Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsfreiheit des Rentenbewerbers

 

Orientierungssatz

1. Die Beitragspflicht des Rentenantragstellers nach RVO § 381 Abs 3 S 2 Nr 3 kann nur dann entfallen, wenn es sich bei der an sich für die Familienkrankenpflege zuständigen Kasse um eine solche nach RVO § 225 - oder eine nach RVO §§ 476 Abs 3, 514 Abs 2 gleichgestellte Kasse - handelt.

2. Liegt ein systemübergreifender Fall vor (hier: KVL), so soll die für die Familienhilfe zuständige KK die KVdR-Last durch Übernahme der Beitragszahlung tragen (KVÄndG Art 4 § 6).

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1956-06-12, § 257a Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-07-27, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1970-12-21, § 225 Fassung: 1972-08-10, § 381 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1969-07-27, § 476 Abs. 3 Fassung: 1927-12-16, § 514 Abs. 2 Fassung: 1970-12-21; KVLG § 32 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10, § 82 Fassung: 1972-08-10, § 64 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1972-08-10; KVÄndG Art. 4 § 6 Fassung: 1969-07-27

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 03.08.1977; Aktenzeichen L 4 Kr 35/75)

SG Würzburg (Entscheidung vom 20.02.1975; Aktenzeichen S 7 Kr 7/74)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. August 1977, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Februar 1975 und der Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1974 insoweit aufgehoben, als Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner von der Klägerin gefordert werden.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für die Zeit vom 23. August 1973 bis 22. Oktober 1973 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 188,61 DM zurückzuzahlen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Rentenantragstellerin Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 381 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entrichten hat, obwohl sie in dem streitigen Zeitraum Anspruch auf Familienkrankenpflege nach § 32 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) gehabt hätte.

Der Ehemann der am 23. Dezember 1908 geborenen Klägerin ist als Bezieher von Altersgeld in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) versichert. Am 23. August 1973 beantragte die Klägerin, die zuletzt (bis Januar 1937) bei der früheren Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Hofheim/Unterfranken pflichtversichert gewesen war, Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter und meldete sich gleichzeitig zur KVdR an. Am 22. Oktober 1973 (Eingang beim Rentenversicherungsträger) nahm sie den Rentenantrag wieder zurück. Die Beklagte, die die Rechtsnachfolgerin der früheren AOK Hofheim ist, stellte daraufhin die Beendigung der Mitgliedschaft in der KVdR zum 22. Oktober 1973 fest und forderte Beiträge für die Zeit vom 23. August 1973 bis 22. Oktober 1973 in Höhe von 188,61 DM (Schreiben vom 3. Dezember 1973, Bescheid vom 7. Januar 1974). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1974). Das Sozialgericht (SG) Würzburg hat die Klage, mit der die Klägerin Aufhebung der Bescheide der Beklagten und Verurteilung zur Rückzahlung der Beiträge in Höhe von 188,61 DM begehrte, abgewiesen (Urteil vom 20. Februar 1975). Die Berufung der Klägerin ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 3. August 1977). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Beitragsfreiheit der Rentenbewerber nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO sei nur dann gegeben, wenn eine Krankenkasse, die ohne das Eintreten der KVdR als Familienhilfekasse nach § 205 RVO leistungspflichtig gewesen wäre, die Durchführung der KVdR übernehme. Eine solche Krankenkasse könne aber die landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) nicht sein. Der Begriff "Krankenkasse" nach § 257a Abs 1 Satz 3 RVO umfasse nur die in § 225 RVO aufgezählten Krankenkassen und die durch die §§ 514 Abs 2 und 476 Abs 3 RVO insoweit gleichgestellten Ersatzkassen und Seekassen.

Die Klägerin hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO. Der Wortlaut dieser Vorschrift stehe zwar der Auffassung der Vordergerichte nicht entgegen, er lasse aber auch eine andere Auslegung zu. Rentenantragsteller seien von der Beitragspflicht freigestellt, wenn ohne die KVdR "Anspruch auf Familienkrankenpflege bestünde". Dabei falle auf, daß der Gesetzgeber auch nach Inkrafttreten des KVLG sich nicht veranlaßt gesehen habe, eine Verweisung auf § 205 RVO anzubringen. Die Familienkrankenpflege iS des § 32 Abs 1 KVLG sei völlig identisch mit der des § 205 RVO. Es würde also sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn der Regelung des § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO entsprechen, wenn man hier unter Familienkrankenpflege auch die des § 32 KVLG verstehen würde. Dann müßte auch die die Familienkrankenpflege gewährende Krankenkasse nicht zwingend eine solche iS des § 225 RVO sein. Die Auslegung der Vordergerichte mache dagegen die Wohltat der Beitragsfreiheit während des Rentenantragsverfahrens von Zufälligkeiten abhängig und führe mithin zu einer nicht verständlichen Ungleichbehandlung gleichgelagerter Fälle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG, das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die entrichteten Beiträge in Höhe von 188,61 DM zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß die von der Klägerin vorgebrachte wörtliche Auslegung dem Sinn des Gesetzes entgegenstehe. Zwischen der Zuständigkeitsvorschrift des § 257a Abs 1 Satz 3 RVO und der Beitragsbefreiung nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO bestehe ein untrennbarer Zusammenhang. Der Anspruch auf Familienkrankenpflege müsse gegenüber derselben Krankenkasse gegeben sein. Der Annahme von Beitragsfreiheit stehe auch die Tatsache entgegen, daß die von der Beklagten gewährten Leistungen von der LKK nicht erstattet werden könnten. Die Mitgliedschaft nach § 315a RVO stelle nämlich einen den Anspruch auf Familienhilfe nach § 32 Abs 1 KVLG ausschließenden "anderweitigen" gesetzlichen Anspruch dar.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet, soweit sie sich gegen die Heranziehung zur Beitragszahlung richtet und die Rückzahlung der entrichteten Beiträge verlangt wird.

Das LSG hat zu Unrecht angenommen, daß die Klägerin verpflichtet sei, für die Zeit ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten Beiträge zur KVdR zu zahlen, weil die für ihre Familienkrankenpflege zuständige Krankenkasse keine Kasse der RVO ist. Es ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nur beim Zusammentreffen einer KVdR-Mitgliedschaft mit einem Familienhilfeanspruch nach § 205 RVO die KVdR-Mitgliedschaft auf die für Familienkrankenpflege zuständige Kasse übergehen kann (§ 257a Abs 1 Satz 3 RVO). Dies wird gestützt durch die Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), die einen untrennbaren Zusammenhang der gleichzeitig mit dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen der gesetzlichen Krankenversicherung (KVÄndG) vom 27. Juli 1969 (BGBl I 946) in die RVO eingefügten §§ 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 und 257a Abs 1 Satz 3 hervorgehoben und die Verschiebung der KVdR-Mitgliedschaft auf die "Familienhilfekasse" als Voraussetzung für die Beitragsfreiheit des Rentenbewerbers angesehen hat (vgl BSG SozR Nr 33 zu § 381 RVO und SozR 2200 § 381 Nr 2). Der 3. Senat des BSG hat das aus dem der KVdR innewohnenden Prinzip der Ausgewogenheit zwischen Beitragsaufkommen und Risikobelastung gefolgert, das dann gewahrt sei, wenn eine Kasse auf die Beiträge des Rentenbewerbers verzichten müsse, die ohnehin zu den Leistungen der Familienkrankenpflege ohne zusätzliche Beitragseinnahmen verpflichtet gewesen wäre. Dem stimmt der erkennende Senat zu. Auch nach seiner Ansicht kann die Beitragspflicht des Rentenantragstellers nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr. 3 RVO nur dann entfallen, wenn es sich bei der an sich für die Familienkrankenpflege zuständigen Kasse um eine solche nach § 225 RVO - oder eine nach §§ 476 Abs 3, 514 Abs 2 RVO gleichgestellte Kasse - handelt, dh wenn die - nur innerhalb des Regelungssystems der RVO mögliche - Identität zwischen KVdR-Kasse und "Familienhilfekasse" gegeben ist. Durch diese Regelung, die nur die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens der Beitragspflicht des Rentenbewerbers betrifft, sind allerdings keineswegs alle Möglichkeiten erschöpft, familienhilfeberechtigte Rentenbewerber von der Beitragszahlung freizustellen. Das ergibt sich bereits aus Art 4 § 6 KVÄndG. Hiernach hat die knappschaftliche Krankenversicherung an Stelle des Rentenantragstellers die Beiträge für die Zeit des Versicherungsschutzes nachzuentrichten, wenn ohne die Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO Anspruch auf Familienkrankenpflege aus der knappschaftlichen Krankenversicherung besteht. Das bedeutet, daß ein Rentenbewerber, für den ein Anspruch auf Familienkrankenpflege gegen die knappschaftliche Krankenkasse - also gegen eine Kasse außerhalb des Systems der RVO - gegeben wäre, beitragspflichtiges KVdR-Mitglied der RVO-Kasse bleibt, aber selbst nicht zur Beitragszahlung herangezogen wird, weil die von ihrer Leistungspflicht entlastete "Familienhilfekasse" für ihn zahlen muß. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - zusammen mit den gleichzeitig eingefügten §§ 257a Abs 1 Satz 3 und 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO - für den gesamten Personenkreis der Antragsteller auf Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen umfassend geregelt, wie beim Zusammentreffen der durch die Antragstellung begründeten KVdR mit Ansprüchen auf Familienkrankenpflege aus damals allen Zweigen der gesetzlichen Krankenversicherung Mitgliedschaft und Beitragszahlung gestaltet sein sollen. Dabei bedurfte es für die Antragsteller auf Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung keiner eigenen Regelung, weil für diesen Personenkreis Mitgliedschaft und Beitragspflicht in der knappschaftlichen KVdR - im Gegensatz zur RVO - erst mit der Zustellung des Bewilligungsbescheides begründet werden (vgl BSG SozR 2600 § 19 Nr 2).

Eine dem Art 4 § 6 KVÄndG oder den §§ 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3, 257a Abs 1 Satz 3 RVO entsprechende Vorschrift ist in das zeitlich später (1972) erlassene KVLG allerdings nicht aufgenommen worden. Auch bezieht sich die allgemeine Verweisungsvorschrift des § 82 KVLG nicht auf diese Vorschriften. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber die Beitragsentlastung der nach § 32 KVLG familienberechtigten Rentenantragsteller nicht gewollt habe. Es ist kein sachlich einleuchtender Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber bewogen haben könnte, den Kreis der Antragsteller auf Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen unterschiedlich danach zu behandeln, in welchem Zweig der gesetzlichen Krankenversicherung der Anspruch auf Familienkrankenpflege begründet wäre. Die der Beitragsbelastung entgegenstehenden Gründe treffen in beiden Fällen gleichermaßen zu. Die Besonderheiten der KVdL, die es durchaus rechtfertigen, etwa die Mitgliedschaft und auch den Leistungskatalog eigenständig zu regeln (vgl BVerFGE 44, 70, 90; BSGE 41, 157), berühren die Frage, ob die Voraussetzungen für die Beitragszahlung eines Rentenbewerbers vorliegen, nicht. Auch der Unterschied in der Zusammensetzung der nach der RVO Versicherten und der nach dem KVLG Versicherten kann eine unterschiedliche Behandlung nicht veranlassen, zumal nach der weiten Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für die Selbständigen durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 der Kreis der in die KVdR fallenden Rentenbewerber dem Versichertenkreis des KVLG nicht mehr grundsätzlich verschieden ist und schon deshalb ein genereller Unterschied in der sozialen Schutzbedürftigkeit nicht vorliegt.

Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß es der Gesetzgeber übersehen hat, bei der Schaffung des KVLG auch die Fälle ausdrücklich zu regeln, in denen für Antragsteller auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Anspruch auf Familienkrankenpflege nach diesem Gesetz bestünde. Insoweit liegt im Hinblick auf den beabsichtigten Gesetzeszweck eine planwidrige Regelungslücke. Diese ist vom Gericht im Wege verfassungskonformer Rechtsergänzung zu schließen (Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, Berlin 1964, S. 16 ff, 39; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975 S. 358f; BSGE 14, 238, 239; BSG SozR 5070 § 9 Nr 1; BSG SozR 4100 § 141e Nr 1). Die planwidrige Unvollständigkeit kann unter Beachtung des Willens des Gesetzgebers ausgeglichen werden. Aus der umfassenden Regelung des KVÄndG ist nämlich ein gesetzgeberischer Gesamtplan zu erkennen. Er besagt, daß Rentenantragsteller, für die ohne die KVdR ein Anspruch auf Familienkrankenpflege bestünde, keine Beiträge zahlen sollen, und daß die "Familienhilfekasse" grundsätzlich die KVdR-Last übernehmen soll. Dies soll auf zwei Wegen durchgeführt werden: Innerhalb desselben Regelungssystems soll die Zuständigkeit von der KVdR-Kasse auf die für die Familienkrankenpflege zuständige Kasse übergehen (§ 257a Abs 1 Satz 3 RVO). In systemübergreifenden Fällen soll die für die Familienhilfe zuständige Kasse die KVdR-Last anderweitig - durch Übernahme der Beitragszahlung - tragen (Art 4 § 6 KVÄndG). Diese Regelung ist ausgewogen und berücksichtigt alle dem Rechtsinstitut der KVdR eigenen Prinzipien und Zweckgedanken. Sie beseitigt eine als unsozial empfundene Härte. Es war für die betroffenen Kreise unverständlich, daß sie als Rentenantragsteller zu Krankenversicherungsbeiträgen herangezogen wurden, obwohl für sie im Wege der Familienhilfe bereits ein ausreichender Schutz im System der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden war. Ihre Beitragsbelastung war deshalb von dem mit der Ausdehnung der KVdR auf die Rentenbewerber verfolgten Zweck nicht gedeckt, für diese Personen einen lückenlosen Krankenversicherungsschutz zu schaffen. Auch der andere Zweckgedanke, durch die Beitragsbelastung ungerechtfertigte Rentenanträge (mit dem Ziel einer kostenlosen Krankenversicherung) zu verhindern (vgl hierzu BSG SozR Nr 33 zu § 381 RVO; Jantz, KVdR, Stand Januar 1970, S. K 106), war bei familienhilfeberechtigten Rentenbewerbern verfehlt. Andererseits hat der Gesetzgeber mit der umfassenden Regelung im KVÄndG auch den Grundsatz beachtet, daß die KVdR jedenfalls nicht einseitig zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden sollte, sondern von Anfang an als beitragspflichtige Versicherung konzipiert war und auf dem Prinzip der Ausgewogenheit zwischen Risikoabsicherung und Beitragsaufkommen fußt. Demgemäß ist die Freistellung der familienhilfeberechtigten Rentenbewerber bei den beiden Regelungsmodellen des KVÄndG nicht auf Kosten der für die KVdR zuständigen Kasse vorgenommen worden.

Von den beiden Regelungsmodellen des KVÄndG ist das des Art 4 § 6, das ebenfalls das Zusammentreffen von Ansprüchen aus verschiedenen Einzelsystemen zum Gegenstand hat, heranzuziehen. Eine analoge Anwendung des § 257a Abs 1 Satz 3 RVO scheidet hingegen aus, weil nach dem Gesamtplan eine Verschiebung der Kassenzuständigkeit zwischen den Einzelsystemen nicht stattfinden soll. Nach der übernommenen Regelung des Art 4 § 6 KVÄndG bleibt die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten in dem streitigen Zeitraum erhalten und diese bleibt leistungspflichtig. An Stelle der Klägerin hat die für die Familienkrankenpflege zuständige LKK die Beiträge zu entrichten. Hierüber kann in diesem Verfahren allerdings nur als Vorfrage befunden werden. Es berührt zwar das Streitverhältnis, ist aber nicht Teil des Streitgegenstandes, über den mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Beteiligten zu entscheiden ist.

Dem so gewonnenen Ergebnis steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber bei der Änderung des KVLG durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts (KVWG) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) zwar nunmehr mit der Neufassung des § 64 Abs 1 Satz 2 Nr 3 KVLG erstmals eine dem § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO entsprechende Beitragsbefreiung der Antragsteller auf Altersgeld und Landabgaberente normiert, dabei aber wiederum eine dem § 257a Abs 1 Satz 3 RVO oder dem Art 4 § 6 KVÄndG ähnliche Regelung unterlassen hat. Auch dies ist nämlich offensichtlich auf ein Versehen zurückzuführen. Wie sich aus der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung zum KVWG ergibt, sollte der neue § 64 Abs 1 KVLG der Anpassung an § 381 Abs 3 RVO dienen (BR-Drucks 771/74 S. 30). Hierzu hatte der zuständige Referent im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) auf Fragen des Bundesverbandes der Landwirtschaftlichen Krankenkassen (BLK) erklärt, daß der Begriff Anspruch auf Familienkrankenpflege nicht nur auf das jeweilige Gesetz allein beschränkt sei, sondern die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt erfasse. Eine entsprechende Klarstellung sowohl im KVLG als auch in der RVO erscheine daher nicht notwendig (vgl Rdschr BLK Nr 304/74). Dabei ist allerdings übersehen worden, daß es dem in der oa umfassenden Regelung zutage getretenen gesetzgeberischen Plan nicht entsprechen kann, in systemüberschreitenden Fällen die Beitragszahlung eines Rentenbewerbers allein aufgrund eines ohne die KVdR bestehenden Anspruchs auf Familienkrankenpflege entfallen zu lassen, ohne daß hiermit eine Beitragsverschiebung verbunden ist. Es kann allerdings hingenommen werden, daß im Regelungssystem des KVLG selbst im Verhältnis der landwirtschaftlichen Krankenkassen untereinander bei der Anwendung des § 64 Abs 1 Satz 2 Nr 3 KVLG weder eine Verschiebung der Zuständigkeit noch eine Übernahme der Beitragslast stattfindet. Dies findet nämlich schon eine naheliegende Erklärung darin, daß es bei dem aus der seßhaften landwirtschaftlichen Bevölkerung bestehenden Mitgliederkreis der KVdL nur in wenigen Ausnahmefällen vorkommen wird, daß die für den Antragsteller nach § 46 Abs 2 KVLG zuständige Kasse nicht von vornherein mit der für die Familienhilfe zuständigen Kasse identisch ist.

Nach alledem war die Klägerin nicht verpflichtet, während der Zeit, in der sie als Rentenantragstellerin Mitglied der Beklagten war, Beiträge zur KVdR zu entrichten. Die Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides können insoweit keinen Bestand haben und sind in diesem Umfang aufzuheben. Gleichzeitig ist die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ohne Rechtsgrund entrichteten Beiträge zurückzuzahlen (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats zur Erstattung von zu Unrecht geleisteten Krankenversicherungsbeiträgen vom 2. Februar 1978 - 12 RK 29/77 - S. 9 mwN). Soweit sich die Klägerin mit ihrem uneingeschränkten Antrag auf Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und des Bescheides der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auch gegen die hierin festgestellte Mitgliedschaft bei der Beklagten selbst gewandt hat, kann die Revision hiergegen aus den oben dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651807

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