Leitsatz

  1. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch Übertragung einer nicht handelbaren Wandelschuldverschreibung ein Anspruch auf die Verschaffung von Aktien eingeräumt, wird ein Zufluss von Arbeitslohn nicht bereits durch die Übertragung der Wandelschuldverschreibung begründet.
  2. Im Falle der Ausübung des Wandlungsrechts durch den Arbeitnehmer fließt diesem ein geldwerter Vorteil grundsätzlich erst dann zu, wenn dem Arbeitnehmer durch Erfüllung des Anspruchs das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien verschafft wird.
 

Problematik

Gewährt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses Aktienoptionsrechte, ist die steuerliche Behandlung nach ständiger Rechtsprechung des BFH davon abhängig, ob ein handelbares oder ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht vorliegt.

Bei einem handelbaren Aktienoptionsrecht ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des Optionsrechts und einem vom Arbeitnehmer ggf. gezahlten Entgelt als Arbeitslohn zu versteuern. Der Sachbezug in Form des Optionsrechts ist mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt der Abgabe anzusetzen. Zeitpunkt der Abgabe ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer das Optionsrecht erwirbt.

Ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht führt hingegen weder im Zeitpunkt der Gewährung noch der erstmaligen Ausübbarkeit des Optionsrechts zu einem Lohnzufluss beim Arbeitnehmer. Gegenstand des Lohnzuflusses ist hier vielmehr die unentgeltlich oder verbilligt überlassene Aktie.

In dem vorstehenden Verfahren ging es darum, ob diese Grundsätze auch bei vom Arbeitgeber eingeräumten Wandelschuldverschreibungen gelten.

In einem weiteren Verfahren stellten sich obige Grundsatzfragen hinsichtlich eines von einem Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber gewährten Darlehens mit Wandlungsrecht und Abtretungsbefugnis an Dritte (BFH, Urteil v. 23.6.2005, VI R 10/03, BFH/NV 2005 S. 1706).

 

Entscheidungen des BFH

Im Verfahren VI R 124/99 war der Steuerpflichtige Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft (AG). Die AG übertrug an ihre Vorstandsmitglieder und an einen engen Kreis von Führungskräften Wandelschuldverschreibungen. Die Wandelschuldverschreibungen, die mit 6 % über die gesamte Laufzeit von 10 Jahren zu verzinsen waren, konnten nicht weiter übertragen werden. Das Wandlungsrecht durfte frühestens 1 ½ Jahre nach Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen ausgeübt werden. Nach Ablauf dieser Wartefrist übte der Steuerpflichtige im Streitjahr das Wandlungsrecht für alle von ihm erworbenen Wandelschuldverschreibungen der AG aus und verkaufte die infolge der Wandlung ausgegebenen jungen Aktien sofort. Der Börsenkurs der Aktien überstieg die Anschaffungskosten der Wandelschuldverschreibungen und die bei Ausübung des Wandlungsrechts für die Ausgabe der jungen Aktien zu leistende Zuzahlung um rund 475.500 EUR.

Das Finanzamt sah in der Übertragung der Aktien auf den Vorstandsvorsitzenden zu einem unter dem Kurswert liegenden Preis einen bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassenden geldwerten Vorteil.

Der BFH gab dem Finanzamt Recht und entschied, dass der dem Vorstandsvorsitzenden auf die Aktien gewährte Preisnachlass ein durch das Dienstverhältnis veranlasster geldwerter Vorteil war und damit Arbeitslohn darstellte. Der Zufluss des Arbeitslohns erfolgte nach Auffassung des Gerichts aber nicht bereits mit der Übertragung der Wandelschuldverschreibungen, sondern erst im Zeitpunkt der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien.

In der zweiten Entscheidung VI R 10/03 hat der BFH klargestellt, dass in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer ein Darlehen nebst Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten überträgt, dem Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil im Zeitpunkt der Übertragung auf den Dritten zufließt. Auf den Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts kommt es in diesem Fall nicht an.

 

Konsequenzen für die Praxis

Die Annahme des Zuflusses von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien bzw. bei Zufluss des Entgelts für die Übertragung des Darlehens entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zugleich wird vermieden, dass der Arbeitnehmer bei Nichtausübung des Wandlungsrechts nicht realisierte Vorteile versteuern muss. Im Übrigen sollte darauf geachtet werden, dass der geldwerte Vorteil nach der sog. Fünftelregelung versteuert werden kann, wenn Arbeitslohn für mehrere Jahre vorliegt. Zu beachten ist ferner, dass spätere Wertveränderungen bei den Aktien nach Ausübung des Wandlungsrechts nur im Rahmen des § 23 EStG berücksichtigt werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 23.6.2005, VI R 124/99, BFH/NV 2005 S. 1702

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