1 Leitsatz

Der Vorstand einer AG handelt pflichtwidrig, wenn er Geschäfte betreibt, die nicht vom Unternehmenszweck gedeckt sind (z. B. unzulässige Spekulationsgeschäfte).

2 Sachverhalt

Die Beklagten waren Vorstände einer Hypothekenbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG). Aufgrund der Entscheidung des Vorstands hatte die Bank Zinsderivategeschäfte, u. a. Zinsswap-Geschäfte, getätigt. Das Volumen dieser Geschäfte innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren (1.1.2001 bis 30.6.2002) überstieg dabei die originären Hypothekenbankgeschäfte (Bilanzgeschäfte) der Klägerin jedoch weit.

Für einen für das Jahr 2001 drohenden Verlust i. H. v. 436,1 Mio. EUR waren bei der Bank keine Rückstellungen gebildet worden; zudem fehlten Rückstellungen für drohende Verluste im Jahr 2002. Die Hauptaktionäre der Bank mussten daraufhin Kapital zuführen.

Mit der Klage verlangte die Bank von ihren ehemaligen Vorstandsmitgliedern als Gesamtschuldner die Zahlung von 250.403.491,69 EUR und begehrte die Feststellung, dass diese verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der der Bank aus den abgeschlossenen und noch nicht beendeten Derivategeschäften entstanden war. Die Beklagten hätten unzulässige Zinsderivategeschäfte (§ 5 Hypothekenbankgesetz – HypBkG) abgeschlossen.

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hatte die Klage der Bank abgewiesen. Auch die dagegen eingelegte Berufung beim Oberlandesgericht (OLG ) Frankfurt am Main war erfolglos. Dagegen führte die von der Bank beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegte Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das OLG.

3 Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass nach seiner Rechtsprechung die Bank als Aktiengesellschaft darzulegen und zu beweisen hat (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz - AktG), dass ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten ihres Vorstands, und zwar in dessen Pflichtenkreis, entstanden ist. Dabei komme ihr ggf. die Beweiserleichterung des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) zugute. Das Vorstandsmitglied habe dagegen nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Das schließe ggf. den Nachweis der Einhaltung seines – grundsätzlich weiten – unternehmerischen Ermessensspielraums ein (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG).

Nach den Feststellungen des BGH hatte die Bank einen Schaden und seine Verursachung durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten ausreichend dargelegt. Unter der Leitung des Vorstands seien die Zinsderivategeschäfte abgeschlossen worden. Der Abschluss solcher Geschäfte, die nicht der Absicherung von Zinsrisiken aus dem Hauptgeschäft oder dem zulässigen Nebengeschäft einer Hypothekenbank dienten, war nach der Urteilsbegründung vom Unternehmensgegenstand der Bank, d. h. dem Betrieb einer Hypothekenbank, nicht gedeckt und ein für eine Hypothekenbank unzulässiges Spekulationsgeschäft. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs daher pflichtwidrig.

Die Bank musste nach den weiteren Ausführungen des Gerichts aber, wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte durch ein Organ sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, auf ihren Schadensersatzanspruch wegen der entstandenen Verluste grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen. Das folgt nach der Begründung des BGH aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung, die auf den Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG anzuwenden sind.

Der BGH hat die Sache mangels Endentscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die bisher unterbliebenen Feststellungen nachzuholen.

Für die weitere Verhandlung hat das Gericht u. a. noch darauf hingewiesen, dass ein pflichtwidriges Zinsderivategeschäft nicht allein deshalb vorliegt, weil sich nachträglich feststellen lässt, dass es objektiv nicht zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken aus dem Hauptgeschäft erforderlich war. Da der Art und Weise der Absicherung eine unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt, sind die Beklagten bereits dann entlastet, wenn sie – was sie zu beweisen haben – vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Insoweit kann es von Bedeutung sein, ob sich die Beklagten beim Abschluss der einzelnen Zinsderivategeschäfte an die betreffenden betriebswirtschaftlichen und bankwirtschaftlichen Regeln gehalten haben und die Risikovorsorgesysteme den Anforderungen genügten.

4 Auswirkungen der Entscheidung für die Wohnungsunternehmen / Praxishinweis

Die Auswirkungen des BGH-Urteils betreffen nicht nur die Vorstandsmitglieder der Wohnungsunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, sondern ebenso die Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaften (GmbH) und die Vorstände der Wohnungsgenossenschaften.

Das Gericht hat zw...

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