Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsbemessungsmaßstab in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Arbeitsbedarf. Unfallgefahr

 

Orientierungssatz

1. Berechnet eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Beiträge nach dem Arbeitsbedarf, so hat sie das ihr eingeräumte Recht zur Bestimmung des Beitragsmaßstabes nicht dadurch überschritten, daß sie in ihrer Satzung von der Abstufung der Beiträge nach der Höhe der Unfallgefahr abgesehen hat (§ 803 Abs 2 S 2 RVO).

2. Die mit einem schematisierenden Arbeitsbedarfsmaßstab notwendig verbundenen Abweichungen in Einzelfällen müssen außer Betracht bleiben, wenn sie im Verhältnis zur Gesamtzahl der erfaßten landwirtschaftlichen Unternehmen im örtlichen Geltungsbereich der Beklagten nicht ins Gewicht fallen (vgl BSG 1977-11-25 2 RU 9/76 = SozSich 1978, 118; BSG 1982-03-30 2 BU 207/81).

3. Bei dem Arbeitsbedarfsmaßstab mit einheitlichem Abschätzungstarif und der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaß sind gewisse Härten hinzunehmen (vgl BVerfG 1979-04-03 1 BvL 30/76 = BVerfGE 51, 115; BSG 1982-04-28 12 RK 3/81 = SozR 5800 § 4 Nr 2)

4. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (vgl BVerfG 1971-05-18 1 BvL 7/69 = BVerfG 31, 119).

 

Normenkette

RVO § 798 Fassung: 1963-04-30, § 803 Abs 1 Fassung: 1963-04-30, § 809 Abs 1 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.11.1980; Aktenzeichen L 6 U 321/80)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 02.07.1980; Aktenzeichen S 6 U 84/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bewirtschaftet als Betriebsgemeinschaft die landwirtschaftlich genutzten Flächen der beiden Gesellschafter in einer Größe von 178,16 ha. Vieh wird nicht gehalten.

Die beklagte H, deren Mitglied die Klägerin ist, berechnet die Beiträge zur Unfallversicherung nach dem Arbeitsbedarf, der für die Unternehmen mit überwiegender Bodenwirtschaft einheitlich unter Berücksichtigung der Größe der bewirtschafteten Fläche und der Kulturart geschätzt wird. Der Vorstand der Beklagten konnte das Abschätzungsergebnis ändern, wenn die Abschätzung infolge einer von der üblichen erheblich und nachhaltig abweichenden Wirtschaftsweise zu einem unter Berücksichtigung der Unfallgefahr offensichtlich unbilligen Ergebnis führte (§ 48 der Satzung der Beklagten Ausgaben 1964, 1967 und 1976 sowie § 54 Ausgabe 1978). Dementsprechend pflegte die Beklagte nach einer Entscheidung ihres Vorstandes vom 12. März 1972 das Abschätzungsergebnis ua auf Antrag bei Unternehmen mit viehloser Wirtschaftsweise um ein Viertel zu ermäßigen. So verfuhr die Beklagte auch bei der Klägerin.

Durch Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 18. Dezember 1979 wurde die Satzung Ausgabe 1978 mit Wirkung vom 1. Januar 1980 geändert (1. Nachtrag, genehmigt durch den Niedersächsischen Sozialminister am 10. Januar 1980): § 54 Abs 5 (früher § 48 Abs 6 bzw Abs 5) wurde ersatzlos gestrichen; in § 54 Abs 2 wurde der Ansatz an Arbeitstagen für Ackerland (Acker, Hausgarten, Feldgemüsebau, Tabak) bei Unternehmen bis 2,5 ha (Größenklasse I) von 30 auf 29, bei Unternehmen bis 12 ha (Größenklasse II) von 25 auf 23 und bei Unternehmen bis 75 ha (Größenklasse III) von 20 auf 18 herabgesetzt; der Ansatz von 15 Arbeitstagen bei Unternehmen über 75 ha (Größenklasse IV) blieb unverändert; der Ansatz für Grünland (Wiesen, Weiden) wurde für die vier Größenklassen um je zwei Punkte auf 14, 12, 10 und 10 heraufgesetzt.

Daraufhin erteilte die Beklagte am 28. Januar 1980 einen "Änderungsbescheid", in dem sie ausführte, infolge Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung entfalle künftig die wegen viehloser Wirtschaftsweise gewährte Ermäßigung. Sie veranlagte in demselben Bescheid die Klägerin für 175,64 ha Ackerland mit 2634,60, für 1,23 ha Grünland mit 9,84 und für 1,29 ha sonstige Flächen mit 1,29 Arbeitstagen; die Gesamtveranlagungstage betrugen aufgerundet 2650.

In Schreiben vom 4. Februar und 6. März 1980 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Streichung des § 54 Abs 5 sei beschlossen worden, weil die in den Vorjahren allein an den Leistungsaufwendungen orientierten, zur unmittelbaren Senkung der Beiträge bestimmten Bundesmittel vom Jahre 1980 an nach einem einkommensbezogenen Maßstab zugeteilt würden. Durch diese Neuerteilung werde sie - die Beklagte - jährlich drei Millionen DM weniger als bisher erhalten. Es sei deshalb nicht mehr gerechtfertigt, besondere Beitragsermäßigungen für bestimmte Betriebsstrukturen fortbestehen zu lassen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Veranlagung nach dem vollen Arbeitsbedarf wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 29. April 1980).

Die Klage mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar und 29. April 1980 aufzuheben, hat die Klägerin damit begründet, die Satzungsänderung, die durch Streichung des § 54 Abs 5 zum Wegfall der Beitragsermäßigung bei viehloser Wirtschaftsweise geführt habe, sei rechtsunwirksam, weil sie von dem risikobezogenen Maßstab abgehe.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Juli 1980). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 11. November 1980). Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Der Veranlagungs-Änderungsbescheid sei nicht rechtswidrig. Die Satzungsänderung sei ordnungsgemäß zustandegekommen und genehmigt worden, sie halte sich auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Es erscheine nicht notwendig, daß der Satzungsgeber über den Ansatz von vier Größenklassen und sechs Kulturarten hinaus gehalten sein sollte, die Kulturart Ackerland noch in viehhaltende und viehlose Wirtschaftsweise mit etwa unterschiedlichem Arbeitsbedarf aufzuteilen. Der Satzungsgeber sei nicht gehindert gewesen, das seiner Rechtssetzungsbefugnis unterliegende Rechtsgebiet durch Streichung einer Vergünstigung (§ 54 Abs 5 der Satzung Ausgabe 1978) veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Eine Koppelung zwischen Streichung der allgemein anwendbaren Bestimmung zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen und einer weiteren Unterteilung der Kulturarten sei nicht anzuerkennen. Im übrigen sei der Arbeitsbedarf zum Teil anders angesetzt und damit eine Neuverteilung der Beitragslast vorgenommen worden (§ 54 Abs 2 idF des 1. Nachtrags). Ob eine bessere Regelung möglich gewesen wäre, etwa durch Abstufung der Beiträge nach der Unfallgefahr, sei eine Frage der Zweckmäßigkeit, die allein in der Entscheidungsbefugnis der Vertreterversammlung liege.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision (Beschluß vom 27. August 1981) rügt die Klägerin die Verletzung des § 803 Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung nach Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Durch die ersatzlose Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung sei nicht nur, wie das LSG ausführe, eine Vergünstigung rückgängig gemacht, sondern das im Hinblick auf § 803 RVO und Art 3 GG notwendige Differenzierungsmerkmal der mit geringerer Unfallgefahr verbundenen viehlosen Wirtschaftsweise aufgehoben worden. Es beruhe auf sachfremden und daher willkürlichen Erwägungen, das als richtig und notwendig erachtete Kriterium für die Bemessung der Beiträge aufgrund der Kürzung von Bundesmitteln zu streichen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile der Vorinstanzen und den Änderungsbescheid der Beklagten vom 28. Januar 1980 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1980 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist darauf, daß seit dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) anders als nach der früheren Gesetzeslage für die landwirtschaftliche Unfallversicherung die Abstufung der Beiträge nach der Unfallgefahr nicht mehr zwingend vorgeschrieben, vielmehr nur noch fakultativ vorgesehen und damit abgewertet sei. Darüber hinaus sei § 54 Abs 5 der Satzung 1978 in der früheren Fassung allgemein gehalten und nicht speziell auf viehlose Wirtschaftsweise bezogen gewesen. Es sei auch nicht erkennbar, daß Tierhaltung generell unfallträchtiger sei als Getreide- und Hackfruchtanbau. Auch müsse Tierhaltung nicht zwangsläufig arbeitsaufwendiger sein als viehlose Wirtschaftsweise. Eine von der Klägerin zu Unrecht vermißte Härteklausel enthalte § 55 der Satzung. Danach sei für bestimmte Fälle (zB Abmelk-, Mast- oder Zuchtunternehmen) eine abweichende Abschätzung des Arbeitsbedarfs - sogar unter Berücksichtigung der Unfallgefahr - vorgesehen. Es sei somit sichergestellt, daß der Kläger nicht durch anderweitig etwa auftretende Übermaßrisiken mitbelastet werde. Sowohl den Interessen des Ackerbaues als auch den Veränderungen der Landwirtschaft sei schließlich dadurch Rechnung getragen worden, daß zugleich mit der Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung die Arbeitstagezahl für Ackerland in den Größenklassen I bis III reduziert und für Grünland in allen Größenklassen erhöht worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 28. Januar 1980 nicht aus.

Durch den angefochtenen Bescheid hat die Beklagte das landwirtschaftliche Unternehmen der Klägerin neu veranlagt ("Änderungsbescheid"), indem unter Hinweis auf die Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung 1978 durch den 1. Nachtrag mit Wirkung vom 1. Januar 1980 an anders als in den voraufgegangenen Jahren eine Ermäßigung der Gesamtveranlagungstage um ein Viertel von aufgerundet 2.650 auf 1.985 abgelehnt wurde. Die Klägerin erstrebt eine günstigere (niedrigere) Veranlagung ihres Unternehmens als nach den Bestimmungen der Satzung Ausgabe 1978 idF des 1. Nachtrages, der nach den Feststellungen des LSG, wie auch die Revision nicht bestreitet, ordnungsgemäß zustandegekommen und aufsichtsbehördlich genehmigt worden ist. Sie macht geltend, die Neufassung der Satzung, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt, verletze § 803 Abs 2 Satz 2 RVO unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung des Art 3 Abs 1 GG, weil durch die Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung ein notwendiges Differenzierungskriterium für die Beachtung der wesentlich geringeren Unfallgefahr viehlos wirtschaftender Unternehmen im Vergleich zu Unternehmen mit Viehwirtschaft ohne sachliche Begründung aufgegeben worden sei; die Ermächtigung zur Abstufung der Beiträge nach der Höhe der Unfallgefahr (§ 803 Abs 2 Satz 2 RVO) ändere sich unter diesen Umständen zur Verpflichtung des Satzungsgebers.

Zutreffend geht die Revision davon aus, daß die Satzungsbestimmungen, auf die der angefochtene Bescheid gestützt ist, als vom beklagten Unfallversicherungsträger autonom gesetztes objektives Recht durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daraufhin zu prüfen sind, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (s BSGE 13, 189, 194; 27, 237, 240; 38, 21, 29; BSG Urteil vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - SozSich 1978, 118).

In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (§§ 776 ff RVO) werden wie in der allgemeinen Unfallversicherung (§§ 646 ff RVO) die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaften durch Beiträge der Unternehmer aufgebracht (§ 802 iVm § 723 RVO). Der Maßstab für die Berechnung der Beiträge muß in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung durch die Satzung bestimmt werden, die außerdem das Nähere über die Abschätzung und Veranlagung enthalten muß, wenn die Beiträge nicht nach einem steuerlichen Maßstab berechnet werden (§§ 798 Nr 1, 803 Abs 2 Satz 1 RVO). Von den in § 803 Abs 1 RVO zur Wahl gestellten Beitragsmaßstäben für Unternehmen mit Bodenwirtschaft (s § 805 RVO für andere Unternehmen) - Arbeitsbedarf, Einheitswert oder "anderer angemessener Maßstab" - hat sich die Vertreterversammlung der Beklagten in ihrer Satzung (§§ 52 ff) für den Arbeitsbedarf entschieden und dabei auch das Nähere über die Abschätzung und Veranlagung bestimmt (§ 54).

Nach § 809 Abs 1 Satz 1 RVO ist der Arbeitsbedarf nach dem Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen Arbeit zu schätzen. Die Einzelheiten der Abschätzung des Arbeitsbedarfs sind jedoch dem Versicherungsträger überlassen, dessen Satzung insoweit das "Nähere" zu bestimmen hat (§ 809 Abs 1 Satz 2 RVO). Vorgegeben ist dem Satzungsgeber durch das Merkmal des Durchschnittsmaßes ein objektiver Maßstab, der sich schematisierend in einem in Arbeitstagen festzulegenden betriebsnotwendigen Arbeitsbedarf ausdrückt (s Noell-Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, § 809 Anm 2).

Die Satzung der Beklagten hält sich insofern innerhalb des Rahmens der aufgezeigten Rechtsetzungsbefugnis, als einheitlich für die Unternehmen der Landwirtschaft mit überwiegender Bodenwirtschaft, der Forstwirtschaft und von Sonderkulturen für die Abschätzung je ha und Jahr unterschiedlich nach der Größe der bewirtschafteten Fläche und der Kulturart eine festgelegte - unterschiedliche - Zahl von Arbeitstagen anzusetzen ist (§ 54 Abs 1 und 2). Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Recht zur Bestimmung des Beitragsmaßstabes nicht dadurch überschritten, daß sie in ihrer Satzung von der Abstufung der Beiträge nach der Höhe der Unfallgefahr abgesehen hat (§ 803 Abs 2 Satz 2 RVO). Der Gesetzgeber des UVNG hat es anders als nach der früheren Gesetzeslage (vgl § 990 RVO aF) ausdrücklich der Entscheidung der Selbstverwaltung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung überlassen, ob sie die Beiträge nach der Unfallgefahr abstufen will. Nicht zu folgen ist deshalb der Auffassung der Klägerin, soweit eine Differenzierung nach der Unfallgefahr überhaupt möglich sei, werde die eingeräumte Möglichkeit der Abstufung für die BG zum gesetzlichen Zwang. Zwar ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Unfallgefahr für die Bemessung der Beiträge von Bedeutung (s BSG Urteil vom 25. November 1977 aaO; Noell-Breitbach, aaO, § 809 Anm 3), wie ua schon aus dem Hinweis auf dieses Merkmal zB in § 806 und § 812 RVO hervorgeht. Ein bestimmender Faktor wie in der allgemeinen Unfallversicherung - s § 725 RVO, der nach § 802 iVm § 803 Abs 2 RVO nicht gilt - ist sie jedoch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht. Für den hier angewendeten Arbeitsbedarfsmaßstab ist der Gesetzgeber des UVNG davon ausgegangen, daß schon durch die unterschiedliche Abschätzung des Arbeitsbedarfs der einzelnen Kulturarten ihren Gefahrenunterschieden genügend Rechnung getragen werden kann (s Begründung zum UVNG, BT-Drucks IV/120 S 72; s auch Noell-Breitbach, aaO, § 803 Anm 4; Linthe, BG 1963, Sonderheft 27.5.1963 S 36), sofern der tatsächliche durchschnittliche Arbeitsbedarf in Ansatz gebracht wird.

Der Abschätzungstarif der Beklagten sieht in § 54 Abs 2 der Satzung, wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen ist, für unterschiedliche Kulturarten (sechs) den Ansatz von verschiedenen Arbeitstagen je ha und Jahr vor (von 1 bis 90). Darüber hinaus hat die Beklagte, erkennbar aufgrund der Erwägung, daß sich mit steigender Größe der bewirtschafteten Fläche der Arbeitsbedarf je ha in der Regel verringere, die Unternehmen in vier Größenklassen eingeteilt mit dem Ergebnis, daß die Zahl der Arbeitstage je ha in den jeweiligen Kulturarten bei den größeren Unternehmen (außer Forsten und "sonstigen Flächen") geringer als bei den kleineren angesetzt wird. Da mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen die Grundlagen der Abschätzung in ihrer Höhe im einzelnen nicht bekannt sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Anwendung des schematisierenden Arbeitsbedarfsmaßstabes (Durchschnittsmaßstab, s § 809 Abs 1 RVO) durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach Kulturarten und Größenklassen unter Berücksichtigung der Praktikabilität des Maßstabes den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Die mit einer Schematisierung notwendig verbundenen Abweichungen in Einzelfällen müssen dabei außer Betracht bleiben, wenn sie im Verhältnis zur Gesamtzahl der erfaßten landwirtschaftlichen Unternehmen im örtlichen Geltungsbereich der Beklagten nicht ins Gewicht fallen (s BSG Urteil vom 25. November 1977 aaO; BSG Beschluß vom 30. März 1982 - 2 BU 207/81 -; Noell-Breitbach, aaO, § 809 Anm 3).

Hierzu macht die Klägerin, wie schon in den Vorinstanzen, geltend, viehlose Landwirtschaft, die von ihr betrieben werde, liege im Unfallrisiko um "mindestens 30 vH" niedriger als der Betrieb von Viehwirtschaft, ohne daß dies bei der Beitragsbemessung berücksichtigt wird. Zwar trifft es zu, daß nach der Satzung der Beklagten (§ 54 Abs 2) nicht ausdrücklich zwischen Unternehmen mit und ohne Viehhaltung unterschieden wird. Ob und ggf in welchem Umfang gleichwohl im Abschätzungstarif beim Ansatz der Arbeitstage dies insoweit berücksichtigt ist oder ggf nach § 55 der Satzung berücksichtigt sein kann, ist den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Bei dem Arbeitsbedarfsmaßstab mit einheitlichem Abschätzungstarif und der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaß sind gewisse Härten hinzunehmen (BVerfGE 51, 115, 122; BSG Urteil vom 28. April 1982 - 12 RK 3/81 -. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (s BVerfGE 4, 7, 18; 17, 319, 330; 31, 119, 130). Gäbe es aber im Zuständigkeitsbereich der Beklagten in nicht geringer Anzahl gleichartige Betriebe, bei denen zB aufgrund ihrer Betriebsstruktur eine derartige Abweichung vom Durchschnittsmaß vorliegt, daß die durchgeführte Abschätzung nach Arbeitstagen, in denen sich, wie ausgeführt, ua die Unfallgefahr ausdrückt, zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führt, würde die Abschätzung insoweit nicht der Ermächtigungsgrundlage (§ 809 Abs 1 RVO) entsprechen. Denn eine Härteklausel, der das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wiederholt für die erforderliche Milderung offensichtlich unbilliger Ergebnisse besondere Bedeutung beigemessen hat (s BVerfGE 35, 283, 291 mwN), oder sonstige, in der Wirkung ähnliche Regelungen, enthält die Satzung der Beklagten idF des 1. Nachtrages nicht mehr. Ob und in welcher Ausgestaltung eine Härteklausel oder eine andere in ihrer Wirkung ähnliche Regelung notwendig ist, hängt jedoch entscheidend davon ab, in welchem Ausmaß bereits das nach § 809 Abs 1 Satz 1 RVO maßgebende Durchschnittsmaß auch unter Beachtung des § 55 der Satzung der Beklagten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend differenziert.

Das LSG wird demnach zu prüfen haben, ob die Anwendung des schematisierenden Arbeitsbedarfsmaßstabes (Durchschnittsmaßstab) s § 809 Abs 1 RVO) durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach Kulturarten und Größenklassen unter Berücksichtigung der Praktikabilität des Maßstabes den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, auch soweit es die viehlosen landwirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Die mit der Schematisierung notwendig verbundenen Abweichungen in Einzelfällen müssen dabei außer Betracht bleiben. Sollte jedoch im Abschätzungstarif bei einer nicht geringen Zahl von viehlosen landwirtschaftlichen Betrieben auch gegebenenfalls unter Berücksichtigung des § 55 der Satzung der Beklagten die Abschätzung nach Arbeitstagen, in denen sich, wie ausgeführt, die Unfallgefahr ausdrückt, zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führen, würde die Abschätzung insoweit in Anbetracht des Fehlens einer Härteklausel oder einer sonstigen in ihrer Wirkung ähnlichen Regelung nicht der Ermächtigungsgrundlage (§ 809 Abs 1 RVO) entsprechen.

Da das BSG die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662603

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen