Rn. 24

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Ein GAV wirkt sich weitreichend auf das verpflichtete UN aus: Es kann kein ausschüttungsfähiger Gewinn mehr entstehen, die Gewinnverwendungskompetenz der HV und das Gewinnbezugsrecht der Aktionäre werden faktisch entwertet und Vorstand und AR dürfen Teile des Jahresüberschusses nicht mehr thesaurieren. Die Gewinnabführung erfolgt unentgeltlich; sollte ein Entgelt vereinbart sein, liegt kein GAV i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 (2. Alternative) AktG vor. Der Zweck des UN wird durch den GAV geändert, weshalb dieser als Organisationsvertrag zu qualifizieren ist (vgl. BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 29f.). Im Unterschied zum BHV darf der GAV schuldrechtlich rückwirkend abgeschlossen werden; dem steht die konstitutive Wirkung der Eintragung des Vertrags ins Handelsregister nach § 294 Abs. 2 AktG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1993, II ZR 238/91, NJW 1993, S. 1979; OLG Hamburg, Urteil vom 13.07.1990, 11 U 30/90, NJW 1990, S. 3025; Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 64; Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 23; MAH PersGesR (2019), § 26, Rn. 18; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 101)

 

Rn. 25

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Grund für den Abschluss eines GAV ist regelmäßig die Begründung eines steuerlichen Organschaftverhältnisses, das eine konzernweite, rechtseinheitsübergreifende Verrechnung von Gewinnen und Verlusten erlaubt (vgl. KonzernR (2022), § 291 AktG, Rn. 68; HB-GesR (2020/IV), § 72, Rn. 1; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 100). Üblich ist der Abschluss eines kombinierten BHV und GAV. Zulässig und für die Anerkennung der Organschaft ausreichend ist jedoch der Abschluss eines isolierten GAV. Dies ergibt sich bereits aus § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG, der ausdrücklich den BHV vom GAV unterscheidet; und auch in den §§ 316, 324 Abs. 2 AktG geht das Gesetz von einem isolierten GAV aus (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 5; § 12, Rn. 13f.; Grobecker, DStR 2002, S. 1953 (1955); HB-GesR (2020/IV), § 72, Rn. 2; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 111). Entsprechend der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG, die eine steuerrechtliche Rückwirkung nur für das GJ anerkennt, in dem der GAV wirksam wird, bezieht sich auch gesellschaftsrechtlich die Rückwirkung nur auf das laufende GJ; es ist nicht ersichtlich, warum im Gesellschaftsrecht eine weiter reichende Rückwirkung möglich sein sollte (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 10; zu den steuerlichen Aspekten auch Beck Notar-HB (2019), § 23, Rn. 543, wonach aber aus handelsrechtlicher Sicht eine Rückwirkung auch auf vergangene GJ für möglich erachtet wird, soweit die JA noch nicht festgestellt sind).

 

Rn. 26

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Der GAV erfasst den gesamten Gewinn des verpflichteten UN. Unter Gewinn ist der Bilanzgewinn zu verstehen. Das berechtigte UN hat damit Anspruch auf den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem VJ und um den Betrag, der gemäß § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist (vgl. dazu Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 17f.; HB-GesR (2020/IV), § 72, Rn. 4; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 102f.). Da mit dem GAV gemäß § 302 AktG eine Pflicht zum Verlustausgleich verbunden ist, erfasst der Vertrag im Grunde das gesamte Jahresergebnis. Daher wird der GAV häufig auch als Ergebnisabführungsvertrag (EAV) bezeichnet (vgl. AktG-GroßKomm. (2013), § 291, Rn. 142; HB-GesR (2020/IV), § 72, Rn. 1).

 

Rn. 27

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Eine Konzernleitungsmacht bzw. Weisungsrechte werden dagegen nach h. M. durch den isolierten GAV nicht begründet (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 151; Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 3); die Systematik des Gesetzes, das den GAV als besonderen Vertragstyp vorsieht, darf auch i. R.d. Privatautonomie der vertragsschließenden UN nicht ausgehebelt werden. Sollte ein GAV Weisungsrechte beinhalten, so ist vielmehr vom Vorliegen eines kombinierten BHV und GAV auszugehen (vgl. so MünchKomm. AktG (1976), § 291, Rn. 71f.).

 

Rn. 28

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Zum Mindestinhalt des GAV gehört – wie beim BHV – eine Regelung über die angemessene Ausgleichszahlung nach § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG, außer das TU hat im Zeitpunkt der Beschlussfassung seiner HV über den Vertrag keinen außenstehenden Aktionär. Fehlt diese, ist der Vertrag gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG nichtig.

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