Leitsatz (amtlich)

Wird ein einheitlicher mehrere Gewerbe umfassender Betrieb von einem Gewerbe geprägt, auf das sich die Eintragung in die Handwerksrolle und die Mitgliedschaft bei der Trägerinnung nicht bezieht, so ist die Zuständigkeit der Innungskrankenkasse auch dann nicht begründet, wenn die verschiedenen Gewerbe nicht in verschiedenen Abteilungen betrieben werden (Fortentwicklung von BSG 22.2.1974 3 RK 88/72 = BSGE 37, 135 = SozR 2200 § 250 Nr 1).

 

Normenkette

RVO §§ 250, 234 Abs. 1 S. 1; HwO §§ 1, 7, 58

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.05.1984; Aktenzeichen L 5 Kr 19/83)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 28.04.1983; Aktenzeichen L 5 Kr 36/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Innungskrankenkasse (IKK) oder die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2) und 3) zuständig ist.

Die Beigeladene zu 1) - ursprünglich eine Schlosserei - verkauft und richtet Großküchen ein. Sie bezieht die hierfür erforderlichen Einrichtungsgegenstände überwiegend von Fremdherstellern. Lediglich die Arbeitstische und Abzugshauben stellt sie selbst her. Außerdem nimmt sie den Einbau und die Montage vor, wartet danach die Anlagen und führt gegebenenfalls Reparaturen durch.

Die Beigeladene zu 1) ist gemäß § 7 Abs 4 Handwerksordnung (HwO) in die Handwerksrolle und zugleich als Firma in das Handelsregister eingetragen. In den Jahren 1978 und 1979 beschäftigte sie im Bereich des Handels ohne die beiden Geschäftsführer drei Angestellte, einen Arbeiter und zwei Auszubildende, im handwerklichen Bereich einen Meister, einen Gesellen und drei Lehrlinge sowie einen Kühlanlagenmonteur für den Einbau von Kühlanlagen. Ihr Umsatz betrug 1978 im Bereich des Handels ca 864.000,-- DM und im handwerklichen Bereich - Kühlung und Stahlverarbeitung - ca 591.000,-- DM. Von den Lohnsummen in Höhe von insgesamt 324.380,-- DM entfielen 90.000,-- DM auf den handwerklichen und 234.380.-- DM auf den kaufmännischen Bereich. Im Jahre 1979 lagen die Verhältnisse ähnlich. Von den sächlichen Betriebsmitteln sind 1/3 dem handwerklichen und 2/3 dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen. Seit 1978 hat sich die Hinwendung der Beigeladenen zu 1) zum Handel weiter verstärkt. 1983 wurden im Bereich des Schlosser- und Maschinenbauhandwerks nur noch ein Arbeitnehmer und ein Auszubildender, 1984 ein Meister, ein Arbeiter und ein Auszubildender beschäftigt.

Mit Schreiben vom 12. März 1979 forderte die Klägerin die Handwerksmeister ihrer Trägerinnungen, zu denen auch die Schlosser- und Maschinenbauerinnung gehört, auf, die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ab 1. April 1979 bei ihr zu versichern. Die Beklagte vertrat die Auffassung, daß sie weiterhin befugt sei, die gesetzliche Krankenversicherung für die Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1) durchzuführen.

Mit der am 12. August 1981 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, festzustellen, daß sie für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1) seit dem 1. April 1979 zuständig ist. Das Sozialgericht (SG) hat das Verfahren abgetrennt, soweit von der Entscheidung die weiteren Beigeladenen betroffen sind. Die Klägerin und die Beklagte haben sich insoweit vergleichsweise dahin geeinigt, daß die Zuständigkeit für die Durchführung der Versicherung dieser beigeladenen Arbeitnehmer entsprechend dem endgültigen Ausgang dieses Rechtsstreits geregelt wird. Durch Urteil vom 28. April 1983 hat das SG antragsgemäß die Zuständigkeit der Klägerin festgestellt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin sei für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1) zuständig. Die Bindungswirkung der Eintragung in die Handwerksrolle habe zur Folge, daß die Eintragung der Beigeladenen zu 1) und deren Innungsmitgliedschaft weder von der Beklagten noch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit überprüft werden könnten. Zwar erfasse die Tatbestandswirkung der Eintragung nicht die Frage, ob es sich bei dem Betrieb um einen selbständigen Handwerksbetrieb iS des § 250 der Reichsversicherungsordnung (RVO) handele oder nur um einen unselbständigen Teil eines Gesamtbetriebes, für den die Ortskrankenkasse zuständig sei. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Februar 1974 - 3 RK 88/72 - BSGE 37, 135 - sei im Falle eines einheitlichen Gesamtbetriebes zu prüfen, ob das handwerkliche Gewerbe als unselbständige Betriebsabteilung einem nichthandwerklichen Gesamtbetrieb eingegliedert sei oder umgekehrt. Die Zuständigkeit der Kassen richte sich nach Auffassung des BSG in solchen Fällen danach, welcher Teil dem Betrieb das Gepräge gebe. Diesem Ansatz vermöge der erkennende Senat im vorliegenden Falle nicht zu folgen. Die Beigeladene zu 1) betreibe zwar einen Mischbetrieb mit handwerklichem und kaufmännischem Bereich. Der Betrieb sei jedoch nicht in verschiedene Abteilungen gegliedert. Vorhanden seien eine einzige Betriebsstätte, eine einheitliche Betriebsleitung und auch nur eine Buchführung, wenngleich diese den Umsatz aus dem Bereich des Handels und des Handwerks durchaus getrennt ermitteln könne. Das Personal sei bei der GmbH und nicht für einzelne Betriebsabteilungen angestellt. Diese Betriebsstruktur bestehe seit der Gründung der Klägerin im Jahre 1979. Zwar müsse die Beigeladene zu 1) im Hinblick auf die in den jeweiligen Bereichen erzielten Umsätze, die Zahl der Beschäftigten, die gezahlten Lohnsummen und die Verteilung der sächlichen Betriebsmittel vornehmlich als kaufmännische Handelsgesellschaft angesehen werden. Das habe jedoch für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung, denn solange ein derartiger Betrieb nicht wenigstens in selbständige handwerkliche und kaufmännische Abteilungen gegliedert oder in Haupt- und Nebenbetrieb aufgespalten sei, bestehe kein Anlaß, von der handwerksrechtlichen Bindungswirkung abzugehen. Entsprechend den Ausführungen im Urteil des BSG vom 29. April 1971 - 3 RK 5/68 - SozR § 250 RVO Nr 10 - stehe der Mischcharakter eines Betriebes der einheitlichen Versicherung der Beschäftigten nicht entgegen. Das gelte nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur dann, wenn die Fertigung sowohl handwerkliche wie industrielle Züge aufweise, sondern ebenso, wenn handwerkliche Arbeit neben einem unselbständigen kaufmännischen Geschäftsbereich bestehe. Nur diese Auffassung entspreche der einheitlichen Eintragung der Beigeladenen zu 1) als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, dh als ein einheitlicher Gesamtbetrieb, in die Handwerksrolle. Die Beigeladene zu 1) sei nicht etwa nur - was durchaus rechtlich zulässig sei - mit ihrem handwerklichen Bereich als Nebenbetrieb eingetragen. Dem Grundgedanken der Bindungswirkung folgend müsse diese handwerksrechtliche Würdigung die entsprechenden dargestellten versicherungsrechtlichen Auswirkungen haben.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 250 Abs 1 und 2 RVO. Die angefochtene Entscheidung des LSG widerspreche dem Urteil des BSG vom 22. Februar 1974. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts komme es nicht auf das Vorhandensein selbständiger Abteilungen oder eines Haupt- und Nebenbetriebes an. Es müsse im vorliegenden Fall vielmehr festgestellt werden, daß sich die Eintragung der Beigeladenen zu 1) mit dem Schlosser- und Maschinenbauerhandwerk nicht auf den Handel mit Großküchen beziehe. Das Abstellen des LSG auf das Vorhandensein selbständiger Abteilungen oder die Aufspaltung in Haupt- und Nebenbetriebe erscheine auch nicht sachgerecht. Wenn zwar eine selbständige Abteilung vorhanden, diese aber kein selbständiger Betrieb sei, komme es auf die Beurteilung des Gesamtbetriebes an. Hierfür sei aber bei verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten maßgebend, ob der handwerkliche oder der nichthandwerkliche Bereich dem Gesamtbetrieb das Gepräge gebe. Die Auffassung des LSG hätte die Konsequenz, daß bei einem Mischbetrieb, der in die Handwerksrolle eingetragen sei, eine relativ geringe handwerkliche Betätigung dazu führen könnte, daß eine unverhältnismäßig große Anzahl nichthandwerklich Beschäftigter der IKK angehören müsse. Dies solle gerade durch die Rechtsprechung des BSG vermieden werden. Ob der Handwerksbereich in Form eines Nebenbetriebes abgegrenzt werden könne, wie in dem der BSG-Entscheidung vom 23. Februar 1973 - 3 RK 21/71 - SozR § 250 Nr 12 - zugrunde liegenden Fall, sei nicht entscheidend. Wenn schon ein Nebenbetrieb nicht zur IKK - Zuständigkeit für den Gesamtbetrieb führen könne, dürften dies erst recht nicht bloße handwerkliche Hilfsleistungen wie im vorliegenden Falle.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Mai 1984 und des Urteils des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. April 1983 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat ist richtig besetzt; denn die ehrenamtlichen Richter sind ordnungsgemäß berufen worden (vgl den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß des 1. Senats des BSG vom 26. September 1985 - 1 S 12/85 -).

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht angenommen, daß die Klägerin für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2) und 3) zuständig ist.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich aus § 55 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dabei kann dahinstehen, ob es sich im vorliegenden Streit um eine Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 2 SGG - Zuständigkeitsklage - oder um eine Klage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG - Feststellung eines Rechtsverhältnisses - handelt (BSGE 18, 190, 193; vgl zu dieser Problematik auch Meyer-Ladewig, SGG, Komm, 2. Aufl, § 55 Anm 12).

Die Beigeladenen zu 2) und 3) gehören nicht der Klägerin an, sondern sind Mitglieder der Beklagten. Nach § 250 RVO ist eine IKK und nicht die örtlich zuständige AOK (§ 234 RVO) für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Beschäftigten eines Betriebes zuständig, wenn der Inhaber des Betriebes in die Handwerksrolle eingetragen und zugleich Mitglied einer Trägerinnung der IKK ist. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben dabei nicht zu prüfen, ob die Eintragung in die Handwerksrolle zu Recht besteht. Die Entscheidung hierüber obliegt der örtlich zuständigen Handwerkskammer (§ 6 Abs 2 HwO). Diese muß darüber befinden, ob der Betrieb handwerksmäßig geführt wird (§ 1 Abs 2 HwO) und ob der Inhaber die persönlichen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt (§ 7 HwO). Hat die Handwerkskammer die handwerksrechtlichen Voraussetzungen bejaht und den Inhaber mit seinem Betrieb in die Handwerksrolle eingetragen, so ist diese Entscheidung bindend. Sie hat für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Tatbestandswirkung, dh das Gericht muß bei seiner Entscheidung von der Eintragung in die Handwerksrolle als einer Tatsache ausgehen, es sei denn, die Eintragung ist wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit nichtig (vgl hierzu BSGE 28, 111, 113; 37, 135, 136; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1985 - 8 RK 40/83 -; BVerwGE 22, 73, 76; Bay VGH, Urteil vom 17. Oktober 1984 - 22 B 82 A. 27 - DÖV 1985, 447, 448; Hagebölling, KrV 1985, S 122 ff). Das gleiche gilt für die Aufnahme in eine Trägerinnung. Haben die Innungsorgane den Inhaber des Betriebes als Innungsmitglied aufgenommen, so kann von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - abgesehen von dem Fall der Nichtigkeit des Aufnahmeakts - nicht festgestellt werden, daß die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Handwerksinnung (vgl § 58 HwO) gefehlt haben (BSGE 28, 111, 113; 37, 135, 136).

Die Tatbestandswirkung der Eintragung in die Handwerksrolle und der Mitgliedschaft in einer Trägerinnung hat indessen Grenzen. Die Frage, ob das Gewerbe, mit dem jemand in die Handwerksrolle eingetragen und in eine Trägerinnung aufgenommen worden ist, einen selbständigen Betrieb iS des § 250 RVO oder nur einen unselbständigen Teil einer größeren Einheit, nämlich eines Gesamtbetriebes, darstellt, wird von der Tatbestandswirkung nicht erfaßt (BSGE 37, 135, 136; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1985 - 8 RK 40/83 -). Beim Vorhandensein mehrerer Gewerbe kommt es entscheidend auf die Organisation der gesamten betrieblichen Tätigkeit an. Sind einzelne Gewerbe weitgehend zu Betrieben verselbständigt, so ist die Frage der Kassenzugehörigkeit der in ihnen beschäftigten Arbeitnehmer jeweils gesondert zu entscheiden (s dazu zB BSG, Urteil vom 17. Oktober 1969 - 3 RK 93/68 - SozR § 250 RVO Nr 7 - Bäckerei und Lebensmittelgeschäft -). Fehlt es dagegen an einer organisatorischen Verselbständigung der einzelnen gewerblichen Betätigungen, so liegt ein einheitlicher Gesamtbetrieb vor (sogenannter Mischbetrieb; dazu Buchholz in "Aus Sozialrechtsprechung - Verantwortung für den sozialen Rechtsstaat - Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BSG, Band 1, 217, 232). In diesem Falle muß geprüft werden, ob das handwerkliche Gewerbe oder die nichthandwerklichen Betätigungen dem Gesamtbetrieb das Gepräge geben (BSGE 37, 135, 136 f; BSG, Urteil vom 29. April 1971 - 3 RK 5/68 - SozR § 250 RVO Nr 10; Urteil vom 28. Februar 1985 - 8 RK 40/83 -; vgl dazu auch Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, § 250 RVO Anm 2.2 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 250 RVO Anm 11c). Dies zu ermitteln ist deshalb notwendig, weil die Zugehörigkeit eines Innungsmitgliedes zu einer Innung mit einem ganzen Betrieb und nicht nur mit einem untergeordneten Betriebsteil Voraussetzung dafür ist, daß die im Betrieb Beschäftigten der IKK angehören. Denn nur im Rahmen einer solchen organisatorisch zu einer besonderen Einheit zusammengefaßten Unternehmensform läßt sich der Grundsatz der versicherungsrechtlichen Einheit des Betriebes (vgl dazu BSGE 18, 190, 195) durchführen (BSG, Urteil vom 23. Februar 1973 - 3 RK 21/71 - SozR § 250 RVO Nr 12).

Das LSG will diese von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zu Unrecht auf den Fall beschränkt wissen, daß die verschiedenen Gewerbe in getrennten Abteilungen des Gesamtbetriebes organisiert sind. Ob der Charakter eines Betriebes durch die nichthandwerklichen Tätigkeiten oder durch das handwerkliche Gewerbe geprägt wird, hängt nicht entscheidend von der organisatorischen Gliederung ab. Das Vorhandensein handwerklicher und nichthandwerklicher (unselbständiger) Betriebsabteilungen mag die Bewertung des Gesamtbetriebes erleichtern, ist jedoch keine unerläßliche Voraussetzung hierfür (zur Kassenzuständigkeit für gemischtwirtschaftliche Betriebe vgl Nolte, Die Beiträge 1973, 193 ff). Das zeigt gerade der vorliegende Fall. Trotz Fehlens gesonderter Betriebsabteilungen hat das LSG den Umsatz der Beigeladenen zu 1) im Bereich des Handels und im handwerklichen Bereich, die Lohnsummen für die beiden Bereiche, die sächlichen Betriebsmittel und die ausschließlich im handwerklichen Bereich tätigen Mitarbeiter ermitteln können. Ob dann, wenn dieselben Personen teils handwerkliche, teils nichthandwerkliche Tätigkeiten in einem Gesamtbetrieb ausüben und sich deshalb nicht sagen läßt, welche Betätigung den Gesamtbetrieb prägt, die Eintragung in die Handwerksrolle möglicherweise auch für einen Mischbetrieb das entscheidende Kriterium ist (vgl dazu Geschwendtner, SozVers 1972, 68), kann hier offenbleiben.

Der erkennende Senat setzt sich mit seiner Auffassung nicht in Widerspruch zu dem Urteil des 3. Senats vom 22. Februar 1974 (BSGE 37, 135, 137). In dem schon mehrfach zitierten Urteil wird zwar im Hinblick auf den Charakter eines Gesamtbetriebes darauf abgestellt, ob das handwerkliche Gewerbe als unselbständige Betriebsabteilung einem nichthandwerklichen Gesamtbetrieb oder umgekehrt das nichthandwerkliche Gewerbe einem handwerklichen Gesamtbetrieb eingegliedert ist, der Charakter des Betriebes also durch den nichthandwerklichen oder durch den handwerklichen Betriebsteil geprägt wird. Soweit der 3. Senat in seiner Entscheidung von unselbständigen Betriebsabteilungen spricht, beruht dies auf dem Sachverhalt, über den damals entschieden worden ist. Keinesfalls sollte damit gesagt werden, daß für die Beurteilung des Charakters eines Gesamtbetriebes das Bestehen von mehreren Betriebsabteilungen erforderlich ist. Dies wird auch aus der Verwendung des Begriffes "handwerklicher Betriebsteil" deutlich (s dazu auch das Urteil des 3. Senats vom 23. Februar 1973 - 3 RK 21/71 - SozR § 250 RVO Nr 12), der - ohne Rücksicht auf die organisatorische Gliederung des Betriebes - die gesamte handwerkliche Betätigung im Betrieb bezeichnen bzw umfassen soll.

Ist demnach für die Frage, welche gewerbliche Tätigkeit den Gesamtbetrieb prägt, nicht das Vorhandensein von Betriebsabteilungen erforderlich, so kann - entgegen der Auffassung des LSG - aus der Eintragung der Beigeladenen zu 1) in die Handwerksrolle gemäß § 7 Abs 4 HwO nicht die Zuständigkeit der Klägerin für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2) und 3) hergeleitet werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird der Charakter des Betriebes der Beigeladenen zu 1) überwiegend durch den Handel mit Großküchen bestimmt. Die Herstellung der Arbeitstische und Abzugshauben für die im übrigen von Fremdherstellern bezogenen Großküchen sowie der Einbau, die Montage und Wartung, also die handwerkliche Betätigung, hat im vorliegenden Fall nur untergeordnete Bedeutung. Ein Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl BSGE 18, 190, 195). Der arbeitstechnische Zweck des Gesamtbetriebes der Beigeladenen zu 1) ist in dem Handel mit Großküchen zu sehen. Demgegenüber verfolgt die handwerkliche Betätigung nur einen untergeordneten Zweck. Sie ist Hilfstätigkeit für den Handel mit Großküchen. Ist aber der Zweck dieser handwerklichen Betätigung dem Zwecke des Gesamtbetriebes ein- oder untergeordnet, so ist dies bereits ein Indiz dafür, daß die handwerkliche Betätigung den Gesamtbetrieb nicht prägt. Dies wird bestätigt durch die weiteren Feststellungen des LSG. Danach lagen der Umsatz, die Lohnsummen, der Anteil der sächlichen Betriebsmittel und die Zahl der Arbeitnehmer im Bereich des Handels erheblich höher als im Bereich der handwerklichen Betätigungen der Beigeladenen zu 1). Diese ist daher - wie das LSG ausgeführt hat - vornehmlich als kaufmännische Handelsgesellschaft anzusehen, zumal als weiteres Kriterium der Bewertung hinzukommt, daß sie in das Handelsregister eingetragen ist (vgl dazu § 1 Abs 2 Nr 1 und § 6 Handelsgesetzbuch -HGB-). Die Tatbestandswirkung der Eintragung in die Handwerksrolle steht deshalb der Annahme der Auffangzuständigkeit der Beklagten nach § 234 Abs 1 RVO hier nicht entgegen.

Auf die Berufung der Beklagten waren demzufolge die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661402

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