Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob sich die Beteiligungsgrenze nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 richtet – und damit zurückwirkt – oder ob der Beteiligungsbegriff veranlagungszeitraumbezogen auszulegen ist, indem das Merkmal "innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital … wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum (VZ) nach der in diesem VZ jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.

 

Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger war an der B–AG mit einem Aktienbestand beteiligt, der bis zum 28.12.1997 13,52 %, seit dem 29.12.1997 9,98 % und seit dem 27.12.1998 9,22 % betrug. Am 1.12.1999 veräußerte er 50 000 Aktien und erzielte dabei einen Gewinn, den das Finanzamt für 1999 der Besteuerung nach § 17 EStG unterwarf. Nachdem das BVerfG das BFH-Urteil v. 1.3.2005, VIII R 25/02, BStBl 2005 II S. 436, mit Beschluss v. 7.7.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl 2011 II S. 86, aufgehoben und § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 teilweise als nichtig erkannt hatte, ist streitig, ob die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1999 insoweit aufzuheben ist, als darin ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG erfasst wurde.

Der BFH entscheidet, dass die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1999 insoweit aufzuheben, als darin ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG angesetzt wurde. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Diese Fassung des Gesetzes ist nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den VZ 1999 anzuwenden. Veräußert jemand im Jahr 1999 eine Beteiligung von 10 %, ist dieser Vorgang steuerbar. Veräußert er allerdings eine Beteiligung von lediglich 9,22 %, liegt ein steuerbares Veräußerungsgeschäft nur vor, wenn er innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Da die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den VZ 1999 gilt, folgt daraus, dass sie für frühere VZ nicht anwendbar ist. Es ist mithin zweifelhaft, ob sich die Beteiligungsgrenze nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze richtet und damit zurückwirkt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss v. 24.2.2012, IX B 146/11.

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