Leitsatz (amtlich)

Die Zugehörigkeit eines Innungsmitgliedes zu einer Innung mit einem Betrieb - nicht nur mit einem unselbständigen Betriebsteil - ist Voraussetzung dafür, daß die im Betrieb Beschäftigten der IKK angehören.

 

Normenkette

RVO § 250 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1951-02-22, Abs. 2 Fassung: 1911-07-19

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Januar 1971 wird zurückgewiesen, soweit sie das Versicherungsverhältnis des Beigeladenen zu 2) betrifft.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die etwa 60 Beschäftigten der beigeladenen Firma - oder ein Teil von ihnen - bei der beklagten Innungskrankenkasse (IKK) versichert sind.

Die Eintragung des Inhabers dieser Firma in der Handwerksrolle wurde 1953 gelöscht, weil sich aus dem ursprünglichen Handwerksbetrieb ein Industriebetrieb entwickelt hatte. Die Nachfolgerin des Inhabers wurde auf ihren im August 1966 gestellten Antrag Ende 1966 rückwirkend zum Zeitpunkt des Antrags in die Handwerksrolle wieder eingetragen, allerdings nur als Inhaberin des handwerklichen Nebenbetriebes Schreinerei. Sie trat schon im Laufe der Eintragungsverhandlungen der Schreinerinnung bei und meldete ihre Beschäftigten von der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse zu der IKK am 6. Juli 1966 zum 1. Juli 1966 um. Zwischen der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer (HwK) wurde vereinbart, daß 85 % der Beiträge der IHK und 15 % der HwK zufließen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Feststellungsklage gegen die Auffassung der Beklagten, die Beschäftigten der beigeladenen Firma seien mit Wirkung vom 1. Juli 1966 bei ihr versichert. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Inhaberin der beigeladenen Firma sei, wie dies § 250 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verlange, mit ihrem ganzen Betrieb Mitglied der Innung. Die Eintragung lediglich als Nebenbetriebsinhaberin stehe nicht entgegen, denn diese Eintragung sei nicht deshalb erfolgt, weil es sich tatsächlich um einen Nebenbetrieb handele. Es seien vielmehr nur die in gewissen Umfange zeitweise anfallenden handwerklichen Tätigkeiten innerhalb des einheitlichen Betriebes berücksichtigt worden (Urteil vom 15. Januar 1969).

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin der Klage in vollem Umfange stattgegeben und festgestellt, daß die Klägerin über den 30. Juni 1966 hinaus für die bei der beigeladenen Firma krankenversicherungspflichtig Beschäftigten die zuständige Krankenkasse geblieben sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Allenfalls mit dem Nebenbetrieb könne die Inhaberin der Beigeladenen Mitglied der Innung geworden sein. Der Versicherung der in dem Nebenbetrieb Beschäftigten bei der Beklagten stehe aber zunächst entgegen, daß der Nebenbetrieb von dem Hauptbetrieb nicht abgrenzbar sei, insbesondere kein dort Beschäftigter namentlich genannt werden könne. Die Frage, ob mangels der Abgrenzbarkeit etwa die Beschäftigten des ganzen Betriebes der Innung angehörten, sei zu verneinen. Dies jedenfalls deshalb, weil in dem Gesamtbetrieb die industrielle Fertigungsweise überwiege (Urteil vom 15. Januar 1971).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 250 RVO. Diese Vorschrift verlange nicht, daß die handwerklichen Tätigkeiten in dem Betrieb überwiegen oder daß der Charakter des Betriebes entscheidend von diesen Tätigkeiten geprägt werde. Es müsse daher ausreichend sein, daß in dem Betrieb - wie hier - noch in beachtlichem Umfang handwerkliche Tätigkeiten verrichtet werden und daß der Betrieb von dem Handwerk nicht ganz unwesentlich mitgeprägt werde. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15. Januar 1971 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Freiburg vom 15. Januar 1969 zurückzuweisen,

hilfsweise,

unter Abänderung der Urteile der Vorinstanzen festzustellen, daß die Klägerin nur für die im industriellen Teil der beigeladenen Firma Beschäftigten zuständig ist, und im übrigen die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Eintragung der Inhaberin der beigeladenen Firma als Inhaberin eines handwerklichen Nebenbetriebes sei nichtig, weil diese Eintragung voraussetze, daß auch ein Hauptbetrieb vorliege, von dem der Nebenbetrieb in irgendeiner Weise abzugrenzen sei. Bei der festgestellten und unbestrittenen Einheitlichkeit des ganzen Betriebes könne von einem Nebenbetrieb nicht die Rede sein. Wenn die Eintragung aber wirksam sei und daher Tatbestandswirkung äußere, müsse davon ausgegangen werden, daß nur ein untergeordneter Teil des Gesamtbetriebes Handwerk sei.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO können für die einer Innung angehörenden Betriebe der Innungsmitglieder Innungskrankenkassen errichtet werden. Versichert in diesen Krankenkassen können - nach § 250 Abs. 2 iVm mit Abs. 1 Satz 1 RVO - nur die in solchen Betrieben Beschäftigten sein. Damit ist für die Mitgliedschaft von Betriebsangehörigen in der IKK entscheidend, mit welchem Betrieb die Mitgliedschaft bei der Trägerinnung besteht und ob der Beschäftigte, um dessen Versicherungsverhältnis es geht, in diesem Betrieb beschäftigt ist. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß diese Prüfungspflicht nur für den Fall gilt, daß dem betreffenden Innungsmitglied mehrere selbständige Betriebe gehören. Die Beschränkung der Zuständigkeit der IKK ist vielmehr auch dann geboten, wenn die Mitgliedschaft des Inhabers bei der Trägerinnung nur durch einen Nebenbetrieb vermittelt wird. Das Erfordernis dieser Beschränkung wird besonders in den Fällen deutlich, in denen andernfalls im Hinblick auf einen kleinen handwerklichen Nebenbetrieb - etwa die Schneiderei eines großen Kaufhauses - eine unverhältnismäßig große Anzahl nichthandwerklich Beschäftigter der IKK angehören könnte.

Die Eintragung der Inhaberin der beigeladenen Firma in der Handwerksrolle lediglich als Inhaberin eines handwerklichen Nebenbetriebes schließt die Ansicht aus, sie sei mit ihrem ganzen Betrieb Mitglied der Innung. Durch diese Eintragung ist entschieden worden, welche handwerksrechtliche Bedeutung die zeitweise in unterschiedlichem Umfang ausgeübten handwerklichen Tätigkeiten in dem Gesamtbetrieb haben. Der Senat ist nicht nur daran gebunden, daß die Eintragung erfolgt ist, sondern auch an die Eintragung darüber, daß nur ein Nebenbetrieb zum Handwerk zählt. Die Gründe, die für die Bindung an die Entscheidung der für das Handwerksrecht zuständigen Verwaltungsbehörde über die Eintragung überhaupt anzuführen sind (vgl. BSG 28, 111), gelten auch für die Bindung an die - oft schwierigere - Entscheidung über den Umfang der Eintragung. Mit der verbindlichen Entscheidung darüber, daß nicht der ganze Betrieb einen Handwerksbetrieb darstellt, steht fest, daß die Inhaberin auch nicht mit dem ganzen Betrieb Mitglied der Innung geworden ist.

Die Zugehörigkeit eines Innungsmitgliedes zu einer Innung mit einem "Betrieb" - und nicht nur mit einem unselbständigen Betriebsteil - aber ist Voraussetzung dafür, daß die im Betriebe Beschäftigten der IKK angehören. Dabei ist für den Betrieb in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Begriff und der verwandten, die Zugehörigkeit von Betrieben zu Betriebskrankenkassen regelnden Vorschrift (§ 245 RVO; vgl. dazu BSG 18, 190, 195 mit weiteren Nachweisen sowie BSG 32, 177, 178) das Merkmal der selbständigen organisatorischen Einheit wesentlich. Nur im Rahmen einer solchen organisatorisch zu einer besonderen Einheit zusammengefaßten Unternehmensform läßt sich der Grundsatz der versicherungsrechtlichen Einheit des Betriebes (vgl. BSG 18, 190, 195) sinnvoll durchführen, abgesehen davon, daß es bei einem Betrieb wie dem hier vorliegenden mit häufigem Wechsel von Arbeiten in der industriellen Fertigung zu solchen handwerklicher Art und ständiger Fluktuation innerhalb des Betriebes für die Rechtspraxis äußerst schwierig wäre, die versicherungsrechtliche Zugehörigkeit der im Betrieb Beschäftigten nach ihrer jeweils ausgeübten Betätigung zu bestimmen.

Demnach kann im vorliegenden Fall die Kassenzugehörigkeit der bei der beigeladenen Firma Beschäftigten nur für ihren Gesamtbetrieb einheitlich entschieden werden, und zwar ohne Rücksicht auf die jeweilige Art der Beschäftigung. Die in dem unselbständigen Betriebsteil handwerklich Beschäftigten können nicht versicherungsrechtlich gesondert behandelt werden, wie die Klägerin und die Beklagte hilfsweise erwogen haben. Für den Gesamtbetrieb aber ist die Frage der Kassenzugehörigkeit damit beantwortet, daß die Inhaberin der beigeladenen Firma mit ihm nicht der Innung angehört.

Da das angefochtene Urteil hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses sämtlicher Beschäftigter der beigeladenen Firma erging, aber nur noch ein Beschäftigter - Beigeladener zu 2) - beigeladen ist, hat der Senat ein auf diesen Beschäftigten bezogenes Teilurteil erlassen (vgl. BSG 18, 190, 193).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669297

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