Leitsatz (amtlich)

Ein bei Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter Einschluß Minderjähriger bereits volljähriger Gesellschafter haftet, wenn die Gesellschaft in Vollzug gesetzt ist, für ein von dem geschäftsführenden Gesellschafter aufgenommenes Darlehen grundsätzlich auch dann in vollem Umfang nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft, wenn der Gesellschaftsvertrag wegen des Fehlens einer erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nichtig ist.

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Schlußurteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 19. Februar 1981 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt Rückzahlung eines Darlehens von 50.000 DM, das er nach seinem Vortrag zum Betrieb der Gaststätte „E.” zur Verfügung gestellt hat. Dem liegt folgendes zugrunde:

Am 3. Februar 1968 verstarb der Inhaber der Gaststätte „E.”, W. M. Er wurde von seiner Ehefrau und seinen vier Kindern, darunter die damals schon volljährige Beklagte, beerbt. Gesetzlicher Vertreter der anderen minderjährigen Geschwister war ihre Mutter, die geschiedene Ehefrau des Erblassers, die jetzt Ehefrau des Klägers ist.

Die Mutter Frau F. und die Beklagte beschlossen, die Gaststätte unter Aufnahme der noch minderjährigen Kinder fortzuführen und gründeten deshalb am 10. Mai 1968 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wobei Frau F. für die minderjährigen Kinder handelte und zur Geschäftsführerin bestimmt wurde.

Unter dem Datum vom 1. November 1972 gewährte der Kläger der durch seine Ehefrau vertretenen Gesellschaft ein Darlehen von 50.000 DM. Als alle Kinder des Erblassers im Jahre 1977 volljährig geworden waren, kam es zu einem Streit mit der Mutter. Diese schied aus der Gesellschaft aus. Die Grundstücke der Erbengemeinschaft sind inzwischen zwangsversteigert worden.

Mit Schreiben vom 2. August 1978 kündigte der Kläger das Darlehen. Er hat vorgetragen, die Darlehensvaluta sei dem Betrieb der Gaststätte zugeflossen. Die Gesellschafter seien daher zur Rückzahlung verpflichtet.

Nach rechtskräftiger Abweisung der Klage gegen die Kinder C. und C. hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. November 1972 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Betrag von 50.000 DM sei zwar in den Büchern als Darlehen geführt, der Gesellschaft tatsächlich aber nicht zugeflossen.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr gegenüber der Beklagten durch Schlußurteil stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Dem Kläger steht der ihm vom Berufungsgericht zuerkannte Anspruch aus § 607 BGB auf Rückzahlung eines Darlehens gegen die Beklagte als Mitglied der die Gaststätte „E.” betreibenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu.

1. Es kann dahinstehen, ob – wie die Revision meint – der Beitritt der damals noch minderjährigen und durch ihre Mutter vertretenen Kinder Cn. und C. zur Gesellschaft der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (§§ 1822 Nr. 3, 1643 Abs. 1, 1671 a.F. BGB) bedurft hätte. Denn selbst wenn dies anzunehmen wäre und sich daraus nach allgemeinen Vorschriften (§ 1829 in Verb. mit § 139 BGB) die Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages ergeben würde, könnte die Beklagte dies dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des der Gesellschaft gewährten Darlehens nicht mit Erfolg entgegenhalten. Denn sie hat nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Gesellschaft – zusammen mit ihrer Mutter und den minderjährigen Geschwistern – tatsächlich in Vollzug gesetzt.

Eine wegen Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages fehlerhafte Gesellschaft begründet, wenn sie tatsächlich in Vollzug gesetzt worden ist, nach ständiger Rechtsprechung sowohl im Verhältnis der Gesellschafter untereinander als auch gegenüber Dritten bis zu ihrer Beendigung durch Kündigung grundsätzlich ein rechtlich anzuerkennendes Gesellschaftsverhältnis. Es würde nämlich zu unerträglichen und mit dem richtig verstandenen Zweck der Vorschriften über die rückwirkende Kraft der Nichtigkeit von Verträgen nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen, eine nach den gesetzlichen Vorschriften zulässige, auf Dauer angelegte und verwirklichte Leistungsgemeinschaft, für die die Beteiligten Beiträge erbracht, Werte geschaffen und vor allem das Risiko gemeinschaftlich getragen haben, wegen der Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages ohne weiteres so zu behandeln, als ob sie niemals bestanden hätte (BGHZ 55, 5, 8; vgl. auch RGZ 145, 155, 158; RGZ 165, 193, 205; BGHZ 11, 190 f.; 44, 235, 236 m. Anm. Fischer LM HGB Nr. 2). Diese Grundsätze gelten für Gesellschaften des bürgerlichen Rechts ebenso wie für Handelsgesellschaften (RG DR 1943, 801; Fischer, NJW 1955, 849).

a) Zum Schutz Minderjähriger ist allerdings eine Ausnahme zu machen. Hat sich ein Minderjähriger in rechtsgeschäftlich unwirksamer Weise, wie es hier bei den Geschwistern der Beklagten in Betracht kommt, am Abschluß eines Gesellschaftsvertrages beteiligt und ist diese Gesellschaft in Vollzug gesetzt worden, so kann ein solches Gesellschaftsverhältnis nicht unter Einschluß des Minderjährigen als faktische Gesellschaft angesehen werden, weil sonst der Sinn und Zweck des mit der Vorschrift des § 1822 Nr. 3 BGB beabsichtigten Schutzes der Minderjährigen in rechtlich nicht tragbarer Weise verletzt würde (BGHZ 17, 160, 168).

b) Für die bei Gründung einer solchen Gesellschaft schon volljährigen Gesellschafter verbleibt es jedoch bei den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft; insoweit besteht kein besonderes, der rechtlichen Anerkennung des tatsächlich geschaffenen Zustandes gegenüber vorrangiges Schutzbedürfnis (RGZ 145, 153, 158; Staudinger/Keßler BGB 12. Aufl. § 705 Rdn. 111 f.; Reinhardt/Schultz Gesellschaftsrecht 2. Aufl. Rdn. 248; Maiberg Gesellschaftsrecht 4. Aufl. Rdn. 55 a.E.; Hueck OHG 4. Aufl. S. 95; MünchKomm/P.Ulmer § 705 Rdn. 216).

Die zwischen der Beklagten und ihrer Mutter begründete und in Vollzug gesetzte Gesellschaft war daher, wie das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung zu Recht ausgeführt hat, jedenfalls für diese beiden Gesellschafter – auch gegenüber Dritten – nicht von Anfang an unwirksam, sondern allenfalls mit Wirkung für die Zukunft auflösbar (BGHZ 44, 235, 236 m. Anm. Fischer LM HGB § 130 Nr. 2; BGHZ 55, 5, 8; BGH Urteile vom 13. März 1975 – II ZR 154/73 = WM 1975, 512 f. und vom 8. April 1976 – II ZR 203/74 = WM 1976, 1027, 1028). Eine solche Kündigung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

c) Da die rechtliche Anerkennung einer fehlerhaften Gesellschaft weder Ausfluß eines irgendwie gearteten Vertrauens- oder Gutglaubensschutzes einzelner oder aller Gesellschafter ist, noch auf einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung beruht, sondern sich auf die Berücksichtigung des gemeinsam geschaffenen Zustandes stützt, kommt es nicht darauf an, ob ein einzelner oder alle Gesellschafter oder – wie hier in Betracht kommt – ein Dritter den rechtlichen Mangel des Gesellschaftsvertrages kennen oder nicht.

2. Da die zwischen der Beklagten und ihrer Mutter bestehende Restgesellschaft aus den zu 1. genannten Gründen als wirksam zu behandeln ist, muß auch der vom Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus Darlehen nach den für mangelfrei errichtete Gesellschaften maßgeblichen Normen beurteilt werden (BGHZ 17, 160, 167 f.; Fischer, NJW 1955, 849, 850; Kübler Gesellschaftsrecht S. 321; Reinhardt/Schultz aaO Rdn. 240).

Als Geschäftsführerin war die Mutter der Beklagten nach § 714 BGB zur Aufnahme des Kredits berechtigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte ihrer Mutter diese Befugnis nicht wirksam entzogen.

Nach § 712 BGB kann zwar die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung durch Beschluß der Gesellschafter entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Einen solchen Beschluß hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Ebenso fehlt es schon nach dem Vortrag der Beklagten an einer wirksamen Kündigung des Rechts zur Geschäftsführung. Die von der Beklagten behauptete bloße Beschränkung dieses Rechts ist rechtlich nicht möglich (Staudinger/Keßler aaO § 712 Rdn. 2; Palandt/Thomas BGB 41. Aufl. § 712 Anm. 2). Dasselbe gilt nach § 715 BGB für eine etwaige Beschränkung der Vertretungsmacht.

Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Aufnahme des strittigen Kredits bei der Gesellschaft nur zu einer Umschuldung mit der Folge einer geringeren Zinsbelastung als vorher geführt, also nicht zu einer von der Beklagten abgelehnten weiteren Verschuldung der Gesellschaft beigetragen hat.

3. Die von der Revision geltend gemachten Verfahrensrügen hat der Senat geprüft. Sie greifen nicht durch. Von einer Begründung wird nach § 565 a ZPO abgesehen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649991

MDR 1983, 562

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