Leitsatz

Eine Zweitwohnung am auswärtigen Beschäftigungsort liegt ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen vor, wenn sie es dem Arbeitnehmer ermöglicht, seine Arbeitsstätte arbeitstäglich aufzusuchen. Sie dient dem "Wohnen am Beschäftigungsort", sofern der Arbeitnehmer von dort in zumutbarer Weise täglich seine Arbeitsstätte aufsuchen kann. Die Entscheidung hierüber obliegt dem FG als Tatsacheninstanz.

 

Sachverhalt

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Von einer auswärtigen Beschäftigung ist auszugehen, wenn der Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte und der Ort des Familienhaushalts, der den Lebensmittelpunkt bildet, auseinanderfallen. Das Gesetz selbst konkretisiert nicht weiter, was unter dem Wohnen am Beschäftigungsort zu verstehen ist. Es entspricht allerdings schon der bisherigen Rechtsauffassung, das Merkmal "Wohnen am Beschäftigungsort"weit auszulegen und darunter nicht nur eine Wohnung in derselben politischen Gemeinde zu verstehen.

Der Tatbestand der doppelten Haushaltsführung konkretisiert die Frage, ob eine Wohnung dem Wohnen am auswärtigen Beschäftigungsort dient. Eine doppelte Haushaltsführung ist beruflich veranlasst, wenn der Arbeitnehmer den Zweithaushalt unterhält, um von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Danach wohnt der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen täglich zu seiner Arbeitsstätte fahren kann. Dementsprechend war schon bisher eine Wohnung am Beschäftigungsort zu bejahen, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus auch andere Arbeitnehmer üblicherweise die Fahrt zur Arbeit in Kauf nehmen.

Die Entscheidung, ob der Arbeitnehmer von der Zweitwohnung aus seinen Arbeitsort täglich in zumutbarer Weise aufsuchen kann, sodass diese als Wohnung am auswärtigen Beschäftigungsort im Sinne der doppelten Haushaltsführung anzusehen ist, wird nach den Umständen des Einzelfalls getroffen. Dabei ist die Entfernung sowie die individuelle Verkehrsverbindung zwischen der (Zweit-)Wohnung und der Arbeitsstätte das maßgebende Kriterium.

 

Hinweis

Im Urteilsfall betrug die Entfernung zwischen Zweitwohnung und Beschäftigungsort 141 Km. Die Entscheidung dafür, dass trotz der großen Entfernung noch von einer Wohnung im Einzugsbereich des Beschäftigungsorts auszugehen war, begründete der BFH mit der günstigen Zuganbindung. Mit dem ICE betrug die Fahrzeit zur Arbeitsstätte etwa eine Stunde. Mit Blick auf die steigende Mobilitätsanforderung ist ein solcher Zeitaufwand für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht unüblich, weil Arbeitnehmer auch größere Entfernungen in Kauf nehmen, sofern die Arbeitsstätte verkehrsgünstig zu erreichen ist. Andererseits hat der BFH die doppelte Haushaltsführung bei einer 62 km vom Beschäftigungsort entfernten Zweitwohnung angesichts deren individuellen Lage abgelehnt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 19.4.2012, VI R 59/11

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