Rn. 64

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Rechtsfolgen der qualifiziert faktischen Konzernierung bestimmen sich nach dem Recht des Vertragskonzerns (vgl. HdR-E, Einf AktG §§ 311–318, Rn. 51). In Analogie zu § 302 AktG ist das herrschende UN verpflichtet, den gesamten bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (vgl. so die für die GmbH überholte, für die AG aber weiterhin verwertbare Rspr. zum GmbH-Konzern: BGH, Urteil vom 16.09.1985, II ZR 275/84, BGHZ 95, S. 330; BGH, Urteil vom 25.11.1996, II ZR 352/95, DStR 1997, S. 339; BAG, Urteil vom 01.08.1995, 9 AZR 378/94, AG 1996, S. 222; BSG, Urteil vom 27.09.1994, 10 Rar 1/92, ZIP 1994, S. 1944; fernerhin Decher, DB 1990, S. 2005 (2008); Hoffmann-Becking (1989), S. 68; Kropff, AG 1993, S. 485; Priester, in: FS Semler (1993), S. 561 (579); HB-GesR (2020/IV), § 70, Rn. 147ff.; Raiser/Veil (2015), § 61, Rn. 62; Emmerich/Habersack (2020), § 28, Rn. 21; a. A. MünchKomm. AktG (2020), Anhang zu § 317, Rn. 14ff.; Hüffer-AktG (2022), § 1, Rn. 29; KK-AktG (2004), Anhang zu § 318, Rn. 63ff., sich jeweils für eine Lösung über allg. Grundsätze bzw. die für die GmbH entwickelte Existenzvernichtungshaftung einsetzend). Die Sanktion ist die Konsequenz der Unterordnung des TU unter die eigenen wirtschaftlichen Ziele des MU. Aus ihr folgt die Einstandspflicht für die unternehmerischen Risiken der abhängigen Gesellschaft. Einer Differenzierung zwischen Verlustanteilen, die auf nachteilige Einflussnahmen des MU zurückzuführen sind, und sonstigen nicht konzernbedingten Verlusten bedarf es nicht. Der Anspruch kann nicht von den außenstehenden Aktionären bzw. Gläubigern, sondern nur von der abhängigen Gesellschaft geltend gemacht werden (Innenhaftung). Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die Kommentarliteratur zu § 302 AktG verwiesen werden. Besonderheiten infolge der eigenständigen tatbestandlichen Voraussetzungen existieren nicht.

 

Rn. 65

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Verlustausgleichspflicht endet erst, wenn nicht nur die qualifizierte Einwirkung auf die abhängige Gesellschaft eingestellt wurde, sondern auch keine messbaren Nachwirkungen früherer Einflüsse mehr festzustellen sind (vgl. zeitlich enger Zöllner, in: GS Knobbe-Keuk (1997), S. 369 (378f.)). Die Dauer der Ausgleichsverpflichtung wird von der Intensität der Einflussnahme abhängen. Ist die abhängige Gesellschaft als dienende Gesellschaft geführt worden, die vom Markt abgeschnitten ist und keine selbständige Gewinnerzielung anstrebt (vgl. zu dieser Kategorie der "subservient company" Muscat (1996), S. 65, sowie Fleischer, AG 1999, S. 350 (362)), wird sie sich nach Aufhebung der qualifizierten Einwirkung am Markt erst wieder ihre Eigenständigkeit erarbeitet haben müssen, bevor das MU seine Verantwortlichkeit für sie verliert. Ist die qualifizierte Abhängigkeit ausnahmsweise durch eine Einzelmaßnahme begründet worden (vgl. dazu HdR-E, Einf AktG §§ 311–318, Rn. 57), kann sich die Ausgleichspflicht aus § 302 AktG auch in einer einmaligen Verlustübernahme erschöpfen.

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