RVO Nr 7 - Bäckerei und Lebensmittelgeschäft -). Fehlt es dagegen an einer organisatorischen Verselbständigung der einzelnen gewerblichen Betätigungen, so handelt es sich um einen einheitlichen Gesamtbetrieb, einen sogenannten Mischbetrieb (s dazu Buchholz in: "Sozialrechtsprechung -Verantwortung für den sozialen Rechtsstaat" - Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BSG, Bd 1, S 217 ff, S 232). In einem solchen Falle ist rechtserheblich, ob das die Innungsmitgliedschaft begründende handwerkliche oder ein anderes Gewerbe dem Gesamtbetrieb das Gepräge gibt, weil die Zugehörigkeit eines Innungsmitgliedes zu einer Innung mit einem Betrieb und nicht nur mit einem unselbständigen Betriebsteil Voraussetzung dafür ist, daß die im Betrieb Beschäftigten der IKK angehören (BSGE 37, 135, 136 f; BSG, Urteil vom 29. April 1971 - 3 RK 5/68 - SozR § 250 RVO Nr 10; vgl dazu auch Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, § 250 RVO Anm 2.2 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 2, 18. Aufl, § 250 RVO Anm 11c). Nur im Rahmen einer solchen organisatorisch zu einer besonderen Betriebseinheit zusammengefaßten Unternehmensform läßt sich der Grundsatz der versicherungsrechtlichen Einheit des Betriebes (vgl dazu BSGE 18, 190, 195) durchführen (BSG, Urteil vom 23. Februar 1973 - 3 RK 21/71 - SozR § 250 RVO Nr 12).

Von dieser Rechtsprechung des BSG ist auch das LSG in seiner Hilfsbegründung ausgegangen und hat ua zutreffend ausgeführt, daß die beklagte IKK selbst dann für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 6.) bis 8.) zuständig sei, wenn man den Betrieb der Beigeladenen zu 2.) als einen echten Mischbetrieb ansähe. Die Ausübung des Fleischergewerbes beschränkt sich möglicherweise auf die acht Ladengeschäfte einschließlich der einem dieser Geschäfte angegliederten Rotisserie. Der in den Ladengeschäften und der Rotisserie erfolgende Verkauf der Fleischwaren gehört allerdings - entgegen der Ansicht der Klägerin - zum Fleischergewerbe. Denn mit dem Handwerk ist typischerweise auch der Handel mit den selbst hergestellten Produkten verbunden (vgl dazu Blätter zur Berufskunde, aa0, 1.2.2). Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, ob ein Handwerksbetrieb nur "Rohstoffe" verarbeitet oder auch vorgefertigte Produkte anderer Betriebe zur Weiterverarbeitung verwendet. Deshalb kommt es für die rechtliche Beurteilung hier auch nicht darauf an, daß die Beigeladene zu 2.) von der Beigeladenen zu 1.) vorgefertigte Waren zum Vertrieb übernimmt.

Selbst wenn man davon ausginge, daß in den Ladengeschäften nicht nur handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt werden, könnte dies bei der Frage, welches Gewerbe den Betrieb der Beigeladenen zu 2.) prägt, nicht berücksichtigt werden. Soweit nämlich dieselben Personen teils handwerkliche, teils nichthandwerkliche Arbeiten verrichten, ist es praktisch unmöglich, den jeweiligen Anteil der in Betracht kommenden Gewerbe zu ermitteln. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit von dem Sachverhalt, über den der Senat durch Urteil vom 6. November 1985 (aa0) zu entscheiden hatte. In dem damals entschiedenen Fall war der Betrieb zwar nicht in Betriebsabteilungen aufgeteilt, die Arbeitnehmer übten aber entweder nur handwerkliche oder nichthandwerkliche Tätigkeiten aus, so daß bei der Bewertung des Gesamtcharakters des Betriebes ua zugrunde gelegt werden konnte, wieviele Personen im handwerklichen Bereich und wieviele im Handel tätig sind.

Sieht man demgegenüber die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2.) in den beiden Stadtküchen - was sich durchaus vertreten ließe - als ein Gewerbe neben dem in den Ladengeschäften und der Rotisserie ausgeübten Fleischergewerbe an, so läge ein einheitlich geleiteter Mischbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Dieser Mischbetrieb würde aber - wie das LSG ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - sein Gepräge durch das in den Ladengeschäften betriebene Fleischergewerbe erhalten. Denn in den Ladengeschäften sind insgesamt 71 Beschäftigte tätig, während in den beiden Stadtküchen lediglich 15 Beschäftigte arbeiten. Auch der vom LSG mit 6/7 ermittelte Anteil der Ladengeschäfte am Gesamtumsatz spricht eindeutig für ein Übergewicht der Tätigkeiten in den Ladengeschäften.

Die Revision war demzufolge zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661838

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