Rücksicht­nahmegebot

Der Verwaltungsgerichtshof München hat nochmals betont, dass der Bau einer Windkraftanlage wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf ein benachbartes Wohnanwesen gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot verstoßen kann. Die optisch bedrängende Wirkung gehe zum einen von der Höhe ihres Mastes und zum anderen vor allem von der Breite ihrer sich drehenden Rotorblätter aus.

Abstandsregel

Dabei gilt, dass die Bewegung des Rotors umso stärker spürbar wird, je geringer die Distanz zwischen der Windkraftanlage und dem Betrachter und je größer die Dimension der Bewegung ist. Ob tatsächlich das Maß des dem Nachbarn Zumutbaren überschritten ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Dabei können aber bestimmte Abstände als grobe Anhaltswerte für oder gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots herangezogen werden. Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das 3-Fache ihrer Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser), wird in der Einzelfallprüfung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen optisch bedrängender Wirkung in der Regel zu verneinen sein, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen. Beträgt der Abstand das 2- bis 3-Fache der Gesamthöhe, ist regelmäßig eine besonders intensive Prüfung des Einzelfalls geboten. Ist der Abstand geringer als das 2-Fache der Gesamthöhe, dürfte die Einzelfallprüfung regelmäßig zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Windkraftanlage gelangen.

Außenbereich

Im zu entscheidenden Fall betrug der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der geplanten Windkraftanlage weniger als das 3-Fache, aber mehr als das 2-Fache der Gesamthöhe der Anlage mit der Besonderheit, dass das Wohnhaus im Außenbereich lag. In einem derartigen Fall einer im Außenbereich ausgeübten Wohnnutzung ist nach Auffassung des Gerichts der Schutzanspruch dahingehend vermindert, dass dem betroffenen Nachbarn eher eigene Maßnahmen zuzumuten sind, durch die er den Wirkungen der Windkraftanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt, etwa durch Sichtblenden oder Baumbewuchs. Denn wer im Außenbereich wohnt, müsse grundsätzlich mit der Errichtung von in diesem Bereich privilegierten Windkraftanlagen und ihren optischen Auswirkungen rechnen. Eine Wohnnutzung im Außenbereich kann nach Auffassung des Gerichts nicht von vornherein dieselbe Rücksichtnahme durch eine dort privilegierte Windenergienutzung verlangen, wie eine Wohnnutzung im Innenbereich oder gar in ausgewiesenen Wohngebieten.

(VGH München, Beschluss v. 1.12.2014, 22 ZB 14.1594, DVBl 2015 S. 314)

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