Leitsatz

  1. Wird ein für das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres maßgebender Wertansatz korrigiert, der sich auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre auswirkt, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung hinsichtlich der Veranlagung für die Folgejahre dar (Bestätigung des Senatsurteils vom 19.8.1999, IV R 73/98, BStBl II 2000, S. 18).
  2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Festsetzungsfrist für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist dann der Erlass des Veranlagungsbescheids, mit dem die Korrektur des Betriebsvermögens erstmalig berücksichtigt wurde.
  3. Die Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind für alle Folgejahre durchzuführen. Tritt für ein Zwischenjahr Festsetzungsverjährung ein, so ist die Gewinnkorrektur des darauf folgenden Jahres so durchzuführen, als wäre der Gewinn des Zwischenjahres zutreffend angepasst worden.
 

Sachverhalt

Aus der Klägerin, einer Publikums-KG, schied zum 30.11.1978 ca. die Hälfte der Treugeberkommanditisten ohne Gegenleistung aus. Die KG erklärte für das Streitjahr 1978 einen Gesamtverlust von 2745950 DM; für die Veräußerungsgewinne der ausgeschiedenen Gesellschafter in Höhe von 17824759 DM beantragte sie die Besteuerung nach den §§ 16, 34 EStG. Das Finanzamt folgte dem im bestandskräftig gewordenen Gewinnfeststellungsbescheid vom 10.12.1979. Ebenso wurde ein Änderungsbescheid für 1976 vom 13.12.1985 bestandskräftig; infolge Nichtanerkennung von Betriebsausgaben änderten sich die Kapitalkonten zum 31.12.1976. Die Konsequenzen daraus zog das Finanzamt unter Bezugnahme auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO allerdings erst durch Verwaltungsakt vom 3.7.1989, mit dem es den Gewinnfeststellungsbescheid 1978 vom 10.12.1979 änderte und die Veräußerungsgewinne der ausgeschiedenen Gesellschafter mit 2872655 DM ansetzte. Hierfür wurden die Steuerbegünstigungen nach den §§ 16, 34 EStG nur zum Teil gewährt. Die negativen Kapitalkonten hatte das Finanzamt derart ermittelt, dass es die von der Betriebsprüfung festgestellten Kapitalkonten zum 31.12.1976 unter Einbeziehung der erklärten Ergebnisse für 1977 und 1978 fortentwickelte. Einspruch, Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Nach ständiger Rechtsprechung ist die zur Grundlage einer Steuerfestsetzung oder gesonderten Gewinnfeststellung gewordene Korrektur des Wertansatzes für ein Wirtschaftsgut, das Teil des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahres ist[1], ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für die Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung eines Folgejahres[2]. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Anpassung späterer Bilanzen an die Korrektur einer Vorjahresbilanz nicht über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfolgen. Denn der Veranlagungsbescheid, dem die Korrektur einer Bilanzposition zugrunde liegt, ist kein Grundlagenbescheid für die Veranlagungsbescheide der Folgejahre, weil es an der insoweit erforderlichen ausdrücklichen verfahrensrechtlichen Regelung fehlt[3]. Eine solche Regelung kann nicht in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG gesehen werden, weil die danach gegebene Bindung an die Vorjahresbilanz allein materiell-rechtlicher, nicht aber verfahrensrechtlicher Natur ist. Damit beginnt die Festsetzungsfrist mit dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses neu zu laufen[4], so dass eine Änderung im Streitfall noch möglich war. Rückwirkendes Ereignis ist nämlich der Steueränderungsbescheid unter Berücksichtigung der Bilanzänderungen, nicht der die spätere Änderung nur vorbereitende Außenprüfungsbericht.

 

Praxishinweis

  1. Die Streitfrage, ob Kapitalkonten nicht zum Betriebsvermögen i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören und somit nicht vom Bilanzenzusammenhang erfasst werden[5], hat der BFH offengelassen, weil das negative Kapitalkonto jedenfalls wie ein (negatives) Wirtschaftsgut zu behandeln ist[6].
  2. Die Tatsache, dass das Finanzamt die streitigen Bilanzkorrekturen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in dem unverändert gebliebenen Bescheid für 1977 hätte berücksichtigen müssen, schließt laut BFH die Anpassung im Gewinnfeststellungsbescheid 1978 nicht aus, weil der neue Wertansatz unmittelbar durch den materiellen Bilanzenzusammenhang geboten ist. Allerdings sind die negativen Kapitalkonten ausgeschiedener Gesellschafter bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns so zu berechnen, als wenn die aus der Bilanzkorrektur im Jahr 1976 resultierenden Gewinnänderungen für das Jahr 1977 berücksichtigt worden wären.
 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.6.2005, IV R 11/04

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen