A. Überblick

 

Rn. 1

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

§ 316a wurde durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vom 03.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 1534ff.)) erstmals in das Handelsgesetzbuch aufgenommen. Ziele des FISG sind es, sowohl der Integrität und Stabilität des Kap.-Marktes zu dienen als auch das Vertrauen der Anleger in den deutschen Kap.-Markt zu stärken. Neben einer grundlegenden Reform des Bilanzkontrollverfahrens wurden die Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ausgeweitet sowie Änderungen in der CG börsennotierter Gesellschaften, die sowohl das Leitungs- als auch das Aufsichtsorgan betreffen, beschlossen (vgl. etwa Gros/Velte, DK 2021, S. 68ff.; Kliem/KosmaOptenkamp, DB 2021, S. 1518ff.; Philipps, StuB 2021, S. 613ff.; Velte, StuB 2021, S. 450ff.). Zudem wurden die Regelungen zur gesetzlichen AP verschärft, insbesondere bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse ((Public Interest Entities – kurz: PIE); vgl. dazu stellvertretend Eichholz/Beck, BB 2021, S. 1899ff.; Schwope, Stbg 2021, S. 215ff.; ZwirnerBoecker, IRZ 2021, S. 309ff.).

 

Rn. 2

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§ 316a Satz 1 übernimmt die Regelungen des § 317 Abs. 3a (a. F.), welcher im Zuge des FISG gestrichen wurde, nahezu wortgleich (vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 100); lediglich der Begriff "Unternehmen, die kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d sind" wurde durch "Unternehmen von öffentlichem Interesse" (PIE) ersetzt. § 316a Satz 2 führt dabei erstmals eine deutsche Legaldefinition für PIE ein, die sich an den Vorgaben aus der AP-R 2006/43/EG (ABl. EU, L 157/87ff. vom 09.06.2006; ABl. EU, L 158/196ff. vom 27.05.2014) ausrichtet.

B. Anwendungsbereich von § 316a

 

Rn. 3

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Die Vorschrift betrifft zum einen gesetzliche AP (sog. gesetzliche Pflichtprüfungen gemäß § 316) bei KapG, die PIE sind, mithin AG, GmbH, KGaA, SE und die ihnen gleichgestellten PersG i. S. v. § 264a. Zum anderen nehmen sowohl das PublG als auch das GenG an verschiedenen Stellen Bezug auf § 264d (vgl. etwa § 5 Abs. 2a PublG und § 36 Abs. 4 GenG) und werden somit auch von den Regelungen des § 316a erfasst.

 

Rn. 4

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Nicht betroffen sind hingegen freiwillige AP, prüferische Durchsichten oder andere prüfungsnahe Dienstleistungen sowie weiterhin AP bei übrigen PersG, Einzelkaufleuten und eG, auch wenn diese z. B. durch eine öffentliche Anleihebegebung einen organisierten Kap.-Markt in Anspruch nehmen.

C. Begriffskonstitutive Merkmale

I. Unternehmen von öffentlichem Interesse

 

Rn. 5

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Der Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse" ist ursprünglich ein europarechtlicher Begriff, der i. R.d. Adressierung internationaler Bilanzskandale von der EU-KOM im Zuge der Überarbeitung der AP-R im Jahre 2006 neu eingeführt wurde. Dort findet sich in Art. 2 Nr. 13 der AP-R die Legaldefinition, die neben kap.-marktorientierten UN, Kreditinstituten und Versicherungs-UN auch solche UN umfasst, die etwa aufgrund der Art ihrer Tätigkeit, ihrer Größe oder der Zahl ihrer Mitarbeiter von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind und insoweit vonseiten der Mitgliedstaaten als solche bestimmt wurden.

 

Rn. 6

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Die EU-KOM war der Auffassung, dass PIE stärker im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen und wirtschaftlich von so großer Bedeutung sind, dass für die AP ihres JA oder KA strengere Anforderungen gelten sollten (vgl. Erwägungsgrund (23) der AP-R).

 

Rn. 7

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So wurden erstmals in den Art. 39 bis 43 des Kap. X der AP-R besondere Bestimmungen für die AP von PIE formuliert. Diese speziellen Bestimmungen betrafen sowohl die geprüften UN (z. B. bezüglich der Verpflichtung zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses) als auch den AP i. A. (u. a. durch die Verpflichtung zur Erstellung eines Transparenzberichts sowie zu einer dreijährigen Qualitätssicherungsprüfung) und im Besonderen (zusätzliche Anforderungen zur Unabhängigkeit und Einführung der sog. internen Rotation).

 

Rn. 8

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Diese Notwendigkeit hat der deutsche Gesetzgeber damals ebenfalls gesehen und hat – im Vorgriff auf die europäische AP-R – diesen Grundgedanken bereits bei der Verabschiedung des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) vom 04.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3166ff.) im Jahre 2004 umgesetzt. Zu diesem Zweck wurde § 319a erstmals in das HGB eingeführt, der besondere Ausschlussgründe für AP von PIE bestimmt, ohne dabei den Begriff des Unternehmens von öffentlichem Interesse zu definieren.

 

Rn. 9

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Allerdings bezog sich die ursprüngliche Regelung des § 319a nur auf die AP eines UN, das einen organisierten Kap.-Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG ((a. F.); derweil: § 2 Abs. 11 WpHG) in Anspruch nahm (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 9, 40ff.). Kreditinstitute, Versicherungs-UN und sonstige Finanzdienstleister wurden hingegen außen vorgelassen, da diese bereits einer besonderen Aufsicht unterlagen und somit kein weiterer Handlungsbedarf vorlag (vgl. BR-Drs. 326/04, S. 86f.). CRR-Kreditinstitute und Versicherungs-UN wurden erst im Zu...

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