Leitsatz (amtlich)

Hat das FA in dem Feststellungsbescheid für das Jahr 01 einen Entnahmegewinn erfasst, dessen Herabsetzung mit der Klage erstrebt wird, und erlässt das FA während des Klageverfahrens mit der Begründung einen dem Klagebegehren entsprechenden Änderungsbescheid für das Jahr 01, dass die Entnahme richtigerweise im Jahr 02 zu berücksichtigen sei, dann ist die nachfolgende Erfassung des Entnahmegewinns in einem Änderungsbescheid für das Jahr 02 gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 unter der Voraussetzung zulässig, dass die Entnahme bei zutreffender Beurteilung tatsächlich in diesem Jahr getätigt worden ist. Soweit in dem Feststellungsbescheid für das Jahr 01 noch ein Entnahmegewinn erfasst ist, kann der Feststellungsbescheid für das Jahr 01 sodann auf Antrag gemäß § 174 Abs. 1 AO 1977 berichtigt werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin nutzte ein Grundstück des Sonderbetriebsvermögens ihrer Kommanditisten. Sie wies in ihrer Gewinnermittlung für 1989 die Entnahme eines Teils dieses Grundstücks mit einem Entnahmewert von 64 192 DM aus. Im Gewinnfeststellungsbescheid 1989 setzte das Finanzamt den Entnahmewert mit 167 643 DM an. Ziel der Klage ist der Ansatz des ursprünglichen Entnahmewerts. Während des Klageverfahrens änderte das Finanzamt seine Ansicht dahin, dass die Entnahme nicht bereits 1989, sondern erst im Streitjahr 1990 erfolgt sei. Es erließ für 1989 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid, in dem es die Entnahme mit 64 192 DM erfasste. Erläuternd zu diesem Bescheid heißt es, die Stattgabe beruhe auf der geänderten Auffassung des Finanzamts, "wonach in 1989 keine Entnahme stattgefunden (habe)". Anschließend änderte das Finanzamt nach § 174 Abs. 4 AO den bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 1990 und erfasste die Entnahme in diesem Jahr mit 167 643 DM. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt und hob den Änderungsbescheid 1990 auf[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz setzt die Änderung nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht voraus, dass der Sachverhalt in dem Bescheid, der aufgrund des Rechtsbehelfs oder des Antrags des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten geändert oder aufgehoben worden ist, überhaupt nicht mehr berücksichtigt worden ist. Denn der BFH versteht § 174 Abs. 4 Satz 1 AO als eine gegenüber § 174 Abs. 1 bis 3 AO eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist; er ist unter Hinweis auf den Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht der Ansicht gefolgt, die Vorschrift setzte zwingend ein wechselseitiges Ausschließlichkeitsverhältnis voraus, das nur die alternative Begründung desselben Sachverhalts erlaube[2].

Bei Anwendung dieser Grundsätze, die gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die gesonderte Feststellung sinngemäß gelten, ist für die Entscheidung des Streitfalles entscheidungserheblich, ob das Teilgrundstück bei zutreffender steuerlicher Beurteilung 1990 und nicht - wie die Klägerin geltend macht - 1989 entnommen worden ist. Sollte sich die vom Finanzamt vertretene Auffassung, die Entnahme des Teilgrundstücks sei erst im Streitjahr 1990 erfolgt, als richtig erweisen, wäre die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1990 gemäß dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zulässig. Denn bei diesem Sachverhalt wäre der ursprüngliche Feststellungsbescheid für 1989 aufgrund einer irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts, nämlich der "Entnahme des Teilgrundstücks" ergangen; der Entnahmegewinn wäre zu Unrecht in dem Feststellungsbescheid für 1989 erfasst worden. Dieser Feststellungsbescheid ist während des Klageverfahrens aufgrund des Rechtsbehelfs der Klägerin, nämlich ihrer Klage, gemäß dem Klageantrag zugunsten der Kommanditisten geändert worden. Der Wortlaut der Vorschrift verlangt nicht, dass dem Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen auch aus den von ihm geltend gemachten Gründen entsprochen worden sein muss. Es reicht vielmehr aus, dass die Änderung durch den Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen veranlasst worden ist[3]. Die wortlautgemäße Auslegung des § 174 Abs. 4 AO führt auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen. Sie ermöglicht vielmehr eine angemessene Lösung des vorstehenden Interessenwiderstreits. Soweit sich dadurch eine (teilweise) Doppelerfassung ergibt, ist der Feststellungsbescheid für das Jahr 1989 gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag der Klägerin zu ändern. Denn dieser Änderungstatbestand ist auch dann erfüllt, wenn zum Zwecke der Bereinigung eines fehlerhaften Bescheids zunächst bewusst eine Doppelerfassung eines Sachverhalts herbeigeführt wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 2.5.2001 – VIII R 44/00

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen