Leitsatz (amtlich)

Beruht die Versäumung der Frist auf einer Postlaufzeitverzögerung wegen falscher Postleitzahl auf dem Briefumschlag der Rechtsmittelfrist, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn der Fehler dem ansonsten zuverlässig arbeitenden Büropersonal unterlaufen ist und für den Prozessbevollmächtigten nicht leicht erkennbar war.

 

Sachverhalt

Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Das FG-Urteil wurde am 11.3.1997 zugestellt. Am 14.4.1997 ging die Revision beim FG ein. Sie war an das FG unter dessen Postfachadresse gerichtet, enthielt aber eine falsche Postleitzahl. Auf dem bei den Akten befindlichen Briefumschlag, der den Poststempel vom 9.4.1997 trägt, ist handschriftlich die richtige Postleitzahl sowie außerdem mit einem Stempelaufdruck vermerkt, dass wegen unrichtiger Postleitzahl die Sendung verzögert worden sei. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 17.4.1997 durch das FG über den verspäteten Eingang der Revisionsschrift informiert worden war, beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 18.4.1997 Wiedereinsetzung. Die Revisionsschrift sei am 9.4.1997 bei der Post eingeliefert worden, so dass selbst bei einer fehlerhaften Angabe der Postleitzahl mit rechtzeitigem Eingang beim FG habe gerechnet werden können. Der BFH entschied durch Zwischenurteil, dass die Revision zulässig sei.

 

Entscheidungsgründe

Den Klägern ist Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Fristüberschreitung ist ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten eingetreten. Durch den Poststempel auf dem Briefumschlag und durch die von den Klägern vorgelegte Fotokopie des Postausgangsbuchs des Prozessbevollmächtigten ist nachgewiesen, dass der Schriftsatz am 9.4.1997, d.h. zwei Tage vor Ablauf der Revisionsfrist, als Einschreiben bei der Post in Emmerich eingeliefert worden ist. Bei Zugrundelegung der normalen Postlaufzeit zwischen Emmerich und Köln konnte der Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Revisionsschrift rechtzeitig bei dem FG eingehen werde. Nach ständiger Rechtsprechung sind Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Revisionskläger nicht zu vertreten hat, nicht als dessen Verschulden zu werten[1].

Zwar ist davon auszugehen, dass ein Verschulden in der Sphäre der Kläger für die Fristversäumnis ursächlich war. Denn die Postlaufverzögerung beruht auf der Angabe einer falschen Postleitzahl. Die fehlerhafte Angabe der Postleitzahl ist jedoch als unschädliches Büroversehen zu werten, welches der Gewährung der Wiedereinsetzung nicht entgegensteht. Der Prozessbevollmächtigte braucht nach der Rechtsprechung des BGH[2] nicht zu überprüfen, ob die postalische Anschrift, die sein sonst zuverlässig arbeitendes Kanzleipersonal einem Schriftsatz beigefügt hat, zutreffend ist. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung jedenfalls für den Fall, dass es sich nicht um leicht erkennbare Fehler (Unrichtigkeiten oder Auslassungen) handelt. Denn die Angabe der postalischen Anschrift des Gerichts, an das ein Schriftsatz gerichtet wird, ist eine rein büromäßige Aufgabe ohne jeden Bezug zu Rechtsfragen auch einfachster Art. Ein Prozessbevollmächtigter darf diese Aufgabe seinem zuverlässigen und gut geschulten Büropersonal überlassen. Er kann auf eine fehlerfreie Erledigung dieser Aufgabe vertrauen und braucht das Ergebnis daher nicht regelmäßig zu überprüfen.

Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Personal des Prozessbevollmächtigten nicht zuverlässig ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 10.6.1999 - V R 33/97

[2] Vgl. BGH-Urteilvom2.5.1990,XIIZB 17/90,HFR 1991, S. 307

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