Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 AFG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rahmenfrist wird auch dann, wenn der Antragsteller wegen der gleichzeitigen Betreuung mehrerer Kinder bis zu vier Jahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, nur einmal um eine der tatsächlichen Betreuungszeit entsprechende Zeitspanne verlängert.

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 AFG idF vom 22.12.1981 verstößt nicht gegen Art 6 und Art 20 Abs 1 GG (vgl für das bis zum 31.12.1981 geltende Recht BSG 5.10.1982 7 RAr 126/81 = BSGE 54, 121).

2. Obwohl aufgrund der Fassung, die § 46 Abs 2 AFG durch das AFKG erhalten hat, nun allenfalls nur noch Leistungen nach § 45 AFG gewährt werden, jedoch kein Unterhaltsgeld mehr, ist daran festzuhalten, daß die Gesamtregelung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit iS des Art 20 Abs 1 GG genügt; denn in der Erkenntnis, daß sich die als unausweichlich angesehene Änderung des § 46 Abs 2 AFG insbesondere auf Frauen auswirkt, die gezwungen sind, eine Beschäftigung aufzunehmen, hat der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten, die Rahmenfrist für Antragsteller, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Geburt und Betreuung eines Kindes unterbrochen haben, statt um höchstens drei ab 1.1.1982 um höchstens vier Jahre zu erweitern.

 

Normenkette

AFG § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 Fassung: 1981-12-22; GG Art 6; GG Art 20 Abs 1; AFG § 46 Abs 2 Fassung: 1981-12-22, §§ 102, 168

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 13.04.1984; Aktenzeichen L 4 Ar 4/84)

SG Berlin (Entscheidung vom 15.11.1983; Aktenzeichen S 58 Ar 567/83)

 

Tatbestand

Die 1951 geborene verheiratete Klägerin begehrt Unterhaltsgeld (Uhg).

Sie war vom 1. April 1970 bis 28. Februar 1977 in ihrem Beruf als staatlich geprüfte Kinderpflegerin beschäftigt. Sie gab diese Tätigkeit auf, nachdem sie am 3. Januar 1977 ihr zweites Kind geboren hatte. Ihr erstes Kind war am 15. November 1975 geboren worden. Vom 1. Oktober 1980 bis 31. Dezember 1981 war sie als Kassiererin beschäftigt; die wöchentliche Arbeitszeit betrug weniger als 20 Stunden.

Im Januar 1982 beantragte die Klägerin die Förderung einer zweijährigen Fachschulausbildung zur Erzieherin am O.-Seminar in B.. Die Ausbildung hat am 1. Februar 1982 begonnen. Die Beklagte gewährte der Klägerin hierfür Leistungen nach § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), dagegen kein Uhg, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 46 AFG nicht gegeben seien. Die Klägerin sei in der Rahmenfrist keine zwei Jahre versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die dreijährige Rahmenfrist verlängere sich zwar in ihrem Falle um 46 Monate und drei Tage, weil die Klägerin vom 1. März 1977 bis zum 3. Januar 1981 wegen Geburt und Betreuung ihres zweiten Kindes bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres ihre Beschäftigung aufgegeben habe; sie laufe deshalb vom 29. März 1975 bis 31. Januar 1982. Innerhalb dieser Zeit sei die Klägerin aber nur vom 29. März 1975 bis 28. Februar 1977 beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Geburt und Betreuung des ersten Kindes verlängere die Rahmenfrist nicht, weil die Klägerin dieses Kindes wegen ihre Beschäftigung nicht aufgegeben habe (Bescheid vom 1. Dezember 1982, Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1983).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. November 1983). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 1982 Uhg für die Dauer ihrer Teilnahme an der beruflichen Fortbildungsmaßnahme zu gewähren (Urteil vom 13. April 1984).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Rahmenfrist sei gemäß § 46 Abs 1 Satz 2 AFG um weitere 32 Monate Betreuungszeit für das erste Kind zu verlängern, was zur Folge habe, daß die Klägerin eine zweijährige beitragspflichtige Beschäftigung in der Rahmenfrist aufweise. Die Beklagte habe das erste Kind nicht berücksichtigt, weil die Klägerin bis nach der Geburt des zweiten Kindes beschäftigt gewesen sei. Ein so enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Geburt und der Aufgabe der Erwerbstätigkeit werde nicht verlangt. Es genüge für den zeitlichen Zusammenhang, wenn die Geburt des Kindes zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, daß die Betreuung bis zum 4. Lebensjahr zeitlich, gegebenenfalls auch nur teilweise, in die Rahmenfrist hineinreiche. Die gegenteilige Rechtsauffassung der Beklagten führe zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß Mütter bzw Väter, die wie die Klägerin bis nach der Geburt des zweiten Kindes arbeiteten, schlechter gestellt würden als Mütter bzw Väter, die bereits mit der Geburt des ersten Kindes ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hätten. Hierfür gebe es keinen einleuchtenden Grund. Nur außerhalb der Rahmenfrist geborene Kinder, deren Betreuungszeit nicht in die Rahmenfrist hineinreiche, seien nicht zu berücksichtigen, alle anderen Kinder seien es, und zwar "jedes Kind", und nicht etwa nur das zuletzt geborene, das unmittelbar zur endgültigen Aufgabe der Erwerbstätigkeit geführt habe, und zwar auch, soweit sich die Betreuungszeiten deckten, da es an einer gegenteiligen Gesetzesbestimmung fehle. Für die Lösung, die Betreuungszeiten für beide Kinder getrennt zu errechnen und zu addieren, auch soweit sie sich deckten, spreche, daß der Gesetzgeber die Kinderbetreuungszeit von drei auf vier Jahre verlängert habe, ohne gleichzeitig die reguläre Rahmenfrist von drei Jahren zu verlängern. Anders wäre die Ausschöpfung der Kinderbetreuungszeit von höchstens vier Jahren für jedes Kind bei der Verlängerung der individuellen Rahmenfrist nicht möglich, solange nur Kinder berücksichtigt würden, deren Betreuung bis zum 4. Lebensjahr in die normale Rahmenfrist hineinrage oder an sie heranreichen müsse, wie das Bundessozialgericht (BSG) annehme. Sozialpolitisch spreche für diese Lösung, daß damit der doppelten Belastung durch die Betreuung mehrerer Kleinkinder Rechnung getragen werde. Der Klägerin könne daher das Uhg nicht nach § 46 Abs 1 AFG verweigert werden. Da sie arbeitslos gewesen und ihre berufliche Eingliederung notwendig gewesen sei, nachdem ihre berufliche Tätigkeit fünf Jahre zurückliege, stehe ihr das Uhg nach § 44 Abs 2 AFG zu, und zwar wegen ihrer beiden Kinder in Höhe gemäß § 44 Abs 2 Nr 1 AFG.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 46 AFG und führt dazu insbesondere aus: Die Verlängerung der Rahmenfrist gemäß § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG sei geschaffen worden, um der besonderen Situation der Frauen Rechnung zu tragen. Mit dieser familienpolitisch bedeutsamen Regelung habe vermieden werden sollen, daß sich eine im Interesse des Kleinkindes notwendige Unterbrechung der Berufstätigkeit im Anschluß an die Geburt nachteilig auf die Anspruchsberechtigung auswirke. Hieraus ergebe sich zunächst, daß zwischen der Geburt bzw Betreuung eines Kindes und der Aufgabe einer Beschäftigung des betreuenden Elternteils ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang bestehen müsse. Daher könne eine Unterbrechung der Beschäftigung immer nur einem Kinde zugerechnet werden. Die Klägerin habe nach der Geburt des ersten Kindes ihre Beschäftigung weiterhin ausgeübt; eine Unterbrechung sei also im Interesse dieses Kindes nicht notwendig gewesen. Erst nach der Geburt des zweiten Kindes habe sie ihre Beschäftigung aufgegeben. Deshalb könne die gesetzliche Möglichkeit der Verlängerung der Rahmenfrist nur diesem Kinde zugerechnet werden. Die Auffassung des LSG, dieselbe Unterbrechung der Beschäftigung mehrfach zur Verlängerung der Rahmenfrist heranzuziehen, gehe über die Ziele des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG hinaus. Der Zweck der Vorschrift sei, wie der erkennende Senat in BSGE 54, 121, 122 ausgeführt habe, unter Beibehaltung des Grundsatzes, daß die berufliche Fortbildung und Umschulung nur bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen individuell gefördert werden, Arbeitnehmern die Anrechenbarkeit zurückgelegter Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung über die Zeit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen Geburt und Betreuung eines Kindes zu erhalten. Der Arbeitnehmer habe in die Lage versetzt werden sollen, nach der Unterbrechung auf die Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung vor der Unterbrechung zurückgreifen zu können, als ob die Unterbrechung nicht eingetreten wäre. Dieses Ziel werde bereits mit der vollen einfachen Berücksichtigung der Unterbrechung erreicht. Für weitere familienpolitische "Gutschriften" sei daher kein Raum. Wenn eine Mehrfachanrechnung desselben Zeitraums beabsichtigt gewesen wäre, hätte der Gesetzgeber die Erweiterung der Rahmenfrist zudem nicht davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller tatsächlich wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Daß die vom LSG befürwortete Mehrfachanrechnung über die Zielsetzung des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG hinausgehe, zeige sich insbesondere am Falle von Mehrfachgeburten. So komme eine Mutter von Zwillingen, die zum Zeitpunkt der Niederkunft die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 AFG nicht mehr erfüllt habe, weil sie in den letzten drei Jahren aus persönlichen Gründen mehr als ein Jahr nicht erwerbstätig gewesen sei, wieder zu einer Erfüllung dieser Förderungsvoraussetzungen, falls man die Unterbrechungszeit wegen der Betreuung der Zwillinge doppelt anrechnen würde. Es würde dann nicht der Status zu Beginn der Unterbrechung erhalten, sondern durch die Unterbrechung der Status verbessert werden. Das sei jedoch nicht Ziel der gesetzlichen Regelung. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und wiederholt dessen Gründe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Uhg. Einem solchen Anspruch steht §§46 Abs§1 AFG (in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497) entgegen.

2a, dh sowohl das als Zuschuß als auch das als Darlehen zu zahlende Uhg, Antragstellern gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld (Alg) aufgrund oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie hat in der Zeit vom 1. Februar 1979 bis 31. Januar 1982, den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme, keine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt und auch weder Alg noch im Anschluß daran Alhi bezogen. Die in diese Rahmenfrist fallende Beschäftigung als Kassiererin begründete keine Beitragspflicht. Sie war nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt, damit kurzzeitig (§ 102 AFG) und somit gemäß § 169 Nr 6 AFG beitragsfrei und nicht beitragspflichtig (§ 168 Abs 1 Satz 1 AFG). Allerdings verlängert sich im Falle der Klägerin gemäß § 46 Abs 1 Satz 2 AFG die Rahmenfrist, wie auch die Beklagte nicht verkannt hat; jedoch hat die Klägerin auch in der verlängerten Rahmenfrist nicht mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt.

Nach § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG verlängert sich die (Rahmen-) Frist von drei Jahren um die Zeiten, in denen ein Antragsteller wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, jedoch höchstens um vier Jahre für jedes Kind. Die Beklagte hat angenommen, die Rahmenfrist verlängere sich um 46 Monate und drei Tage, weil die Klägerin vom 1. März 1977 bis zum 3. Januar 1981 wegen Geburt und Betreuung ihres zweiten Kindes ihre Beschäftigung aufgegeben habe. Das begegnet Bedenken. Zwar hat die Klägerin unzweifelhaft bis zum 30. September 1980 wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, wie dies nach dem Wortlaut des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG für die Verlängerung der Rahmenfrist erforderlich ist; danach ist die Klägerin jedoch als Kassiererin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erwerbstätig gewesen, wenn auch nicht in einem die Beitragspflicht begründenden Umfange. Um eine der Zeit vom 1. Oktober 1980 bis 3. Januar 1981 entsprechende Zeitspanne - die nach Vollendung des 4. Lebensjahres eines Kindes liegenden Betreuungszeiten bleiben nach dem Gesetz sowieso unberücksichtigt - wäre die Rahmenfrist von drei Jahren mithin nur zu verlängern, wenn unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG nur eine die Beitragspflicht begründende unselbständige Beschäftigung zu verstehen wäre, wie dies im Schrifttum angenommen wird (vgl Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, § 46 Erl 5.3, März 1982; aA Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Kommentar zum AFG, § 46 Erl 9). Ob dieser vom Wortlaut abweichenden Auffassung zu folgen ist, gegen die zudem eingewandt werden könnte, daß die Nichtausübung jeglicher Erwerbstätigkeit dem Kinde mehr nützt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung; denn auch wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, daß diese Frage zu bejahen ist, hätte die Klägerin in der demnach um 46 Monate und drei Tage zu verlängernden Rahmenfrist vom 29. März 1975 bis 31. Januar 1982 ebenfalls keine beitragspflichtige Beschäftigung von zwei Jahren aufzuweisen, sondern nur von 23 Monaten und drei Tagen (29. März 1975 bis 28. Februar 1977).

Eine weitere Verlängerung der Rahmenfrist ist nicht möglich. Insbesondere ist entgegen der Rechtsauffassung des LSG die Rahmenfrist nicht ein zweites Mal um die Zeit vom 1. März 1977 bis 15. November 1979 zu verlängern, weil die Klägerin in dieser Zeit nicht nur ein, sondern zwei Kinder im Alter bis zu vier Jahren betreut hat. Ob dies schon daraus folgt, daß die Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit nur jeweils einem Kinde zugerechnet werden kann, wie die Revision meint, läßt der Senat offen. Jedenfalls verbietet der Zweck des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG die weitere Verlängerung der Rahmenfrist um Betreuungszeiten, um die die Rahmenfrist schon verlängert worden ist (ebenso Barnofski BArbBl 1985, 12, 17).

Wie der Senat in BSGE 54, 121, 122 f = SozR 4100 § 46 Nr 4 anhand der Entstehungsgeschichte der durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) eingeführten Regelung ausgeführt hat, besteht der Zweck des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG darin, Arbeitnehmern unter Beibehaltung des Grundsatzes, daß die berufliche Fortbildung und Umschulung nur bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen individuell gefördert wird, zurückgelegte Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung zur Begründung eines Anspruchs auf Uhg und sonstige Leistungen über eine wegen Geburt und Betreuung eines Kleinkindes bis zum Alter von (früher: drei und seit dem 1. Januar 1982) vier Jahren erfolgende Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit zu erhalten. Der Arbeitnehmer soll nach der Betreuungszeit, soweit sie das Gesetz begünstigt, auf die Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung vor der betreuungsbedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zurückgreifen können, als ob die Unterbrechung nicht eingetreten wäre. Da lediglich erhalten bleiben soll, was der Arbeitnehmer vor der Betreuungszeit an Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung aufweisen kann, kann die Rahmenfrist auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen der gleichzeitigen Betreuung mehrerer Kinder bis zu vier Jahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, nur einmal um die tatsächliche Betreuungszeit verlängert werden. Eine Mehrfachanrechnung gleicher Zeiten würde dem Arbeitnehmer den Rückgriff auf Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung erlauben, die schon vor der betreuungsbedingten Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit eine Anwartschaft nicht mehr begründet haben, ihn also besserstellen. Das aber ist mit der 1979 eingeführten Regelung nicht beabsichtigt gewesen; vielmehr sollte lediglich, wie im Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialpolitik im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt worden ist, vermieden werden, daß sich die Unterbrechung der Berufstätigkeit nachteilig auf die Anspruchsberechtigung des Elternteils auswirkt, der die Betreuung des Kindes übernommen hat (vgl Bericht des Abgeordneten Lutz zu dem Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG, BT-Drucks 8/2914 S 36 und 42).

Zu Unrecht führt das LSG für die Mehrfachanrechnung an, andernfalls sei eine Ausschöpfung der Kinderbetreuungszeit von höchstens vier Jahren für jedes Kind nicht möglich, weil nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur solche Kinder berücksichtigt werden könnten, deren Betreuung bis zum 4. Lebensjahr in die normale Rahmenfrist hineinrage oder an sie heranreiche. Letzteres ist jedoch so in BSGE 54, 121, der einzigen bisher zu § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG ergangenen Entscheidung des Senats, nicht entschieden worden und widerspräche zudem dem Zwecke der Vorschrift. Allerdings löst nicht jede Betreuung eines Kleinkindes die Verlängerung der Rahmenfrist aus. Zusätzlich erforderlich ist vielmehr, daß die Zeit, in der der Antragsteller wegen der Geburt und Betreuung eines Kleinkindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, mit der Rahmenfrist in zeitlichem Zusammenhang steht. Ein solcher Zusammenhang fehlt, wenn sich die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Kinderbetreuung, soweit sie das Gesetz begünstigt hat, auf die Anrechenbarkeit der vor der Unterbrechung zurückgelegten Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung nicht mehr auswirken kann. Da die erworbene Anwartschaft nach der Wiederaufnahme der Arbeit bzw nach Ablauf der Zeit, für die das Gesetz die Unterbrechung begünstigt, in gleicher Weise wie alle von Rahmenfristen abhängigen Anwartschaften wieder mit der Zeit verfällt und die normale Rahmenfrist drei Jahre beträgt, hat der Senat in BSGE 54, 121 für den Fall, daß nach der Wiederaufnahme der Arbeit bzw nach Vollendung des 3. (jetzt: 4.) Lebensjahres des zuletzt betreuten Kindes drei Jahre vergangen sind, gefolgert, daß danach eine Verlängerung der Rahmenfrist um Zeiten der Kindesbetreuung nicht in Betracht kommt und zum Ausdruck gebracht, daß die Verlängerung voraussetzt, daß ein Kind im Alter bis zu höchstens drei (jetzt: vier) Jahren betreut worden ist und die Betreuungszeit sich mit der Dreijahresfrist vollständig oder teilweise deckt oder ihr unmittelbar vorausgeht. Daß dann, wenn die Betreuungszeit des (zuletzt) betreuten Kindes der Rahmenfrist von drei Jahren zumindest unmittelbar vorausgeht, eine davorliegende Betreuungszeit (insbesondere für ein anderes Kind) nur berücksichtigt werden kann, wenn auch diese Zeit in die normale dreijährige Rahmenfrist hineinragt oder ihr unmittelbar vorausgeht, war nicht zu entscheiden und hat auch nicht entschieden werden sollen.

Allerdings gilt auch für frühere betreuungsbedingte Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, daß eine Verlängerung der Rahmenfrist um sie nicht mehr in Betracht kommt, wenn sich die Unterbrechung auf die Anrechenbarkeit der vor der früheren Betreuung zurückgelegten Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung nicht mehr auswirken kann. Das hat zur Folge, daß Unterbrechungen nicht berücksichtigt werden, wenn nach ihrem Ende, dh nach der ersten Wiederaufnahme der Arbeit bzw nach der Vollendung des 4. Lebensjahres des zunächst betreuten Kindes und dem Beginn einer erneuten Unterbrechung drei Jahre vergangen sind, oder anders ausgedrückt, wenn der Anfang der um die spätere Kinderbetreuungszeit verlängerten Rahmenfrist später als drei Jahre nach dem Ende der früheren Kinderbetreuungszeit liegt. Es genügt also, wenn die begünstigte Unterbrechung für das zunächst betreute Kind in eine wegen der Betreuung eines anderen Kindes verlängerte Rahmenfrist hineinragt. Träfe die Annahme des LSG zu, daß die frühere Unterbrechungszeit der normalen Rahmenfrist zumindest unmittelbar vorausgehen müsse, so würde dies gerade die Arbeitnehmer mit mehreren Kindern benachteiligen und den Zweck des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG verfehlen. Es ist daher nicht zweifelhaft, daß zB der Mutter von vier im Abstand von jeweils zwei Jahren geborenen Kindern, die nach der Geburt ihres ersten Kindes bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres des vierten Kindes ihre Erwerbstätigkeit ca 10 Jahre unterbrochen hat, die Rahmenfrist um ca 10 Jahre zu verlängern ist, solange nach der Vollendung des 4. Lebensjahres des zuletzt betreuten vierten Kindes keine drei Jahre vergangen sind, damit sie auf die vor der Geburt ihres ersten Kindes zurückgelegten Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung zurückgreifen kann. Ob sich die begünstigte Kinderbetreuungszeit von höchstens vier Jahren für jedes Kind voll ausschöpfen läßt, hängt im wesentlichen davon ab, ob der Abstand der Geburten dies erlaubt.

Gegen die Regelung des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG bestehen weder im Hinblick auf Art 6 noch im Hinblick auf Art 20 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtliche Bedenken. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats zu dem bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Recht verwiesen (BSGE 54, 121, 124). Soweit der Senat dort darauf hingewiesen hat, daß § 46 Abs 2 AFG für sozial besonders gelagerte Fälle eine volle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung auch ohne Erfüllung der sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorsehe, trifft das allerdings für die Zeit nach dem 31. Dezember 1981 nicht mehr zu; denn aufgrund der Fassung, die § 46 Abs 2 AFG durch das AFKG erhalten hat, werden nun allenfalls nur noch Leistungen nach § 45 AFG gewährt, jedoch kein Uhg mehr. Dennoch ist daran festzuhalten, daß die Gesamtregelung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit im Sinne des Art 20 Abs 1 GG genügt; denn in der Erkenntnis, daß sich die als unausweichlich angesehene Änderung des § 46 Abs 2 AFG insbesondere auf Frauen auswirkt, die gezwungen sind, eine Beschäftigung aufzunehmen, hat der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten, die Rahmenfrist für Antragsteller, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Geburt und Betreuung eines Kindes unterbrochen haben, statt um höchstens drei ab 1. Januar 1982 um höchstens vier Jahre zu erweitern (vgl Bericht des Abgeordneten Lutz zu den Entwürfen eines AFKG, BT-Drucks 9/966 S 77).

Sind somit die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 AFG nicht erfüllt, steht der Klägerin Uhg nicht zu, so daß auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen ist. Ob die getroffenen Feststellungen die weitere Annahme des LSG rechtfertigen, daß die Teilnahme der Klägerin an der Fortbildungsmaßnahme notwendig war, um sie beruflich einzugliedern (§ 44 Abs 2 Satz 2 AFG, § 10 Abs 1 Satz 3 der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung; vgl dazu BSGE 48, 176, 178 = SozR 4100 § 44 Nr 21; SozR 4100 § 44 Nr 33; Urteil vom 17. Mai 1983 - 7 RAr 36/82 -), bedarf keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660670

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