Rn. 32

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage ist nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Nachteilsbegriff des § 311 AktG. Hinzukommen muss, dass sich die betreffende Beeinträchtigung als Abhängigkeitsfolge darstellt (heute h. M.; vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2008, II ZR 102/07, BGHZ 179, S. 71 (75); BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (88f.); KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 40; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 25; Hölters-AktG (2022), § 311, Rn. 52ff.; Vetter, ZHR 2007, S. 342 (353)).

 

Rn. 33

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Ob eine abhängigkeitsbedingte Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer nicht abhängigen Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2008, II ZR 124/06, NJW 2008, S. 1583; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 25; Habersack, ZIP 2006, S. 1327 (1330)). Die h. M. greift hier auf den Verhaltensstandard des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zurück (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2008, II ZR 102/07, BGHZ 179, S. 71 (Rn. 13); Emmerich/Habersack (2020), § 25, Rn. 15; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 40; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 25; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 44; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 89). Hätte auch ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsleiter eines unabhängigen UN die Maßnahme getroffen, so entfällt bereits auf Tatbestandsebene der Nachteil (vgl. u. a. BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (88f.); BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 89; Lutter, in: FS Peltzer (2001), S. 241 (245f.); KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 40, m. w. N.). Dabei ist maßgeblich die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierte Business Judgement Rule zu beachten (vgl. hierzu näher HdR-E, AktG § 311, Rn. 40).

 

Rn. 34

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Gegenansicht lehnt eine Verknüpfung von Nachteilsbegriff und Abhängigkeit ab. Sie möchte stattdessen auf eine Verschuldenshaftung für fehlerhafte Fremdgeschäftsführung zurückgreifen. § 317 Abs. 2 AktG wird von ihr als eine Exkulpationsmöglichkeit nach dem Vorbild der §§ 93 Abs. 2 Satz 2, 309 Abs. 2 Satz 2 AktG angesehen (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 158ff., 163ff.; Altmeppen, ZHR 2007, S. 320 (330ff.); Altmeppen, in: FS Priester (2007), S. 1 (5ff.); Altmeppen, NJW 2008, S. 1553 (1554); Wackerbarth, DK 2010, S. 261 (268ff., 338ff.)). Zwar mutet es auf den ersten Blick dogmatisch sonderbar an, einen Pflichtwidrigkeitsmaßstab zum Kausalitätserfordernis zu erheben (vgl. Zöllner, ZHR 1998, S. 235 (243)), für die h. M. spricht jedoch, dass die §§ 311ff. AktG nach ihrer inneren Teleologie nicht das allg. UN-Risiko, sondern nur das spezifische Risiko einer Abhängigkeitslage vermeiden sollen (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 25, Rn. 15; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 40; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 89; Lutter, in: FS Peltzer (2001), S. 241 (248); Fleischer, NZG 2008, S. 371 (372)). Geschäftsrisiken, denen sich ein rechtlich unabhängiges UN in gleicher Weise ausgesetzt sieht, können von den Minderheitsaktionären und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft nicht auf das herrschende UN abgewälzt werden. Es ist daher bereits bei der Frage, ob ein Nachteil i. S. d. § 311 AktG vorliegt, eine Bewertung des Verhaltens des herrschenden UN vorzunehmen. Die Beweislast für das Vorliegen einer abhängigkeitsbedingten Beeinträchtigung ist, wie auch i. R.d. § 317 Abs. 2 AktG, dem herrschenden UN aufzuerlegen (vgl. HdKf (1998), § 29, Rn. 12; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 40).

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