Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfallhaftung im qualifiziert faktischen Konzern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der alleinige Kommanditist und alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft ist Unternehmer im konzernrechtlichen Sinne, wenn er sich auch anderweitig unternehmerisch betätigt (Fortführung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 8. März 1994 – 9 AZR 197/92 – AP Nr. 6 zu § 303 AktG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Der eine Kommanditgesellschaft beherrschende Unternehmensgesellschafter kann von den Arbeitnehmern der Kommanditgesellschaft nach den Grundsätzen der Ausfallhaftung im faktischen Konzern auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch genommen werden. Dies trifft zu, wenn die Auskunfts- und Abrechnungsansprüche die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen im Rahmen einer Stufenklage vorbereiten.

3. Die persönliche Haftung des beherrschenden Unternehmensgesellschafters setzt voraus, daß er die Konzernleitungsmacht ohne Rücksicht auf die abhängige Gesellschaft ausgeübt hat und die zugefügten Nachteile sich nicht kompensieren ließen (im Anschluß an BGH Urteil vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB” AP Nr. 2 zu § 303 AktG).

 

Normenkette

AktG §§ 17-18, 302-303; HGB §§ 128, 161

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 22.11.1993; Aktenzeichen 4 Sa 78/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 29.10.1991; Aktenzeichen 25 b Ca 173/90)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. November 1993 – 4 Sa 78/91 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Unternehmensgesellschafter verpflichtet ist, nach den Grundsätzen der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern arbeitsrechtliche Ansprüche des Klägers zu erfüllen.

Der Kläger war von dem Beklagten mit Wirkung vom 15. September 1985 als Generalbevollmächtigter für die U. H. GmbH & Co. KG (im folgenden: H. KG) angestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte alleiniger Kommanditist der H. KG und alleiniger Gesellschafter der persönlich haftenden Schiffahrtsgesellschaft H. mbH. Weiterhin war er alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen nach § 181 BGB entbundener Geschäftsführer. Zum 17. September 1987 wurde der weitere Geschäftsführer K. abberufen. Seitdem war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin. Gegenstand der H. KG war die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens. Aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages führte die H. KG die Immobilien- und Beteiligungsverwaltung des Beklagten, der seit mehr als 20 Jahren Grundstücke und Beteiligungen an sanierungsbedürftigen Unternehmen erwirbt und in der Regel nach erfolgreicher Sanierung weiterveräußert. Neben verschiedenen Minderheitsbeteiligungen befanden sich im Allein- oder Mehrheitsbesitz des Beklagten die Holding der A.-Gruppe, die A. GmbH & Co. KG, einschließlich ihrer Tochtergesellschaften sowie die weiteren im klägerischen Antrag aufgeführten Gesellschaften. Nach § 1 des Dienstvertrages sollte die Haupttätigkeit des Klägers in der verantwortlichen kaufmännischen Führung und Überwachung der einzelnen Unternehmen der H. Gruppe, insbesondere der Bereiche Betriebswirtschaft, Finanzen, Personal- und Sozialwesen, Einkauf, Vertrieb Inland und Export, einschließlich der Abstimmung und Durchführung aller erforderlichen Maßnahmen, sowie des gesamten Immobilienbereichs bestehen. Der Kläger sollte dabei gegenüber den übrigen Geschäftsführern weisungsberechtigt und ausschließlich gegenüber dem Beklagten verantwortlich und an dessen persönliche Weisungen gebunden sein. Als Vergütung war für die Probezeit bis zum 15. März 1986 ein Monatsgehalt von 5.000,– DM brutto vereinbart. Für die Zeit danach sollte unter Reduktion der Festbezüge auf 140.000,– DM brutto jährlich eine erfolgsabhängige Ergebnisbeteiligung gezahlt werden. Für die Ergebnisbeteiligung galt folgende Regelung:

„Darüber hinaus erhält der Generalbevollmächtigte eine Ergebnisbeteiligung in Höhe von 3 % der gesamten Ergebnisverbesserung der Unternehmen der H.-Gruppe ab 1.1.1986. Die Berechnungsbasis ist jeweils das steuerliche Ergebnis vor Abzug der abzugsfähigen Betriebssteuern und der Ergebnisbeteiligung selbst. Sonderabschreibungen und sonstige steuerliche Sonderaufwendungen sowie Verlustvorträge aus der Zeit vor Beginn des Dienstvertrages oder vor dem Erwerb eines neuen Unternehmens mindern das tantiemepflichtige Jahresergebnis nicht.”

Der Umfang und die Bedeutung der vom Kläger tatsächlich durchgeführten Aufgaben ist umstritten. Nach Behauptung des Beklagten soll die Konstituierung der H.-Gruppe nicht stattgefunden haben, abweichend vom Dienstvertrag sei der Kläger auch nicht mit unternehmenspolitischen Entscheidungen oder Verkaufsverhandlungen, sondern lediglich mit dem Schriftverkehr beauftragt worden. Alle außerhalb des üblichen Rahmens liegenden Handlungen seien dem Beklagten vorbehalten geblieben.

Die Kommanditeinlage des Beklagten betrug 250.000,– DM. Im Jahr 1986 ist von den zehn Mitarbeitern aufgrund der vom Beklagten für die Geschäftsbesorgung gezahlten Pauschalvergütung ein Gewinn von 633,– DM erwirtschaftet worden. Im Geschäftsjahr 1987 ist ein Verlust von 175.625,12 DM entstanden. Der Verlust beruhte im wesentlichen darauf, daß auf Veranlassung des Beklagten der B. GmbH & Co. ein ungesichertes Darlehn über 400.000,– DM zu einem Zinssatz von 8 % gewährt worden war und das Darlehn wegen Vermögensverfall nicht zurückgezahlt worden ist. Der Beklagte war als stiller Gesellschafter an der B. GmbH & Co. mit 400.000,– DM beteiligt. Außerdem war der Beklagte Eigentümer des an die B. GmbH & Co. verpachteten Betriebsgrundstücks, für das ein erheblicher Rückstand an Pachtzinsen aufgelaufen war. Im Hinblick auf die verschlechterte wirtschaftliche Lage kündigte die H. KG die Arbeitsverhältnisse von fünf Mitarbeitern, darunter auch dem Kläger am 7. März 1988 zum 15. März 1989. Im September 1988 erhielt der Kläger von dem Beklagten die Mitteilung, es werde keine Ergebnisbeteiligung gezahlt, weil keine Ergebnisverbesserung bei den Unternehmen der H.-Gruppe eingetreten sei. Der Kläger hat danach mehrere Rechtsstreite beim Arbeitsgericht Hamburg gegen die H. KG geführt. Sie sind rechtskräftig mit der Feststellung des weiteren Bestandes des Arbeitsverhältnisses, der Klarstellung zur Zahlung von ausstehendem Arbeitsentgelt in Höhe von 138.000,– DM sowie zur Abrechnung der Ergebnisbeteiligung und zur Vorlage prüffähiger Unterlagen abgeschlossen worden. Während der laufenden Rechtsstreitigkeiten ist die Firma der H. KG durch Gesellschafterbeschluß vom 30. Juni 1989 in Kommanditgesellschaft Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. geändert worden. Mit weiterem Beschluß vom 16. Februar 1990 hat die Beklagte die Kommanditeinlage im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den damaligen Prozeßbevollmächtigten der H. KG übertragen, die Gesellschaft aufgelöst und zur Abwicklerin deren persönlich haftende Gesellschafterin bestellt, die in … Verwaltungsgesellschaft mbH umbenannt worden war. Diese Gesellschaft ist am 14. Juni 1990 nach rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahren mangels Masse im Handelsregister gelöscht worden.

Nach erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuchen gegen die H. KG hat der Kläger mit der am 8. Juni 1990 erhobenen Klage den Beklagten gerichtlich in Anspruch genommen. Zur Begründung der Durchgriffshaftung macht er geltend, der Beklagte habe die ungesicherte Darlehnsvergabe zur Durchsetzung seiner eigenen finanziellen Interessen als stiller Teilhaber und Verpächter des Betriebsgrundstückes veranlaßt.

Er hat zuletzt beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die im folgenden angeführten Unterlagen für einen Zeitraum von mindestens vier Wochen zur Prüfung auszuhändigen:

    Offizielle Bilanzrechnung, Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Prüfungsberichte der Wirtschaftsprüfer, in denen die Einzelheiten zur Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnung erläutert werden, und zwar für die Gesellschaften:

    1. A. GmbH und Co. KG, R., A. Maschinenbau GmbH, R., A. C. GmbH, R., A. Beteiligungs-GmbH, R., A. Sondermaschinen- und Werkzeugbau GmbH, R., A.-Z. France, Paris, jeweils für die Geschäftsjahre 1985, 1986, 1987 und 1988;
    2. Z. Baumaschinen GmbH, K., für die Geschäftsjahre 1985, 1986, 1987 bis zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Firma E.; zusätzlich auch zum Verkaufszeitpunkt die Übergabebilanz mit Erläuterungen der Wirtschaftsprüfer;
    3. Ba. Technik GmbH, W., für die Geschäftsjahre 1985, 1986 – weiterhin auf den Verkaufszeitraum 31.10.1987 die Übergabebilanz mit Erläuterungen der Wirtschaftsprüfer;
    4. Ba-Anlagen GmbH, in 1985 unbenannt in HH Anlagenbau-GmbH, … H., für die Geschäftsjahre 1985, 1986, 1987 und 1988;
    5. Traktoren Fabrik E. GmbH in L. bei M., für die Geschäftsjahre 1985 bis 1988;
    6. T. Hotel Betriebsges. mbH, A., für die Geschäftsjahre 1985 bis 1988;
    7. C., Fenster- und Aluminium-Fassaden-GmbH, Ki, für die Geschäftsjahre 1985 bis 1988;
  2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine ordnungsgemäße Abrechnung über die Ergebnisverbesserungen des Klägers entsprechend § 6 Abs. 3 seines Arbeitsvertrages für die Abrechnungszeiträume 1986, 1987 und 1988 zu erteilen;
  3. erforderlichenfalls die Richtigkeit der Abrechnung an Eides Statt zu versichern,
  4. den sich aus der Abrechnung zugunsten des Klägers ergebenden Betrag auszuzahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Kläger sei für die Beteiligungen an der Traktorenfabrik E. GmbH, der T. Hotel Betriebsges. mbH und der C., Fenster- und Aluminium-Fassaden-GmbH nicht zuständig gewesen. Für die übrigen vom Kläger angegebenen Unternehmen entfalle die Auskunftspflicht, weil von den Wirtschaftsprüfern kein Gruppenergebnis festgestellt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist zurückgewiesen worden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klagebegehren. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Stufenklage des Klägers auf Auskunft, Abrechnung und Zahlung abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Ausfallhaftung des Beklagten nicht ausgeschlossen werden. Ob und in welchem Umfang der Beklagte in die Verpflichtungen der H. KG einzutreten hat, ist noch nicht ausreichend geklärt. Wegen der mangelnden Entscheidungsreife war deshalb der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Der Kläger ist nach § 6 des Dienstvertrages in Verbindung mit §§ 259, 260 BGB berechtigt, die Abrechnung der vereinbarten Ergebnisbeteiligung unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu verlangen, um deren Höhe feststellen zu können. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind diese Auskunftsansprüche auch nicht zwischenzeitlich durch die geltend gemachte Verjährung des Zahlungsanspruchs untergegangen.

Zwar werden Hilfsansprüche gegenstandslos, wenn der Hauptanspruch, den sie vorbereiten sollen, verjährt ist (vgl. BAG Urteil vom 9. November 1982 – 3 AZR 1017/79 – n.v.; BAG Urteil vom 16. Februar 1969 – 4 AZR 267/68 – AP Nr. 3 zu § 87 c HGB mit zust. Anm. Herschel). Das ist hier nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht ist in Auslegung des nicht typischen Dienstvertrages des Klägers mit der H. KG zu dem revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, der Lauf der Verjährungsfrist habe noch nicht begonnen. Der Anspruch des Klägers auf Ergebnisbeteiligung habe nach dem Willen der Vertragsparteien nicht vor Feststellung und Mitteilung des steuerlichen Ergebnisses der zum damaligen Zeitpunkt zur H.-Gruppe gehörenden Unternehmen fällig werden sollen. Diese Auslegung könnte revisionsrechtlich nur beanstandet werden, wenn das Landesarbeitsgericht gegen die Rechtsvorschriften über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) verstoßen hätte (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP Nr. 63 zu § 74 HGB, zu 1 der Gründe). Derartige Rügen sind von der Beklagten nicht erhoben worden.

2. Der Beklagte haftet nach den Grundsätzen der konzernrechtlichen Ausfallhaftung für die Erfüllung der mit der H. KG vereinbarten Ansprüche des Klägers auf Ergebnisbeteiligung. Denn der Beklagte war beherrschender Unternehmensgesellschafter der später umbenannten und inzwischen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten persönlich haftenden Gesellschafterin, der Schiffahrtgesellschaft H. mbH. Nach § 161 Abs. 1 i.V.m. § 128 HGB hatte diese die Verbindlichkeiten der H. KG zu erfüllen. Aus Gründen des konzernrechtlichen Gläubigerschutzes ist nach deren Löschung dem Kläger der Durchgriff auf das Vermögen des herrschenden Gesellschafters gestattet.

a) Nach §§ 302, 303 AktG sind die Gläubiger des durch einen Beherrschungsvertrag eingegliederten Unternehmens berechtigt, im Fall der Beendigung der Beherrschung Sicherheit für ihre Forderungen zu verlangen, die während des Beherrschungsvertrages begründet worden sind. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung des BGH weiterentwickelt worden. Danach haftet das herrschende Unternehmen unmittelbar auf Zahlung, wenn die abhängige Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit die Forderung nicht mehr erfüllen kann. Der Gläubiger darf dann nicht auf den Umweg der Pfändung des Ausgleichsanspruches verwiesen werden. Dieselben Regeln werden für den Gläubigerschutz bei der abhängigen GmbH angewandt, soweit der Gesellschafter der GmbH über die von ihm selbst gehaltenen Geschäftsanteile einen beherrschenden Einfluß ausüben kann (BGH Urteile vom 23. September 1991 – II ZR 135/90 – „Video” AP Nr. 1 zu § 303 AktG; vom 16. September 1985 – II ZR 275/84 – „Autokran” BGHZ 95, 330). Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht auch für den Fall des alleinigen Gesellschafters einer Komplementär-GmbH angeschlossen (BAG Urteil vom 15. Januar 1991– 1 AZR 94/90 – AP Nr. 21 zu § 113 BetrVG 1972).

b) Zwischen der Schiffahrtgesellschaft H. GmbH als alleiniger persönlich haftender Gesellschafterin der H. KG und dem Beklagten bestand ein Konzernverhältnis i.S. des § 18 Abs. 1 AktG. Das folgt aus § 17 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Beklagte als natürliche Person in Ausübung der Leitungsmacht die Konzernspitze gebildet hat (BGH Urteil vom 13. Dezember 1993 – II ZR 89/93 – AP Nr. 5 zu § 303 AktG = NJW 1994, 446; vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB” AP Nr. 2 zu § 303 AktG; erkennender Senat Urteil vom 8. März 1994 – 9 AZR 197/92 – AP Nr. 6 zu § 303 AktG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Die Schiffahrtgesellschaft H. mbH war ein rechtlich selbständiges Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG, auf das ein anderes Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ausgeübt hat. Das beherrschende Unternehmen war nach § 17 Abs. 2 AktG der Beklagte. Bei einem solchen Abhängigkeitsverhältnis geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Bestehen eines qualifiziert faktischen Konzerns aus (BAG Urteile vom 15. Januar 1991 – 1 AZR 94/90 – AP Nr. 21 zu § 113 BetrVG 1972 und vom 6. Oktober 1992 – 3 AZR 242/91 – AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Konzern).

Die Vermutung, daß die abhängige Schiffahrtgesellschaft H. mbH mit dem Beklagten einen Konzern gebildet hat (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG), ergibt sich auch aus den weiteren Feststellungen. Der Beklagte war bis zur Änderung der Firma im August 1989 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Er hat von seiner Geschäftsführungsbefugnis tatsächlich Gebrauch gemacht. Sein beherrschender Einfluß zeigt sich im Inhalt des Dienstvertrags, den er mit dem Kläger ausgehandelt hat. Danach war der Kläger als Generalbevollmächtigter für den von der H. KG verwalteten Immobilien- und Beteiligungsbesitz ausschließlich an die persönlichen Weisungen des Beklagten gebunden und nur ihm gegenüber berichtspflichtig. Der weitere angestellte Geschäftsführer P. K. war durch diese Vereinbarung weitgehend von der Geschäftsleitung ausgeschlossen. Dessen formale Geschäftsführerstellung, die mit der Abberufung am 17. September 1987 endete, steht nicht der Annahme entgegen, daß der Beklagte schon seit Einstellung des Klägers die Leitungsmacht ausgeübt hat.

c) Während der Zeit, als der Beklagte als Alleingesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär GmbH der H. KG war, bestand auch die für die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern typische Gefahrensituation.

Der bei einer selbständigen Gesellschaft in der Regel weitgehend vorhandene Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter kann nicht mehr vorausgesetzt werden, wenn der Alleingesellschafter noch anderweitige unternehmerische Interessen verfolgt und diese durch seine Einwirkungsmöglichkeiten bei der abhängigen Gesellschaft durchsetzen kann (BAG Urteil vom 8. März 1994 – 9 AZR 197/92 – AP Nr. 6 zu § 303 AktG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats genügt für die Annahme der konzerntypischen Gefahrensituation, daß der beherrschende Unternehmer Mehrheitsgesellschafter in wenigstens einer anderen Kapitalgesellschaft ist (vgl. BAG Urteil vom 8. März 1994 – 9 AZR 197/92 – aaO). Der Beklagte war mit einer Kommanditeinlage von rund 23 Mio DM alleiniger Kommanditist der A. GmbH & Co. KG, die Holding-Gesellschaft für die A. C. GmbH, A. Maschinenbau GmbH und A. Sondermaschinen- und Werkzeugbau GmbH war. Zugleich war der Beklagte Alleingesellschafter der Komplementär GmbH, der A. Beteiligungs GmbH.

Der vom BGH für möglich erachtete Interessenausgleich durch einen Haftungsverbund zwischen den einzelnen dem Unternehmensgesellschafter gehörenden Gesellschaften (vgl. BGH Urteil vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB”, aaO) kommt hier nicht in Betracht. Der Interessenausgleich ist durch eine persönliche Haftung des Beklagten als „Konzernspitze” vorzunehmen, weil sich die unternehmerische Betätigung des Beklagten nicht in der bloßen Beteiligung an anderen Gesellschaften erschöpft hat. Der Beklagte war als Unternehmenssanierer tätig, der nach Sanierung die erworbenen Unternehmen veräußerte und deren ausgegliederte Immobilien verpachtete. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten leistete der Kläger im Rahmen der der H. KG übertragenen Geschäftsbesorgung nur Hilfestellung beim Schriftverkehr. Alle außerhalb des üblichen Rahmens liegende Handlungen entschied der Beklagte als Gesellschafter, insbesondere führte er die während der Beschäftigung des Klägers durchgeführten Verkaufsverhandlungen bezüglich der Z. Baumaschinen GmbH und der Ba. Technik GmbH persönlich.

d) Die Ausfallhaftung erstreckt sich auch auf die hier im Streit befindlichen Auskunfts- und Abrechnungsansprüche. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen.

Der Beklagte verkennt, daß ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Hilfsanspruch und dem Hauptanspruch besteht. Voraussetzung für die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs auf Ergebnisbeteiligung ist die Durchsetzung der in der Stufenklage geltend gemachten Auskunfts- und Abrechnungsansprüche. Die Hilfsansprüche sind deshalb als mittelbare Zahlungsansprüche anzusehen (vgl. BGH Urteil vom 9. Oktober 1974 – IV ZR 164/73 – WM 1974, 1162, 1164).

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht für die Anwendung der konzernrechtlichen Haftungsregeln nicht auf die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft abgestellt. Es hat die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom 13. Dezember 1993 – II ZR 89/93 – a.a.O. und vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB”, aaO) zugrundegelegt, der sich auch der erkennende Senat anschlossen hat (vgl. BAG Urteil vom 8. März 1994 – 9 AZR 197/92 – aaO). Danach ist Voraussetzung für den Haftungsdurchgriff, daß der herrschende Gesellschafter keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hat und der zugefügte Nachteil nicht durch Einzelmaßnahmen ausgeglichen worden ist.

a) Das Landesarbeitsgericht hat keinen Mißbrauch der Konzernleitungsmacht bejaht. Es hat die Gewährung des ungesicherten und später notleidend gewordenen Kredits in Höhe von 400.000,– DM an die B. GmbH & Co. als nicht ausreichend für die Haftungsbegründung angesehen, weil die Belastung in den Geschäftsbüchern der H. KG vollständig erfaßt und somit einem Einzelausgleich zugänglich gemacht worden sei.

b) Mit dieser Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Haftung des Beklagten nicht ausgeschlossen werden. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß durch die ungesicherte Darlehnsvergabe für die abhängige Gesellschaft ein außergewöhnlich großes Risiko begründet wurde. Dies zeigt sich aus dem Vergleich mit der geringen Eigenkapitalausstattung der abhängigen Gesellschaft, dem sehr bescheidenen Ertrag des vorangegangenen Geschäftsjahres und der dazu außer Verhältnis stehenden Darlehnssumme. Zur Absicherung eines solchen Risikos hätte der Beklagte für wirksame Kompensationsmaßnahmen, wie Rückstellungen (vgl. BGH Urteil vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB”, aaO) oder ausreichende Versicherung des Kreditrisikos (vgl. Urteilsanmerkung Bauder, BB 1993, 1103, 1105), sorgen müssen.

c) Der Kläger hat hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß der Beklagte zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft im Konzerninteresse, d.h. als unternehmerisch anderweitig tätiger stiller Teilhaber und Verpächter des Betriebsgrundstückes der B. GmbH & Co. gehandelt hat.

Dabei ist es unerheblich, ob der Beklagte noch vor Abberufung des angestellten Mitgeschäftsführers P. K. tätig geworden ist. Maßgeblich ist, daß der Beklagte auch während der Zeit der Mitgeschäftsführerstellung des Angestellten P. K. die Leitungsmacht ausgeübt hat.

Im übrigen fehlt es nach der Rechtsprechung des BGH, der sich auch insoweit der erkennende Senat anschließt, stets an der angemessenen Rücksichtsnahme, wenn die Gesellschaft infolge der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann (BGH Urteil vom 29. März 1993 – II ZR 265/92 – „TBB”, aaO). Diese Voraussetzung hat der Kläger dargelegt. Die H. KG hat, nachdem das Darlehn notleidend wurde, im Geschäftsjahr 1987 einen Verlust von mehr als 175.000,– DM erwirtschaftet und ist anschließend in Vermögensverfall geraten.

4. Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Es fehlen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, welche der im Antrag des Klägers aufgeführten Unternehmen zu welchem Zeitpunkt zu dem in § 6 Abs. 3 des Dienstvertrages als „H.-Gruppe” bezeichneten und vom Beklagten geleiteten Unternehmensverbund gehörten. Es ist weiterhin aufzuklären, ob und für welche Zeiträume der Beklagte dem Kläger entsprechend dem Dienstvertrag die kaufmännische Führung und Überwachung der einzelnen Unternehmen übertragen hat. Denn nur soweit und so lange der Kläger entsprechend dem Dienstvertrag für die einzelnen von dem Beklagten beherrschten Gesellschaften tätig geworden ist, kann ein Anspruch auf Ergebnisbeteiligung bestehen.

Weiter kann aufgrund fehlender Feststellungen bisher noch nicht abschließend beurteilt werden, in welchem Umfang der Kläger die Erfüllung der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verlangen kann. Da sich Inhalt und Umfang der Auskunfts- und Rechnungslegungsvorschriften nach den Umständen des Einzelfalles richten, wird das Landesarbeitsgericht noch zu beurteilen haben, ob der Kläger die Vorlage bestimmter Unterlagen an sich selbst verlangen kann oder Umstände vorliegen, die ein schützenswertes Interesse des Beklagten begründen, die vom Kläger verlangten Unterlagen lediglich einer dritten Stelle (z.B. Wirtschaftsprüfer) vorzulegen.

 

Unterschriften

Leinemann, Dörner, Düwell, Dr. Pühler, Trümner

 

Fundstellen

Haufe-Index 714121

BB 1996, 223

NJW 1996, 1491

NZA 1996, 311

SAE 1998, 22

ZIP 1996, 333

GmbHR 1996, 113

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