Leitsatz (amtlich)

Fällt der Leasingnehmer eines Finanzierungs-Leasingvertrages mit Kaufoption während der Grundmietzeit und ohne daß die Option ausgeübt worden ist, in Konkurs, so muß der Konkursverwalter den Vertrag nach § 19 KO kündigen, wenn er ihn nicht weiter erfüllen will. § 17 KO ist nicht anzuwenden.

 

Verfahrensgang

OLG Bremen (Entscheidung vom 10.01.1977)

LG Bremen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 10. Januar 1977 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin schloß am 13. November 1972 mit der Firma T. zwei als "Mietverträge" bezeichnete, von ihr aufgestellte Formularverträge. Danach überließ sie der Firma T. zu deren Gebrauch zwei Zugmaschinen auf die Dauer von 42 Monaten gegen monatliche Zahlung von je 2.616,99 DM (2,88 % des mit 81.863,01 DM errechneten Mietwertes zuzüglich Mehrwertsteuer). Eine Haftpflicht- und Kaskoversicherung hatte nach §§ 1 und 5 der Verträge der Mieter abzuschließen, der nach § 6 auch die Gefahr für zufälligen Untergang oder für Beschädigung und Verlust der Sache zu tragen und sie ordnungsmäßig instandzuhalten hatte. Die Klägerin leistete Gewähr nur durch Abtretung aller ihr gegen den Hersteller bzw. Lieferanten der Sache zustehenden Gewährleistungsansprüche an den Mieter (§ 6 Abs. 3). Dieser mußte während der Benutzungszeit auch alle Steuern und sonstigen Kosten tragen (§ 12). § 13 beschränkt die Möglichkeit vorzeitiger Vertragsbeendigung auf die Kündigung aus wichtigem Grunde. In § 14 heißt es sodann:

Rechte des Mieters nach Vertragsende

1)

Kaufoption

Der Mieter hat das Recht, nach Ablauf der Mietzeit, das gemietete Objekt von der Vermieterin zu kaufen. Der Kaufpreis beträgt DM 8.186,30 zuzüglich Mehrwertsteuer oder der niedrigere gemeine Wert.

2)

Verlängerungsoption

Der Mieter hat das Recht, nach Ablauf der Mietzeit, den Mietvertrag um ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Verlängerungsmiete für das Anschluß-Mietjahr beträgt DM 4.093,15 zuzüglich Mehrwertsteuer.

3)

Kauf nach Verlängerung

Der Mieter hat das Recht, nach Ablauf der Verlängerungsmietzeit das gemietete Objekt von der Vermieterin zu kaufen. Der Kaufpreis beträgt DM 6.139,73 zuzüglich Mehrwertsteuer oder der niedrigere gemeine Wert.

4)

Macht der Mieter von den vorgenannten Rechten keinen Gebrauch, so ist er verpflichtet den Mietgegenstand unverzüglich und auf seine Kosten an die Henschel-Finanz zurückzugeben.

Ein Recht zur Zurückbehaltung des Mietgegenstandes steht dem Mieter nicht zu.

Nachdem die Zugmaschinen übergeben waren, trat im Jahre 1973 die Firma Friedrich B. - die spätere Gemeinschuldnerin - in die Verträge ein und bezahlte ab Juli 1973 die monatlichen Raten an die Klägerin. Am 16. Oktober 1974 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma Friedrich B. eröffnet. Der zum Konkursverwalter bestellte Beklagte schrieb unter dem 30. Oktober 1974 an mehrere Adressaten, darunter auch an die Klägerin:

Betr.: Mit Ihnen abgeschlossene Leasing- bzw. Mietverträge

...

Hiermit teile ich Ihnen mit, daß ich die Erfüllung der zwischen Ihnen und der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Verträge gemäß § 17 ff KO ablehne.

Soweit es sich um Mietverträge handelt, kündige ich gemäß § 19 KO das Mietverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsfrist zu dem nächstzulässigen Termin.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage auf die zwei Zugmaschinen entfallende Mietzinsraten für die Zeit vom 16. Oktober bis 3. November 1974 in Höhe von 3.314,86 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 4. November 1974 geltend gemacht. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Rate für Oktober 1974 als bereits gezahlt angesehen und der Klägerin unter Abweisung der weitergehenden Klage deshalb nur 523, 38 DM nebst anteiligen Zinsen zugesprochen.

Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht die beiden Verträge vom 13. November 1972 als nach § 19 KO gekündigt angesehen und den Beklagten gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zur Zahlung des bis zum Wirksamwerden der Kündigung am 4. November 1974 (§ 565 Abs. 4 Nr. 2 BGB) offenen und in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Mietzinses in Höhe von 523,38 DM verurteilt.

1.

§ 19 KO setzt ein bei Konkurseröffnung bestehendes Miet- oder Pachtverhältnis voraus. Diesem Erfordernis genügt ein Vertrag nicht schon deshalb, weil die Vertragschließenden ihn als "Mietvertrag" bezeichnet haben. Vielmehr muß er sich nach dem objektiven Inhalt seiner gesamten Bestimmungen als Mietvertrag einordnen lassen (Mentzel/Kuhn, KO 8. Auflage § 19 Anm. 2 mit Rspr.-Nachweisen). Nicht erforderlich ist andererseits, daß es sich um einen Vertrag handelt, der den §§ 535 ff BGB in allem entspricht. Sinn und Zweck des § 19 KO ist es, im Interesse aller Konkursgläubiger zu vermeiden, daß die Konkursmasse durch das Fortbestehen eines Dauerrechtsverhältnisses belastet wird, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten oder sie angemessen nutzen zu können (BGHZ 39, 35, 37). Dies rechtfertigt es, § 19 KO nicht nur auf reine Mietverträge anzuwenden, sondern unter Umständen auch auf Verträge eigener Art oder auf solche, die Elemente mehrerer Vertragstypen enthalten (insoweit grundsätzlich allgemeine Meinung, vgl. Mentzel/Kuhn, KO 8. Aufl. § 19 Anm. 1-3 mit Hinweis auf verschiedenartige, in der Judikatur als Mietverträge behandelte Vereinbarungen, z.B. den einem patentrechtlichen, nicht ausschließlichen Lizenzvertrag ähnlichen Filmverwertungsvertrag - RGZ 134, 91 ff - oder den Vertrag eines Kunden mit einer Bank über die Überlassung eines Stahlkammerfaches - RGZ 141, 99 ff).

Die Abgrenzung zu den nach § 17 KO zu behandelnden Fällen der Erfüllungsverweigerung bei zweiseitigen Verträgen kann sich deshalb nicht danach vollziehen, ob ein Vertrag in allen Bestimmungen einem Mietvertrag entspricht. Entscheidend muß sein, ob das Schwergewicht des Vertrages nach dem in der Formulierung zum Ausdruck gebrachten Willen der Vertragschließenden in der für Mietverträge wesentlichen Gestaltung - in erster Linie der zeitlich begrenzten Gebrauchsüberlassung - liegt oder - im Falle des hier sonst in Betracht kommenden Kaufs - eine Veräußerung bezweckt, so daß die bloße Gebrauchsüberlassung nicht dem wirklichen Willen der Vertragschließenden entspricht.

2.

Die Entscheidung hängt also davon ab, ob das Schwergewicht der Verträge vom 13. November 1972 im mietrechtlichen oder kaufrechtlichen Bereich zu suchen ist.

a)

In Schrifttum und Rechtsprechung ist diese Einordnung umstritten.

aa)

Schon die Bezeichnung derartiger, eine Kaufoption des Benutzers der zum Gebrauch überlassenen Sache enthaltenden Verträge ist nicht einheitlich. Werden sie teilweise als Finanzierungs-Leasingverträge angesehen (so z.B. wohl von Flume, Betrieb 1972, 1 ff), sollen sie nach anderer Auffassung keine "echten" Leasingverträge sein, sondern davon zu unterscheidende Mietkaufverträge (so z.B. Mosel, NJW 1974, 1454 m.w.N.). Für die sachliche Entscheidung ist dieser Streit unfruchtbar, weil der Begriff des "Leasing" nicht klar definiert ist und die Bezeichnung als Leasing- oder Mietkaufvertrag allenfalls eine Folge der sachlichen Einordnung, nicht aber deren Voraussetzung sein könnte. Jedenfalls in einem weiteren Sinne können die hier vorliegenden Verträge auch als Leasingverträge bezeichnet werden.

bb)

Soweit im Schrifttum Leasingverträge generell als Kaufverträge angesehen werden (vgl. Plate, BB 1970, 601, 605) - was zwangsläufig § 19 KO ausschließen müßte - kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Qualifizierung geht daran vorbei, daß jedenfalls beim Finanzierungsleasing ohne Kaufoption und mit einer Grundmietzeit, in der das Wirtschaftsgut nicht völlig verbraucht oder wertlos wird, die für das Mietrecht wesensbestimmende Gebrauchsgewährung so im Vordergrund steht, daß eine Behandlung nach Kaufrechtsnormen sachwidrig und willkürlich wäre. Dementsprechend hat der erkennende Senat Fälle dieser Art auch bisher schon nach Mietvorschriften behandelt, insbesondere wenn die Parteien ihren dahingehenden Willen durch entsprechende Vertragsformulierungen zum Ausdruck gebracht hatten (Senatsurteile vom 8. Oktober 1975 - VIII ZR 81/74 = LM BGB § 537 Nr. 21 = NJW 1977, 195 = BB 1976, 157 = WM 1975, 1203 und vom 23. Februar 1977 = BGHZ 68, 118, 123).

cc)

Überwiegend wird der starke mietrechtliche Einschlag der Leasingverträge hervorgehoben und daraus - vorbehaltlich besonderer Fallgestaltungen - auf den mietrechtlichen oder mietrechtsähnlichen Charakter der Gesamtvereinbarung oder aber auf einen Vertrag eigener Art geschlossen (im letzteren Sinne z.B. Mezger in BGB-RGRK, 12. Aufl. Rdn. 24 vor § 433; Larenz, Schuldrecht Bd. II 10. Aufl. § 63 III, der § 19 KO entsprechend anwenden will; ähnlich Stoppok in: Hagenmüller, Leasing-Handbuch, 3. Aufl. S. 291 ff, der aber - a.a.O. S. 298 - im Konkursfalle nicht § 19, sondern § 17 KO für zutreffend hält; für mietrechtliche Einordnung u.a. Meilicke, BB 1964, 691 ff, Flume, Betrieb 1972, 1 ff und 53 ff, Palandt/Putzo, BGB, 37. Aufl. Vorbem. 4 b vor § 535; ausdrücklich für die Anwendung von § 19 KO auf Leasingverträge auch Mentzel/Kuhn a.a.O. § 19 Anm. 3).

In Einzelheiten unterschiedlich beantworten diese Autoren die Frage, wie (die hier vorliegenden) Leasingverträge mit Kaufoption für den Leasingnehmer zu behandeln sind. Mezger (a.a.O.) sieht sie als Kauf an, wenn die Zahlungen nach dem Willen der Parteien von vornherein Raten auf den Erwerb der Sache sein sollten. Meilicke (a.a.O. zu IV) will einen Kauf anscheinend nur dann annehmen, wenn die Parteien den Eigentumsübergang auf den Leasingnehmer von vornherein fest vereinbart haben. Nach Flume (a.a.O. S. 5) bleibt es auch im Falle einer vereinbarten Kaufoption grundsätzlich beim Mietvertrag; erst wenn die Option ausgeübt wird, soll sich daran ein selbständiger Kauf anschließen; von vornherein um einen Kauf soll es sich aber handeln, wenn sich die Zahlungen des Leasingnehmers vor Ausübung der Option nicht nur als Entgelt für die Zeit der Gebrauchsüberlassung, sondern als Vorauszahlung auf den Kaufpreis darstellen.

In der Rechtsprechung ist die Frage nach der Rechtsnatur der Leasingverträge bisher nicht abschließend beantwortet. Schon das Reichsgericht hatte allerdings in einem den heutigen Leasingverträgen ähnlichen Fall, in dem eine elektrische Anlage vermietet war und das Eigentum nach dem Ende der Mietzeit auf den Mieter übergehen sollte, den Vertrag als Mietvertrag behandelt und § 19 KO angewandt (RG JW 1906, 436 f mit ablehnender Besprechung von Suppes, ZBlFG 7, 879; a.A. als das RG auch Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. Bd. I § 19 Anm. 3). Auch der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen Leasingverträge als Mietverträge behandelt, und zwar auch dann, wenn dem Leasingnehmer ein Erwerbsrecht bei Vertragsende eingeräumt war (BGHZ 62, 42, 45; Senatsurteil vom 9. März 1977 - VIII ZR 192/75 = NJW 1977, 1058 = WM 1977, 473).

b)

Hieran ist für den vorliegenden Fall festzuhalten. Trotz der dem Leasingnehmer eingeräumten Kaufoption und der weiteren vertraglichen Regelungen liegt das Schwergewicht des Vertrages nicht im kaufrechtlichen, sondern im mietrechtlichen Bereich.

aa)

Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist in erster Linie die Art der vom Leasinggeber erbrachten oder zu erbringenden Leistung, vom Gesetz für den Kauf als Sach-(Eigentums-)Verschaffung, für die Miete als zeitlich begrenzte Gebrauchsgewährung vorgesehen (§ 433 Abs. 1 Satz 1, § 535 Satz 1 BGB).

bb)

Ohne die Kaufoption erschöpfte sich der hier fragliche Vertragsinhalt in einer zeitlich begrenzten Gebrauchsgewährung. Offensichtlich sind die Vertragschließenden von einer die Mietzeit nicht unerheblich überdauernden Gebrauchstauglichkeit der Zugmaschinen ausgegangen, so daß sich das besondere Problem einer "Vermietung" für die Dauer der gesamten Nutzungsmöglichkeit hier nicht stellt. Die Abwälzung der Gefahrtragung und der Sachunterhaltung auf den Leasingnehmer steht der Annahme eines Mietvertrages nicht entgegen. Sie ist in diesem Umfang für Mietverhältnisse zwar nicht typisch, dem Mietrecht aber auch nicht fremd. Positiv auf einen Mietvertrag weist das besonders betonte Verbot eigener Verfügungen des Mieters über die Sache (§ 8 des Vertrages) und die ausführliche, in § 13 enthaltene Regelung der Kündigung aus wichtigem Grunde hin.

An dieser Qualifizierung ändert sich nichts Wesentliches durch die in § 14 der Verträge vereinbarte Kaufoption zu dem nur in der Obergrenze bereits festgelegten Kaufpreis von 10 % des Gesamtmietwertes. Da sich Kauf und Miete in ihrer Grundregelung nur durch die für den Kauf notwendige Eigentumsverschaffungspflicht unterscheiden, kann die bloße Befugnis, in Zukunft ein Kaufrecht ausüben zu können, einer schon vereinbarten Eigentumsverschaffung nicht gleichgesetzt werden. Denn diese Befugnis ändert (noch) nichts an dem durch Gebrauchsüberlassung gekennzeichneten bestehenden Rechtszustand.

cc)

Die bisherige, oben zitierte Rechtsprechung des Senats steht dieser Lösung nicht entgegen. Für die Behandlung als Umgehungsgeschäft (§ 6 AbzG) hat es der Senat entscheidend darauf abgestellt, ob sich der Leasingnehmer in dem Vertrag das Recht auf späteren Erwerb hat sichern lassen. Nur weil die Verträge auch in solchen Fällen als Mietverträge angesehen wurden, konnten sie Umgehungsgeschäfte nach § 6 AbzG sein. Wären sie Kaufverträge, müßten sie als Abzahlungskauf nach § 1 AbzG beurteilt werden.

Für dieses Ergebnis sprechen im übrigen auch Gründe der Übersichtlichkeit und damit der Rechtssicherheit. Haben Vertragspartner einen Leasingvertrag der hier verwendeten üblichen Art mit Kaufoption abgeschlossen, so würde es gerade im Konkursfall erhebliche, erst durch einen Prozeß zu beseitigende Unsicherheiten mit sich bringen, wenn sich die Einordnung als Miet- oder Kaufvertrag etwa danach richtete, ob - wie in der Literatur teilweise vertreten wird - die Mietzinsraten einen Teil des Kaufpreises mit abgedeckt haben oder ob ggf. die Vertragschließenden den Übergang der Mietsache auf den Mieter von Anfang an geplant hatten.

Ob es andererseits Fälle gibt, in denen aufgrund besonderer Gestaltung trotz dem von den Vertragschließenden gewollten Mietvertrag ein Kaufvertrag anzunehmen wäre, kann dahingestellt bleiben, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

3.

Sind die Verträge vom 13. November 1972 danach als Mietverträge anzusehen, bedurften sie nach § 19 KO der Kündigung, die der Beklagte am 30. Oktober 1974 mit Wirkung zum 4. November 1974 ausgesprochen hat. Das Berufungsgericht hat ihn deshalb mit Recht nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zur Zahlung der noch rückständigen Mietbeträge in der unstreitigen Höhe von 523,38 DM verurteilt.

Demgemäß war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018736

BGHZ, 189

NJW 1978, 1383

JZ 1978, 808

JZ 1978, 808-809

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