Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsrente. Aufwandsentschädigung. anrechenbares Einkommen. Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr 12 S 2 EStG

 

Orientierungssatz

1. Die Aufwandsentschädigung für Mitglieder kommunaler Parlamente ist, im Gegensatz zu der, den Abgeordneten des Deutschen Bundestages bzw der Länderparlamente gewährten Aufwandsentschädigung, nicht uneingeschränkt steuerfrei (§ 3 Nr 12 S 1 und 2 EStG). Der steuerpflichtige Teil der Aufwandsentschädigung ist als Einkommen zu werten und insoweit auf die Ausgleichsrente anzurechnen.

2. Die unterschiedliche Behandlung der Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Mitglieder der Landtage einerseits und der Mitglieder kommunaler Parlamente andererseits stellt sich im Rahmen des § 3 Nr 12 S 2 EStG auch nicht als Verletzung des Gleichheitssatzes dar, weil sie sachlich gerechtfertigt ist (Anschluß an BVerfG vom 1982-11-26 1 BvR 989/82 und BFH vom 1982-06-04 VI R 10/78).

 

Normenkette

BVG § 33 Abs 2; BVG§33DV § 2 Abs 1 Nr 7; EStG § 3 Nr 12 S 1; EStG § 3 Nr 12 S 2; GG Art 3 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 04.06.1982; Aktenzeichen L 9 V 17/78)

SG Hannover (Entscheidung vom 10.01.1978; Aktenzeichen S 18 V 278/77)

 

Tatbestand

Im Streit steht die Rückzahlung der überzahlten Ausgleichsrente für die Monate Juli und August 1976.

Der Kläger bezog seit Januar 1972 ua eine Ausgleichsrente ohne Anrechnung von Einkommen. Im März 1976 teilte er dem Versorgungsamt mit, er erhalte seit Oktober 1972 in seiner Eigenschaft als Ratsherr der Landeshauptstadt H. eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 570,-- DM. Das Versorgungsamt berechnete die Versorgungsbezüge des Klägers ab Oktober 1972 neu. Von der Aufwandsentschädigung in Höhe von 570,-- DM berücksichtigte es 270,-- DM als auf die Ausgleichsrente anrechenbares Einkommen. Die restlichen 300,-- DM ließ es als steuerfreies Einkommen außer Betracht. Gleichzeitig forderte das Versorgungsamt den überzahlten Betrag zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat der Klage teilweise stattgegeben, für die Monate Juli und August 1976 hat es jedoch eine Rückzahlungsverpflichtung bejaht. Es hat dazu im wesentlichen ausgeführt: Die Aufwandsentschädigung, die den steuerfreien Betrag von 300,-- DM überstiegen habe, sei bei der Ausgleichsrente als Einkommen zu berücksichtigen. Bei diesen Bezügen handele es sich nicht in ihrer Gesamtheit um Leistungen, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwandes bestimmt und aus diesem Grunde steuerfrei seien (§ 2 Abs 1 Nr 7 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes -BVG- idF der Bekanntmachung vom 1. Juli 1975, BGBl I S 1769). Die Rückforderung für die Monate Juli und August 1976 rechtfertige sich aus dem in dem Bescheid vom 21. Juni 1976 aufgenommenen Vorbehalt iVm § 47 Abs 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für die Kriegsopferversorgung (KOV-VfG).

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 2 Nr 7 DVO zu § 33 BVG geltend. Das LSG sei - meint der Kläger - zu Unrecht von einer teilweisen Steuerpflicht und demgemäß Anrechenbarkeit der Aufwandsentschädigung ausgegangen. Es habe hierbei den § 3 Nr 12 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fehlerhaft ausgelegt, indem es unter Vernachlässigung des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) zu einer unterschiedlichen Behandlung von Aufwandsentschädigungen aus Bundes- oder Landeskassen einerseits, die steuerfrei seien, und solchen aus öffentlichen Kommunalkassen andererseits komme. Die den § 3 Nr 12 EStG einschränkende Klausel sei verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es die Berufung zurückgewiesen hat.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die dem Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung zum Teil als Einkommen zu werten und insoweit auf die Ausgleichsrente anzurechnen ist.

Als Einkommen, das bei der Ausgleichsrente im Rahmen des § 33 Abs 1 BVG zu berücksichtigen ist, gelten grundsätzlich "alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur" (§ 1 Abs 1 Satz 1 DVO zu § 33 BVG). Ausnahmen von diesem umfassenden Einkommensbegriff regelt § 2 DVO zu § 33 BVG; hier wäre allenfalls § 2 Abs 1 Nr 7 DVO zu § 33 BVG einschlägig. Danach sind Leistungen, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwandes bestimmt und aus diesem Grunde nicht steuerpflichtig sind, von der Anrechnung ausgenommen. Diese Vorschrift ist zugunsten des Klägers nicht uneingeschränkt anwendbar.

Die "Aufwandsentschädigung" für Mitglieder kommunaler Parlamente ist nicht grundsätzlich und in voller Höhe ohne konkreten Nachweis steuerfrei. Insoweit stellt sich die Lage anders dar als bei den Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Nach § 3 Nr 12 Satz 1 EStG sind die Beträge steuerfrei, die aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlt werden und die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgestellt und als solche im Haushaltsplan ausgewiesen sind. Diese Regelung betrifft die Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Dagegen sind nach Satz 2 der genannten Bestimmung Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, nur insoweit steuerfrei, als nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand offenbar übersteigen, die dem Empfänger erwächst. Der Umfang der Steuerfreiheit bemißt sich mithin nach der konkreten Verwendung der Entschädigung zur Abdeckung eines Aufwands.

Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (Beschluß vom 26. November 1982 - 1 BvR 989/82 -) und dem Bundesfinanzhof -BFH- (Urteil vom 4. Juni 1982 - VI R 10/78 -) gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr 12 Satz 2 EStG keine Bedenken. Die unterschiedliche Behandlung der Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Mitglieder der Landtage einerseits und der Mitglieder Kommunaler Parlamente andererseits stellt sich im Rahmen des § 3 Nr 12 EStG nicht als Verletzung des Gleichheitssatzes dar, weil sie sachlich gerechtfertigt ist.

Art 3 Abs 1 GG verbietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln, (ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 1, 14, 52). Art 3 Abs 1 GG ist daher verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt (BVerfGE aaO). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzuerkennen (BVerfGE 18, 121, 124; 49, 260, 271). Bundestags- und Landtagsabgeordnete unterscheiden sich grundlegend durch den Umfang der mit dem Amt verbundenen Tätigkeit und entsprechend auch durch den mit dem Amt zusammenhängenden Aufwand. Im Gegensatz dazu üben Kommunalabgeordnete ihre Tätigkeit regelmäßig lediglich ehrenamtlich aus. Deshalb läßt sich besonders bei Kommunalabgeordneten nicht ausschließen, daß die gezahlte Aufwandsentschädigung den tatsächlich entstandenen Aufwand übersteigt (so BVerfG, Beschluß vom 26. November 1982 - 1 BvR 989/82 -). Eine Nachprüfung durch die Finanzämter erscheint infolgedessen gerechtfertigt. Dagegen werden die Aufwandsentschädigungen der Bundestags- und Landtagsabgeordneten in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz festgesetzt und als solche im Haushaltsplan ausgewiesen. Bei Aufwandsentschädigungen, die so strengen Erfordernissen hinsichtlich der Festsetzung genügen, hielt es der Gesetzgeber nicht mehr für angebracht, die Befugnis der Finanzämter zur Überprüfung dieser Aufwandsentschädigungen auch weiterhin aufrechtzuerhalten, wie sie vor der Neuregelung des § 3 Nr 12 EStG durch das Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I 1957, 848) bestanden hatte (vgl Gölbing , Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1957, 243).

Damit besteht nunmehr zwischen den beiden Abgeordnetengruppen ein lediglich formeller Unterschied dahingehend, daß die Abgeordneten kommunaler Parlamente anders als die des Bundestages und der Landtage ihre tatsächlichen Aufwendungen nachweisen müssen (BFH aaO).

Durch Erlaß vom 20. September 1968 - S 2337-8-344 - (Niedersächsisches Ministerialblatt Nr 42/1968) hat der Niedersächsische Minister der Finanzen eine Regelung dahingehend getroffen, daß ua Entschädigungen für die Ratsherren der Stadt H. bis zur Höhe von 300,-- DM monatlich ohne weitere Nachprüfung als steuerfrei anerkannt werden (für die entsprechenden Regelungen der Bundesländer: Märkle, Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen, 1977, S 43 bis 72). Daß dem Kläger ein höherer Aufwand entstanden sei, behauptet er selbst nicht.

Entgegen der Ansicht des LSG findet für die Rückzahlung der überzahlten Versorgungsbezüge das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) Anwendung (BSGE 54, S 223 f). Die Erstattungspflicht des Klägers folgt aus § 50 Abs 1 iVm § 45 Abs 1 und 2 SGB X. Die Versorgungsbehörde war befugt, den Bescheid vom 1. Juli 1976 zurückzunehmen, da er mit einem zulässigen Vorbehalt versehen war (§ 22 Abs 4 Satz 2 KOV-VfG). Aufgrund dessen besteht für den Kläger kein Vertrauensschutz in den Bestand des Verwaltungsaktes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655682

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