Leitsatz

Ein Urteil darf in einer Anfechtungsklage nach § 46 WEG und in den Fällen einer notwendigen Streitgenossenschaft nur einheitlich für oder gegen alle, nicht aber für oder gegen einzelne Streitgenossen ergehen. Ist gegen die klagenden Streitgenossen in einem Verfahren ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen und sind beide Streitgenossen auch im Einspruchstermin säumig, ist aber die Säumnis eines Streitgenossen unverschuldet, so ist es dem Gericht verwehrt, den Einspruch des anderen Streitgenossen gegen das Versäumnisurteil nach § 345 ZPO wegen seiner schuldhaften Säumnis zu verwerfen und gleichzeitig auf den Einspruch des übrigen Streitgenossen hin das Verfahren fortzusetzen.

 

Normenkette

WEG § 46

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K1 und K2 erheben eine Anfechtungsklage und beantragen für deren Durchführung Prozesskostenhilfe. Das Amtsgericht (AG) entscheidet über diesen Antrag erst in einem Einspruchstermin. Zu diesem ist K1 wegen der zuvor nicht erfolgten Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe freilich nicht erschienen. Auch K2 ist nicht gekommen. Einen Tag vor dem Termin hätte er um Terminverlegung gebeten und dem AG insoweit mitgeteilt, wegen seiner "multiplen, schweren Grunderkrankungen" nicht in der Lage zu sein, den Termin wahrzunehmen.
  2. Das AG weist die Anfechtungsklagen durch Versäumnisurteil zurück. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger. Sie meinen, ein Fall der schuldhaften Versäumung habe nicht vorgelegen.
 

Die Entscheidung

Das Landgericht (LG) weist darauf hin, dass die Berufungen keine Aussicht auf Erfolg hätten.

Säumnis des K1

Allerdings sei die Säumnis des K1 unverschuldet.

  1. K1 habe einen Tag vor der Sitzung Prozesskostenhilfe beantragt. Das AG habe über diesen Antrag aber erst in dem Verhandlungstermin entschieden. Werde die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung oder erst in diesem selbst bekannt gegeben und im Anschluss daran gegen die säumige Partei ein Versäumnisurteil erlassen, liege darin ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs. Das AG hätte daher die Säumnis des Klägers zu 1) nicht als verschuldet behandeln dürfen und hätte den Termin von Amts wegen vertagen müssen.
  2. Eine bedürftige Partei könne ein Zuwarten mit dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens beanspruchen, wenn gerade die Mittellosigkeit ihr die Vornahme der zur Wahrung ihrer Rechtsposition erforderlichen Prozesshandlungen, wie sie einer bemittelten Partei in der jeweiligen Prozesssituation zu Gebote stünden, verwehren oder unverhältnismäßig erschweren würde. Es genüge, dass das Ausbleiben des K1 im Verhandlungstermin gerade auf seine Bedürftigkeit zurückzuführen sei (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 12.7.2016, VIII ZB 25/15, Rn. 21). Dies sei hier der Fall, da K1 bereits vor der Verhandlung mitgeteilt habe, aufgrund der langen Fahrtstrecke und den damit verbundenen Anreisekosten an der Teilnahme des Verhandlungstermins gehindert zu sein und deshalb Prozesskostenhilfe beantragen zu müssen. Er habe seine Mittellosigkeit auch durch Einreichung der Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz zunächst hinreichend belegt.

Säumnis des K

Es könne dahingestellt bleiben, ob auch K2 den Einspruchstermin nicht schuldhaft versäumt habe.

  1. K2 habe zwar einen Tag vor dem anberaumten Verhandlungstermin um Terminverlegung gebeten und mitgeteilt, er sei wegen seiner "multiplen, schweren Grunderkrankungen" nicht in der Lage, den Termin wahrzunehmen. Allerdings bestünden aber erhebliche Zweifel, ob das Attest aufgrund seiner allgemein gehaltenen Angaben geeignet sei, eine Verhandlungsunfähigkeit nachvollziehbar zu belegen – zumal da die konkreten Symptome, aus denen sich die Unfähigkeit ergeben solle, dem Verhandlungstermin beizuwohnen, dort nicht näher benannt seien. Zu diesen Symptomen habe K2 auch in seiner Berufungsbegründung keinen näheren Sachvortrag gehalten.
  2. Das AG hätte den Einspruch des K2 aber selbst im Falle einer schuldhaften Säumnis nicht nach § 345 ZPO verwerfen dürfen. Betrieben mehrere Wohnungseigentümer unabhängig voneinander eine Anfechtungsklage, so seien sie nach § 47 Satz 2 WEG als Streitgenossen anzusehen. Hierbei handelt es sich um einen Fall der prozessrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft, weil das streitige Rechtsverhältnis – die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses – im Verhältnis der Kläger untereinander und im Verhältnis zu den Beklagten nur einheitlich festgestellt werden könne (Hinweis auf BGH, Urteil v. 27.3.2009, V ZR 196/08, NJW 2009 S. 2132). Für die Annahme der notwendigen Streitgenossenschaft sei es insofern unbeachtlich, ob die Streitgenossen identische Beschlussmängel rügten, ob beide, nur einer oder keiner von ihnen die Anfechtungsfrist gewahrt habe und ob der behauptete Beschlussmangel tatsächlich vorliege (Hinweis auf Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Auflage, § 47 Rn. 16). Die notwendige Streitgenossenschaft bewirke zum einen, dass die säumige Partei durch den im Termin anwesenden Streitgenoss...

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