Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 1957 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Grundbesitz von 1,75 ha Äckern, 8,05 ha eigenen und 2,60 ha gepachteten Wiesen, 1 ha Garten und 115 ha Wald. Er hält in der Regel 5 Kühe, 3 Jungrinder und 4 Schweine. Außerdem betreibt er seit 1928 eine Geflügelzucht, die jetzt etwa 500 Zuchthennen und 25 Hähne umfaßt. Er benutzt drei elektrische Brutapparate. Die Legehennen sind in festen Ställen untergebracht; die Jungtiere werden, wenn sie keine künstliche Wärme mehr benötigen, in beweglichen Sommerställen aufgezogen. Für den Auslauf der Hühner stehen jeweils 2,3 ha Wiesen und 0,5 ha Wald zur Verfügung. Die Wiesen werden abwechselnd für Großvieh und Geflügel benutzt. Die Futtermittel für die Hühner werden im wesentlichen aus dem eigenen Betrieb gewonnen. Im Wirtschaftsjahr 1953 verkaufte der Kläger 10000 Küken aus dem Brutbetrieb, weitere 1500 zog er selbst auf. In der Hühnerhaltung sind der Sohn des Klägers, eine Geflügelzuchtgehilfin und ein Geflügelzuchtlehrling tätig; die Gehilfin und der Lehrling arbeiten von November bis Ende April ausschließlich in der Geflügelzucht, sonst zu 2/3 der Arbeitszeit in der übrigen Landwirtschaft. Bei Bedarf wird auch das sonstige Personal (ein Knecht, eine Magd und ein Waldtaglöhner) zur Arbeit in der Geflügelzucht herangezogen.

Früher war der Kläger mit seinem gesamten Betrieb unter einer Hebelisten-Nummer bei der beklagten Berufsgenossenschaft erfaßte Am 1. April 1954 nahm die Beklagte die Geflügelzucht vom 1. Januar 1952 an auf Grund des § 915 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit §§ 24, 25 des III. Nachtrags ihrer Satzung als landwirtschaftlichen Betrieb gesondert in Versicherung; sie stufte den Geflügelzuchtbetrieb in die Gefahrklasse I ein.

Der angeführte § 24 trägt die Überschrift „Beitragserhebung für besondere Veranstaltungen” und lautet:

„1. Für

a) land- und forstwirtschaftliche Betriebe, in denen für Rechnung ihres Unternehmers keine Bodenwirtschaft betrieben wird oder in denen solche eigene Bodenwirtschaft nur nebensächliche Bedeutung hat, insbesondere Milch-, Viehhaltungs- oder Mästungsbetriebe, Viehzüchtereien, Landschafts- und andere gewerbliche Gärtnereien, die auch fremde Gartenanlagen pflegen, und Betriebe für Park- und Gartenpflege,

b) c). … .

hat der Unternehmer neben den für die etwaige eigene Bodenwirtschaft nach dem Ertragwert zu zahlenden Beiträgen einen besonderen Beitrag nach einem angenommenen Ertragswert zu entrichten.

2. Der angenommene Ertragswert wird nach der Zahl der Arbeitstage, die für die Veranstaltung im letzten Geschäftsjahr von den versicherten Personen geleistet sind, unter Abstufung nach der Unfallgefahr festgesetzt.”

Im März 1955 ist eine neue Satzung der Beklagten in Kraft getreten. Deren § 27 enthält unter der Überschrift „Besondere Beiträge” im wesentlichen die gleiche Bestimmung wie § 24 der alten Satzung.

Gegen den Bescheid vom 1. April 1954 legte der Kläger Widerspruch ein. Diesen wies die Widerspruchsstelle durch Bescheid vom 13 Dezember 1954 zurück. Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger u. a. vorgebracht: Seine staatlich anerkannte Geflügelherdebuchzucht sei wirtschaftlich mit der Bodenbewirtschaftung verbunden und halte sich in deren Rahmen. Die Forderung eines Mindestauslaufs von 10 qm je Tier, von welcher das Bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten die Anerkennung der Geflügelherdebuchzucht abhängig mache, sei erfüllt. Die Hühnerhaltung dürfe deshalb nicht gesondert veranlagt werden.

Das Sozialgericht (SG) Augsburg hat durch Urteil vom 28. September 1955 die Klage abgewiesen. Es hat die Geflügelzucht des Klägers als einen die Sonderveranlagung rechtfertigenden landwirtschaftlichen Sonderbetrieb angesehen, da sie nach ihrem Umfang, den zusätzlichen Einrichtungen und Arbeitskräften über den üblichen Rahmen eines bäuerlichen Betriebes hinausgehe und einen eigenen abgegrenzten wirtschaftlichen Schwerpunkt mit erhöhtem Unfallrisiko bilde.

Hiergegen hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines früheren Vorbringens Berufung eingelegt. Diese ist vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil von 4. Dezember 1957 mit folgender Begründung zurückgewiesen worden; Die Sonderveranlagung der Geflügelzucht sei gerechtfertigt, weil diese ein landwirtschaftlicher Betrieb sei, in den die Bodenwirtschaft nur nebensächliche Bedeutung habe. Für die Beurteilung, in welchem Verhältnis die Geflügelzucht zur Bodenwirtschaft stehe, müsse der Wald außer Betracht bleiben, weil er keine Bodenwirtschaft im Sinne der auszulegenden Satzungsvorschrift darstelle. Die somit maßgebende Bodenwirtschaft, die insgesamt 13,40 ha umfasse, gegenüber der Geflügelzucht nebensächlich, weil auf diese der Betrieb des Klägers in seiner Gesamtheit ausgerichtet sei, weil die Bodenwirtschaft vor allem der Erzeugung der in der Geflügelzucht erforderlichen Futtermittel diene und weil die Geflügelzucht beim Einsatz der Arbeitskräfte der Vorrang habe. Abgesehen von diesen Erwägungen müsse die Geflügelzucht aber auch schon im Hinblick auf die kasuistische Aufzählung der Viehzüchtereien (§ 24 Abs. 1 Buchst. a der alten bzw. § 27 Abs. 1 Buchst. a der neuen Satzung) gesondert veranlagt werden. – Das LSG. hat die Revision zugelassen, weil es „die Auslegung der Satzung und insbesondere des Begriffs der Bodenwirtschaft für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung” hält.

Das Urteil ist dem Kläger am 20. Februar 1958 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 20. März 1958 Revision eingelegt und diese am 19. April 1958 begründet. Die Revision führt aus: Die RVO enthalte keine Ermächtigung für die Sonderveranlagung einer Geflügelzucht. Die Satzung einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft dürfe landwirtschaftliche Betriebe nicht nach Merkmalen unterscheiden, welche die RVO begriffsmäßig nicht kenne. Die RVO unterscheide nur zwischen landwirtschaftlichen Hauptbetrieben (§ 915) landwirtschaftlichen Nebenbetrieben (§ 918) und gewerblichen Betrieben mit überwiegend landwirtschaftlichem Einschlag (§ 921); sie kenne keine Sonderbetriebe in der Form land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ohne oder mit nebensächlicher Bodenwirtschaft. Es sei auch fraglich, ob hinsichtlich der Beitragspflicht eine mehrfache Veranlagung durchgeführt werden dürfe; denn die RVO kenne abgesehen von Mindestbeiträgen und Einheitsbeiträgen für Kleinbetriebe nur die Veranlagung nach dem Ertragswert und nach der Gefahrklasse, nicht aber nach Normalbetrieben and Sonderbetrieben Schließlich sei nicht einzusehen, weshalb Geflügelzuchtbetriebe als Betriebe der niedrigsten Gefahrklasse besonders veranlagt werden sollten. Der Rahmen des Ermessens bei der Anlegung des Umlegungsmaßstabes sei überschritten. Selbst wenn aber § 24 der Satzung nicht zu beanstanden wäre, hätte das LSG. diese Vorschrift auf die Geflügelzucht des Klägers nicht anwenden dürfen, weil die Bodenwirtschaft nicht nur nebensächliche Bedeutung habe.

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten, den Widerspruchsbescheid und die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben,
  2. festzustellen, daß die Geflügelzucht des Klägers kein besonderes landwirtschaftliches Betriebsunternehmen im Sinne des § 915 Abs. 2 RVO und des § 24 Abs. 1 Buchst. a der allen Satzung und des § 27 Abs. 1 Buchst. a der seit 22. März 1955 geltenden neuen Satzung der Beklagten sei.

Die beklagte beantragt,

  • die Revision als unzulässig zu verwerfen,
  • hilfsweise,

    die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Zulassung der Revision sei unwirksam, weil die vom LSG. angewandte Satzungsvorschrift nur in dem ausschließlich zum Lande Bayern gehörenden Regierungsbezirk Schwaben gelte und somit nicht revisibel sei. Das LSG. habe – so führt die Beklagte weiter aus – bei der Auslegung des Satzungsrechts auch nicht gegen revisibles Recht, insbesondere nicht gegen die RVO verstoßen. Die Sonderveranlagung von Geflügelzuchtbetrieben rechtfertige sich aus § 972 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 1010 RVO; sie sei ein zulässiger Maßstab für das Umlegen der Beiträge. Das LSG. habe § 24 Abs. 1 Buchst. a der Satzung auch mit Recht auf die Geflügelzucht des Klägers angewandt.

II

Die Statthaftigkeit der Revision könnte zweifelhaft sein, wenn – wie die Beklagte meint – die vom LSG. angewandte Satzungsvorschrift über die gesonderte Beitragsveranlagung irrevisibel wäre. Für diesen Fall wäre zu entscheiden, ob das LSG. die Revision lediglich zur Nachprüfung irrevisiblen Rechts, also zur Durchsetzung eines vom Gesetz nicht anerkannten Zweckes, zugelassen hat (vgl. hierzu BGH., MDR 1959 S. 378 Nr. 29; BSG. 10 S. 240) oder ob es die Zulassung nicht auf die Auslegung der Satzung beschränken, sondern nur den wichtigsten von mehreren für die Zulassung in Betracht kommenden Gründen darlegen wollte (vgl. BSG. 8 S. 220). Dieser Entscheidung bedarf es jedoch nicht, weil die streitige Satzungsvorschrift nach der Auffassung des Senats revisibles Recht im Sinne des § 162 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist.

Die Satzung der Beklagten ist allerdings nur für den zum Land Bayern gehörenden Regierungsbezirk Schwaben erlassen (§ 2 Abs. 1). Dem Rechtsetzungsakt kommt daher außerhalb des Bezirks des Bayerischen LSG. keine Wirkung zu. Dies schließt jedoch die Revisibilität der Satzung nicht ohne weiteres aus. Nach feststehender, auch im Schrifttum anerkannter Rechtsprechung zu § 549 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist es nicht erforderlich, daß eine in mehreren Berufungsgerichtsbezirken geltende Rechtsnorm, wenn sie revisibel sein soll auf einen und denselben Rechtsetzungsakt zurückzuführen ist; es genügt, daß die Normen in mehreren Bezirken inhaltlich übereinstimmen und die Übereinstimmung nicht rein tatsächlich oder gar zufällig, sondern bewußt und gewollt ist, wobei an das Merkmal des Bewußten und Gewollten im allgemeinen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. RGZ 55 S 319 und 154 S. 133 [137]; BGHZ. 4 S. 219 [220], 6 S. 49 und 373, 7 S. 299; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl S. 701; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl § 549 Anm. IV B 2). Auch das Bundessozialgericht (BSG.) hat wiederholt ausgesprochen, daß überbezirkliches Recht, wenn es revisibel sein soll, nicht auf einem und demselben Rechtsetzungsakt beruhen, aber jedenfalls inhaltlich übereinstimmen muß (z. B. BSG. 1 S. 100, 3 S. 80, 8 S. 144 und 294). In der Frage, ob das Merkmal des Bewußten und Gewollten auch für das Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit zu fordern ist hat sich das BSG. noch nicht abschließend geäußert Während der 11. Senat in BSG. 8 S. 144 und in einem Urteil vom 10. Dezember 1958 – 11/10 RV 1353/56– die Revisibilität landesrechtlicher Vorschriften ausschließlich damit begründet hat daß inhaltliche Übereinstimmung mit in anderen LSG.-Bezirken geltenden Vorschriften bestehe, haben der 10., 1. und 3. Senat die Frage unentschieden gelassen (BSG S. 100, 3 S. 80 und 8 S. 295). Auch im vorliegenden Falle bedurfte es aus folgenden Gründen keiner Entscheidung der auf geworfenen Frage: Die streitige Satzungsvorschrift der Beklagten (§ 24 Abs. 1 Buchst. a der alten Satzung in der Fassung des III. Nachtrags bzw. § 27 Abs. 1 Buchst. a der neuen Satzung) stimmt mit den entsprechenden Satzungsvorschriften der Land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den Regierungsbezirk Darmstadt und auch der Lippischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft inhaltlich überein also mit Vorschriften, die außerhalb des Bezirks des Bayerischen LSG. gelten (vgl. § 25 Abs. 1 Buchst. a der Satzungen von 1933 und 1954 der Land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den Bezirk Darmstadt und § 28 Buchst. a bzw. § 25 Buchst. a der Satzungen von 1928 bzw. 1954 der Lippischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft). Diese Übereinstimmung beruht nicht auf Zufall; sie erklärt sich aus der Übernahme des § 29a der vom Reichsversicherungsamt (RVA.) aufgestellten Mustersatzungen für land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, Ausgabe I, Fassung 2 vom 27. März 1912 (AN. 1912 S. 606 [618]), wie überhaupt die bis zum Inkrafttreten des Selbstverwaltungsgesetzes vom 22. Februar 1951 erlassenen Satzungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in Aufbau und Inhalt weitgehend mit den Mustersatzungen des RVA. übereinstimmen. Diese sollten, wie sich aus den Vorbemerkungen des RVA. (a.ä.O. S. 577, 606) ergibt, einerseits den Versicherungsträgern für die durch das Inkrafttreten der RVO erforderlich gewordenen Änderungen der Satzungen, welche die Berufsgenossenschaften in Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts zu erlassen hatten, einen Anhalt geben. Andererseits läßt sich aber auch das Bestreben nicht verkennen, durch die in den Mustersatzungen enthaltenen Empfehlungen zu einer möglichst weitgehenden Vereinheitlichung des Satzungsrechts beizutragen. Deshalb sind die Satzungsentwürfe mit den Mitgliedern der Ständigen Kommission der Deutschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften beraten und die hiernach ergänzten Entwürfe den Genossenschaftsvorständen zur Äußerung zugeleitet worden. Diese Entwicklung des Satzungsrechts nach Inkrafttreten der RVO reicht nach der Auffassung des Senats zu der Feststellung aus, daß diejenigen Versicherungsträger, die eine Bestimmung der Mustersatzungen übernahmen, dies auch in dem Bewußtsein und mit dem Willen getan haben, eine Übereinstimmung mit dem Recht anderer Berufsgenossenschaften zu erzielen, die sich zur Übernahme derselben Bestimmung der Mustersatzungen entschlossene Hiernach stellt sich die streitige Satzungsvorschrift der Beklagten als eine sonstige im Bezirk des Berufungsgerichts geltende Vorschrift dar, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 Abs. 2 SGG). Die Zulassung der Revision ist daher schon aus diesem Grunde wirksam. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Klägers ist somit zulässig.

In der Sache selbst hatte die Revision keinen Erfolg, weil der in dem Veranlagungsbescheid vom 1. April 1954 liegende Verwaltungsakt rechtmäßig und infolgedessen die Aufhebungsklage unbegründet ist.

Die Auffassung der Revision, es fehle an einer gesetzlichen Ermächtigung für die Satzungsvorschrift des § 24 a P. trifft nicht zu Nach § 972 Abs. 1 Nr. 4 RVO muß die Satzung Bestimmungen enthalten über den Maßstab für das Umlegen der Beiträge Dabei läßt das Gesetz den Versicherungsträgern einen weiten Ermessensspielraum. Als einen zulässigen Maßstab sieht es in erster Linie den Arbeitsbedarf unter Berücksichtigung der Gefahrklasse (§ 990 RVO), in zweiter Linie den Steuerfuß vor (§ 1005 RVO); unter den Voraussetzungen des § 1005 Abs. 1 RVO können aber auch andere angemessene Maßstäbe festgelegt werden (§ 1010 RVO). Den Rahmen dieser Ermächtigung hat die Beklagte nicht überschritten, indem sie, soweit die allgemeine landwirtschaftliche Nutzung in Betracht kommt, Beiträge nach dem Maßstab des Ertragswertes (Einheitswertes) erhebt (§ 22 a.F. der Satzung) und daneben für die in § 24 Abs. 1 a.F. der Satzung aufgezählten Betriebe bzw. Betriebszweige die Erhebung besonderer Beiträge nach einem von der Zahl der Arbeitstage abhängigen angenommenen Ertragswert vorsieht. „Veranstaltungen” dieser Art erhöhen den Arbeitsbedarf und damit das Unfallrisiko Während in Betrieben, für welche die Beiträge nach dem Arbeitsbedarf erhoben werden, das erhöhte Unfallrisiko durch die dem erhöhten Arbeitsbedarf entsprechenden höheren Beiträge ausgeglichen wird, ist dies in Betrieben für welche die Beitragserhebung sich grundsätzlich nach dem Umfang der Bodenbewirtschaftung richtet (Angehörige sogenannter Einheitswert – Berufsgenossenschaften), nicht der Fall Darin liegt die innere Berechtigung für die vor der Beklagten durch § 24 a.F. ihrer Satzung getroffene Regelung (vgl. hierzu Entscheidung der Schiedsstelle beim Verband der deutschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vom 8.12.1931, EuM. 32 S. 32). Daß die Regelung von dem – in der RVO nicht verwendeten – Begriff des „landwirtschaftlichen Betriebes ohne Bodenwirtschaft oder mit Bodenwirtschaft von nebensächlicher Bedeutung” abhängig gemacht wird, verstößt entgegen der Meinung der Revision nicht gegen die RVO, vielmehr bietet die Regelung einen angemessenen und sachlich gerechtfertigten Maßstab für die Beitragserhebung. Es liegt auch keine unzulässige Doppelveranlagung vor; denn wenn eine besondere Veranstaltung im Sinne des § 24 Abs. Buchst. a der Satzung ohne Bodenwirtschaft oder in Verbindung mit einer Bodenwirtschaft von nebensächlicher Bedeutung betrieben wird, so wird etwas als versicherungspflichtig veranlagt, was über die bloße Bodenwirtschaft und somit über den nach dem Einheitswert zu Beiträgen herangezogenen Betrieb weit hinausgeht (vgl. EuM. 32 S. 32) Mit ihrem weiteren Vorbringen, die Beklagte habe den Rahmen ihres Ermessens überschritten, indem sie Betriebe der niedrigsten Gefahrklasse gesondert zu Beiträgen heranziehe, verkennt die Revision, daß der Erlaß einer Satzung kein Verwaltungsakt, sondern ein Akt der Rechtsetzung ist. Die Satzung kann von dem zur Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit berufenen Gericht nur beanstandet werden, wenn das Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht, oder höherrangiges Recht verletzt worden ist. Dies trifft hier nicht zu; vor allem sind weder die RVO noch der Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. GG) verletzt.

Den somit rechtswirksam zustande gekommenen § 24 Abs. der Satzung hat das LSG. mit Recht auf den festgestellten Sachverhalt angewandt. Nach dieser Vorschrift werden bestimmte „Veranstaltungen” – nach Buchst. a sind dies land- und forstwirtschaftliche Betriebe, in denen für Rechnung ihres Unternehmers keine Bodenwirtschaft betrieben wird oder in denen die eigene Bodenwirtschaft nur nebensächliche Bedeutung hat – gesondert zu Beiträgen herangezogen. Als Beispiele für selche Sonderbetriebe sind u. a. Milch – Viehhaltungs- oder Mastungsbetriebe, Viehzüchtereien usw. aufgeführt. Hierunter fällt auch die Geflügelzucht des Klägers; sie ist wie er selbst nicht in Zweifel zieht und wie sich nach dem festgestellten Sachverhalt auch nicht mit Fug bezweifeln läßt eine Viehzüchterei. Schon aus diesem Grunde hat das LSG. mit Recht die Voraussetzungen für eine satzungsmäßige Sonderveranlagung der Geflügelzucht als erfüllt angesehen. Sie lägen nur dann nicht vor wenn die hier zu beurteilende Geflügelzucht überhaupt nicht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterfiele wenn sie also weder ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 915 RVO noch ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Sinne des § 918 RVO wäre noch aus einem anderen Grunde (vgl. § 921 RVO) von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfaßt wäre. Die Geflügelzucht des Klägers unterliegt jedoch der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Das RVA hat bereits am 2. Juni 1889 auf Grund des § 1 Abs. 6 des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes vom 5. Mai 1886 – diese Vorschrift entspricht § 915 Abs. 2 RVO – bestimmt, daß Viehhaltungsbetriebe, in denen ohne gleichzeitige Bodenbewirtschaftung Vieh in mehreren Stücken (ein Viehstapel, eine Herde) zum Zweck der Aufzucht der Milchgewinnung oder der Mast gehalten wird, als landwirtschaftliche Betriebe gelten, soweit nicht die Viehhaltung durch organische Einfügung in einen versicherungspflichtigen gewerblichen Betrieb Bestandteil des letzteren geworden ist (AN. 1889 S. 321 Ziff. 712). Da die Geflügelzucht des Klägers nicht ohne, sondern in Verbindung mit Bodenbewirtschaftung betrieben wird, ist sie um so mehr der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zuzurechnen; denn die Bodenbewirtschaftung ist das hervorstechendste Merkmal der Land- und Forstwirtschaft (vgl. Handbuch der Unfallversicherung Bd. II S. 4; Lauterbach Unfallversicherung, 2. Aufl., § 915 RVO, Anm. 3a). Dies bezweifelt auch die Revision nicht, sie vertritt vielmehr unter Hinweis auf die Grundsätzliche Entscheidung Nr. 74 des Bayerischen Landesversicherungsamts (Amtsblatt des Bay. Staatsministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge 1952 B S. 137) die Ausfassung die Geflügelzucht des Klägers habe als landwirtschaftlicher Betrieb zu gelten. Deren Sonderveranlagung auf Grund des § 24 Abs. 1 Buchst. a der Satzung ist daher gerechtfertigt, ohne daß es auf die Bedeutung der im Zusammenhang mit der Geflügelzucht betriebenen Bodenwirtschaft im Verhältnis zu der Geflügelzucht selbst ankäme.

Im übrigen ist aber auch der Hilfsbegründung des LSG., die Bodenwirtschaft habe im Verhältnis zu der Geflügelzucht nur nebensächliche Bedeutung, im Ergebnis beizutreten. Die Veranlagung nach § 24 Abs. 1 Buchst. a der Satzung setzt voraus, daß die Bodenwirtschaft, die „in” der gesondert zu veranlagenden „Veranstaltung” betrieben wird, nur nebensächliche Bedeutung hat. Es kommt also auf die Bedeutung nicht der gesamten Bodenwirtschaft des Unternehmers an, sondern allein derjenigen, die in dem besonderen, in § 24 aufgeführten Betrieb bzw. Betriebszweig betrieben wird. Im vorliegenden Falle ist daher nur die Bodenwirtschaft der Geflügelzucht selbst zu beurteilen. Das LSG. hat deshalb mit Recht den nicht für den Auslauf der Hühner zur Verfügung stehenden Wald außer Betracht gelassen. Ferner müssen die Äcker, der Garten und die nicht als Hühnerweiden dienenden Wiesen außer Betracht bleiben. Die Bodenwirtschaft der Geflügelzucht umfaßt lediglich die Auslauffläche von 2,8 ha Wiesen und Wald. Daß in der sonstigen Landwirtschaft auch Futtermittel für die Hühner erzeugt werden, macht sie nicht zu einer „in” der Geflügelzucht betriebenen Bodenwirtschaft. Welche Bedeutung der so abgegrenzten Bodenwirtschaft zukommt, ist zwar im einzelnen nicht festgestellt worden, es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß insoweit andere nennenswerte Arbeiten als das Abmähen und Düngen der Weide sowie das Instandhalten der Grasnarbe und der Weidezäune in Frage kämen. Diese Arbeiten treten in ihrer Bedeutung weit hinter die sonstigen Tätigkeiten zurück, die nach den vom LSG. getroffenen Feststellungen in der sehr umfangreichen Geflügelzucht des Klägers namentlich in dem halben Jahre von November bis Ende April ausgeübt werden. Die in der Geflügelzucht betriebene Bodenwirtschaft hat daher nebensächliche Bedeutung im Sinne des § 24 Abs. 1 Buchst. a der Satzung.

Hiernach ist der angefochtene Bescheid vom 1. April 1954 zu Recht ergangen und die Revision des Klägers als unbegründet zurück zuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Unterschriften

Brackmann, Hunger, Schmitt

 

Fundstellen

BSGE, 189

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