Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung

 

Orientierungssatz

1. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage der Entschädigungspflicht psychischer Fehlverarbeitung von Kriegserlebnissen bei frühkindlich neurotischer Fehlentwicklung ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist bereits durch das BSG dahin entschieden worden, daß auf sie ohne Einschränkung die im Versorgungsrecht geltende Ursachenlehre von der wesentlichen Bedingung anzuwenden ist. Auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen - "Neurosen" - sind hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen, auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch versorgungsrechtlich erhebliche Tatbestände iS der §§ 1 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) verursacht sein (vgl BSG vom 20.8.1963 11 RV 808/61 = BSGE 19, 275, 277 f = SozR Nr 174 zu § 162 SGG).

2. Wird als Zulassungsgrund die Abweichung von einer Entscheidung des BSG geltend gemacht, ist darzulegen, mit welcher konkreten, mit einem bestimmten Rechtssatz höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu vereinbarenden Aussage das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist (vgl BSG vom 21.4.1978 1 BJ 12/78 = SozR 1500 § 160a Nr 29). Dazu ist ein vom Instanzgericht aufgestellter tragender Rechtssatz zu bezeichnen, der von einem ebenfalls tragenden Rechtssatz einer Entscheidung des BSG abweicht.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160 Abs 2 Nr 2, § 160a Abs 2 S 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Es fehlt an den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) normierten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch das Bundessozialgericht (BSG).

I

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Denn die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage der Entschädigungspflicht psychischer Fehlverarbeitung von Kriegserlebnissen bei frühkindlich neurotischer Fehlentwicklung ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist bereits durch das BSG dahin entschieden worden, daß auf sie ohne Einschränkung die im Versorgungsrecht geltende Ursachenlehre von der wesentlichen Bedingung anzuwenden ist. Auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen - "Neurosen" - sind hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen, auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch versorgungsrechtlich erhebliche Tatbestände iS der §§ 1 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) verursacht sein (BSGE 19, 275, 277 f = SozR Nr 174 zu § 162 SGG). Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß dieser Rechtsprechung des BSG auch nur geringfügig widersprochen worden sei (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Auch ist nicht dargetan, daß bei Zulassung der Revision notwendigerweise vom Revisionsgericht noch zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage Stellung genommen werden müßte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

II

Die Revision ist auch nicht nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zuzulassen, weil der Kläger diesen Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des BSG nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form bezeichnet hat. Er hat nicht dargelegt, mit welcher konkreten, mit einem bestimmten Rechtssatz höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu vereinbarenden Aussage das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Dazu hätte er einen vom Landessozialgericht (LSG) aufgestellten tragenden Rechtssatz bezeichnen müssen, der von einem ebenfalls tragenden Rechtssatz einer Entscheidung des BSG abwiche. Daran fehlt es jedoch der Beschwerde. Zur Darlegung einer Rechtsabweichung genügt nicht der Vorwurf, das LSG habe es unterlassen zu prüfen, ob eine schädigungsbedingte richtunggebende Verschlimmerung einer anlagebedingten Kernneurose oder ob nicht sogar eine schädigungsbedingte abnorme Erlebnisreaktion vorliege. Abgesehen davon hatte das LSG auch rechtlich keine Veranlassung zu derartigen Prüfungen. Denn es folgte in freier Beweiswürdigung ausdrücklich der medizinischen Argumentation von Prof. G., die derartige Ursachenzusammenhänge aus der Natur der Grunderkrankung von vornherein ausschloß.

III

Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel des LSG vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Es fehlt die Bezeichnung eines bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrages im Sinne dieser Vorschrift. Dabei kann der Verfahrensmangel von vornherein nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden. Der Kläger hat keinen nach § 106 SGG in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag benannt, über den das LSG hätte entscheiden müssen. Er konnte das auch nicht. Das folgt aus der Sitzungsniederschrift der letzten Verhandlung. Der Kläger war in dem gesamten Berufungsverfahren von einem Prozeßbevollmächtigten vertreten, der in allen mündlichen Verhandlungen ausweislich der Sitzungsniederschriften stets die Verfahrensanträge für den Kläger gestellt hat. Beweisanträge sind dabei nicht gestellt worden. Dem steht nicht entgegen, daß der Prozeßbevollmächtigte dem LSG auch schriftliche Stellungnahmen des Klägers vorgelegt hat, die ua die Frage einer weiteren Beweiserhebung aufgeworfen haben. Wenn der Beteiligte in der letzten mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten ist, dann müssen zu diesem Zeitpunkt abschließend alle Anträge gestellt werden, über die das Gericht entscheiden soll. Dem Umstand, daß in der letzten mündlichen Verhandlung solche Beweisanträge nicht gestellt sind, ist regelmäßig zu entnehmen, daß auch eventuell früher gestellte Anträge nicht mehr aufrechterhalten werden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12; vgl auch Beschluß des Senats vom 15. Februar 1988 - 9/9a BV 196/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Das LSG hat das dem Kläger zustehende Recht auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das gilt auch hinsichtlich der persönlichen Stellungnahmen des Klägers. Es hat diese Stellungnahmen im Tatbestand bezeichnet und als sachkundig qualifiziert. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, daß es auch diese Stellungnahmen in Erwägung gezogen hat. In seinen Entscheidungsgründen brauchte es darauf nicht im einzelnen einzugehen, weil es sich auch hinsichtlich der physischen Gesundheitsstörungen auf die Äußerung des Chirurgen Dr. H. und auf das Gutachten von Prof. G. als Beweismittel stützt.

3. Eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG liegt auch nicht darin, daß das LSG in den Entscheidungsgründen nicht mehr auf die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 BVG eingegangen ist. Diese Prüfung hatte bereits das Sozialgericht (SG) ausdrücklich vorgenommen. Das LSG durfte sich insoweit mit einer Bestätigung des angefochtenen Bescheides und einer Bezugnahme auf das Urteil des SG begnügen, weil es die grundsätzlich geltend gemachte wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) = § 62 BVG aF abgelehnt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657805

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