a) Begriff, wirtschaftliche Bedeutung und aufsichtsrechtliche Einordnung

 

Rn. 5

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Ursprünglich entstammt der Leasingbegriff dem englischen "to lease", das wörtlich mit "mieten" respektive "pachten" zu übersetzen ist (vgl. Jürgens (1988), S. 1; Maus (1996), Rn. 1). Obwohl alle Leasingverhältnisse dadurch gekennzeichnet sind, dass es sich "um eine entgeltliche Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern handelt" (BFH, Urteil vom 26.01.1970, IV R 144/66, BStBl. II 1970, S. 266; vgl. auch Figge (2000), S. 160), bereitet die Ableitung einer präzisen Definition des Begriffs "Leasing" im deutschen Sprachgebrauch einige Schwierigkeiten (vgl. Bieg, StB 1997, S. 425; Coenenberg/Haller/Schultze (2021) S. 87). Einerseits mangelt es dem Leasingverhältnis – im Gegensatz zu Miet- und Pachtverhältnissen – an einer Legaldefinition (vgl. Brakensiek (2001), S. 172; Kussmaul (1987), S. 182; Maus (1996), Rn. 2), andererseits reicht die Bandbreite der in der Praxis unter dem Begriff "Leasing" vorzufindenden Vertragsgestaltungen von reinen Mietverhältnissen bis in die Nähe von Ratenkaufverträgen (vgl. HB-RP (1995), Teil I, Rn. 767; Glaubig (1993), S. 10; Helmschrott (1997), S. 1f.; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 58; Küting/Hellen/Brakensiek, DStR 1998, S. 1465; zu den einzelnen Arten von Leasingverhältnissen auch HdR-E, Kap. 6, Rn. 8ff.). Es überrascht daher nicht, dass sich in der Literatur eine Vielzahl verschiedener Begriffsbestimmungen findet (vgl. Büschgen (1998), Rn. 1, m. w. N.). Der BGH nimmt indes in seiner laufenden Rspr. durch die Qualifizierung des Leasingverhältnisses als atypisches Mietverhältnis einen eindeutigen Standpunkt ein (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1975, VIII ZR 81/74, DB 1975, S. 2366; BGH, Urteil vom 23.02.1977, VIII ZR 124/75, DB 1977, S. 813; BGH, Urteil vom 23.02.1977, VIII ZR 312/75, DB 1977, S. 1136 (1137); BGH, Urteil vom 09.03.1977, VIII ZR 192/75, DB 1977, S. 815; BGH, Urteil vom 05.04.1978, VIII ZR 42/77, BB 1978, S. 682; BGH, Urteil vom 16.09.1981, VIII ZR 265/80, DB 1982, S. 40; BGH, Urteil vom 28.10.1981, VIII ZR 302/80, DB 1982, S. 480; BGH, Urteil vom 02.12.1981, VIII ZR 273/80, DB 1982, S. 482; BGH, Urteil vom 29.11.1989, VIII ZR 323/88, DB 1990, S. 270 (271); BGH, Urteil vom 28.03.1990, VIII ZR 17/89, DB 1990, S. 1228; BGH, Urteil vom 10.07.1996, VIII ZR 282/95, BB 1996, S. 1794).

Allg. formuliert handelt es sich bei Leasingverhältnissen um "besonders ausgestaltete Nutzungsüberlassungsverhältnisse, die sich an die Ausgestaltung von Miet- oder Pachtverträgen anlehnen, aber je nach Vertragstyp in wesentlichen Punkten von diesen abweichen" (HdJ, Abt. I/8 (2020), Rn. 1). Wie bei Miet- oder Pachtverträgen handelt es sich auch bei Leasingverträgen um Dauerschuldverhältnisse (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1987, VIII ZR 226/86, DB 1987, S. 2451), bei denen das rechtliche Eigentum am Vertragsgegenstand stets bei dem zur Sachleistung Verpflichteten verbleibt (hier: dem Leasinggeber).

 

Rn. 6

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Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive stellen Leasingverhältnisse für den Leasingnehmer eine Alternative zur Finanzierung von Investitionsprojekten dar. Im Vergleich zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten nennen Küting/Figge, BuW 1999, S. 361ff., insbesondere folgende Vorteile des Leasings (vgl. ähnlich HdJ, Abt. I/8 (2020), Rn. 27ff.):

  • „Bereitstellung einer 100 %-igen Finanzierung des Leasingobjekts durch den Leasinggeber, ohne Eigenkapital binden oder die Kreditlinien belasten zu müssen;
  • Flexibilität beim Einsatz von Gütern, die einem schnellen technischen Veralterungsprozess unterliegen, somit ein effizientes Asset Management bei gleichzeitiger Sicherung der erforderlichen Kapazitäten;
  • Anpassung des Leasing-Ratenverlaufs an den erwarteten Nutzenverlauf aus den geleasten Kapazitäten unter Liquiditäts- und Erfolgsaspekten (pay-as-you-earn);
  • Verwaltungskostensenkungen durch Übernahme von administrativen Aufgaben durch den Leasing-Geber;
  • Partizipation an der Stellung des Partners (z. B. günstigere Einkaufskonditionen);
  • Versorgung mit Beratungs-, Wartungs- oder sonstigen Dienstleistungen bei ausgeprägtem Kunden-, Branchen- und Objekt-Know-how;
  • steuerliche Vorteile;
  • Off-balance-sheet-Effekte/Bilanzneutralität.”

Zunehmende Bedeutung messen Leasingnehmer auch der Möglichkeit bei, das Leasingobjekt am Ende der Vertragslaufzeit dem Leasinggeber zurückgeben zu können (vgl. KANTAR/BDL (2020), S. 29).

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht rückt der Beitrag des Leasings zu nachhaltigem, ressourcenschonendem Wirtschaften in den Blickpunkt. Durch innovative Vertragsmodelle werden etwa im Bereich der Sharing Economy oder bei zirkulären Nutzungskonzepten große Potenziale gesehen (vgl. Hartmann-Wendels, FLF 2020, S. 217).

 

Rn. 7

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Wegen seines erheblichen volkswirtschaftlichen Bedeutungszuwachses und aufgrund seiner zentralen Funktion bei der Finanzierung der deutschen Industrie und insbesondere des Mittelstands wurde das Finanzierungsleasing vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 25.12.2008 als Finanzdienstleistung dem Erlaubn...

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