Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die in der Vertreterversammlung einer Genossenschaft gefassten Beschlüsse nicht nur der Anfechtung nach Maßgabe des § 51 GenG unterliegen, sondern auch die aktienrechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage und die Nichtigkeitsgründe des § 241 Aktiengesetz (AktG) entsprechende Anwendung finden. Ein Beschluss der Vertreterversammlung ist daher entsprechend § 241 Nr. 3 Alternative 1 AktG nichtig, wenn er mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar ist. Hiervon sei auszugehen, wenn die von der Vertreterversammlung beschlossenen Regelungen der Wahlordnung gegen elementare Wahlgrundsätze verstoßen.

Die betreffenden Regelungen in der Wahlordnung stellten nach Ansicht des BGH aber keinen Verstoß gegen § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG (Passives Wahlrecht) oder den in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG verankerten Grundsatz der allgemeinen Wahl dar.

Die vom Kläger angegriffenen Bestimmungen hinsichtlich der Unvereinbarkeit von Kandidatur und Mitgliedschaft im Wahlvorstand sowie der Tätigkeit als Wahlhelfer zielten nach Meinung des BGH nicht auf eine Einschränkung der Wählbarkeit, sondern auf den Ausschluss der Wahlbewerber von der Wahlorganisation im Vorfeld der Wahl. Er verhindere lediglich die vorübergehende, auf die konkrete Wahl zur Vertreterversammlung begrenzte Mitwirkung bei der Durchführung und Organisation der Wahl neben einer Kandidatur.

Die Wählbarkeit war nach den weiteren Ausführungen des BGH auch nicht rechtlich ausgeschlossen, weil sich ein Mitglied des Wahlausschusses oder ein Wahlhelfer zwischen der Wahrnehmung dieser Funktion und einer Kandidatur als Vertreter entscheiden kann. Die vom Kläger beanstandeten Regelungen würden allerdings zu einer unzulässigen Einschränkung des passiven Wahlrechts führen, wenn die Mitglieder der Beklagten verpflichtet wären, als Mitglied des Wahlvorstands oder als Wahlhelfer tätig zu werden oder wenn sie nach Übernahme einer solchen Funktion nicht mehr die Möglichkeit hätten, das übernommene Amt niederzulegen und sich für eine Kandidatur als Vertreter zu entscheiden. Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall aber nicht vor.

Der Bundesgerichtshof hat in der Unvereinbarkeit von Kandidatur und Mitgliedschaft im Wahlvorstand auch keinen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) oder zu derjenigen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu den Voraussetzungen für die Wählbarkeit von Mitgliedern des Wahlvorstands zum Betriebsrat bzw. zum Personalrat gesehen.

Auch die Regelung in der Wahlordnung, nach der für die Wirksamkeit von Wahlvorschlägen der Mitglieder der Beklagten 20 Unterstützungsunterschriften aus dem jeweiligen Wahlbezirk notwendig sind, verstößt nach Meinung des BGH nicht gegen elementare Wahlgrundsätze.

Zur Begründung hat der BGH hierzu ausgeführt, dass der Grundsatz der allgemeinen und gleichen Wahl verlange, dass jeder Wahlberechtigte sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben könne. Dies gelte nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern beziehe sich auch auf die Wahlvorbereitung, insbesondere das Wahlvorschlagsrecht. Für die Wahl der Vertreterversammlung folge daraus, dass jedem Wahlberechtigten die gleichen Möglichkeiten bei der Kandidatenaufstellung einzuräumen seien.

Das Erfordernis von Unterstützungsunterschriften für die Einreichung gültiger Wahlvorschläge schränke diese Möglichkeit zwar ein, weil sich zum einen nur derjenige zur Wahl stellen könne, der für seine Kandidatur die vorherige schriftliche Unterstützung anderer Personen finde, und zum anderen die Wahlvorschläge derjenigen, die nicht die erforderliche Unterschriftenzahl beigebracht haben, unberücksichtigt blieben.

Diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hergeleiteten Grundsätze, die nach § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG für die Wahl der Vertreterversammlung unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten entsprechend gelten, schließen nach Meinung des BGH aber Differenzierungen nicht grundsätzlich aus. Aus § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG, nach dem eine Zahl von 150 Mitgliedern in jedem Fall ausreichend ist, um einen Wahlvorschlag einzureichen, ergebe sich zum einen, dass es zulässig sei, einen Wahlvorschlag von der Unterstützung mehrerer Mitglieder abhängig zu machen, und zum anderen, dass das Recht der Mitglieder, bei der Aufstellung der Kandidaten mitzuwirken, nicht unzumutbar erschwert werden dürfe. Da das Genossenschaftsgesetz keine weiteren Regelungen treffe, seine solche nach § 43a Abs. 4 Satz 7 GenG der Wahlordnung vorbehalten. Diese müsse gewährleisten, dass Minderheiten ihre genossenschaftlichen Zweck- und Zielvorstellungen durch Vertreter ihres Vertrauens in der Vertreterversammlung zur Geltung bringen und bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen mitwirken könnten. Einer Genossenschaft verbleibt nach den Ausführungen des BGH insoweit ein gewisser Spielraum bei der normat...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen