Leitsatz

Das Finanzamt darf im Besteuerungsverfahren eines Bankkunden von der Bank im Regelfall erst dann die Vorlage von Kontoauszügen als Urkunden i.S.v. § 97 AO verlangen, wenn die Bank eine zuvor geforderte Auskunft über das Konto nach § 93 AO nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen.

 

Sachverhalt

Ein Betriebsprüfer verlangte von A die Vorlage von Kontoauszügen, um prüfen zu können, ob A genügend Mittel zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hatten. Da A die Auszüge nicht aufbewahrt hatte, forderte das Finanzamt diese gem. § 97 AO von der Bank an. Die Bank lehnte die Vorlage unter Verweis auf § 97 Abs. 2 Satz 1 AO und ein bisher fehlendes Auskunftsersuchen nach § 93 AO ab. Ihre dagegen gerichtete Klage wies das FG ab. Dem ist der BFH entgegengetreten.

 

Entscheidung

Ein reines Vorlageverlangen i.S.d. § 97 AO liegt nur vor, wenn kein eigenes Wissen des in Anspruch Genommenen abgefragt werden muss. Die Urkundenvorlage darf nicht einer Auskunft gleichkommen. Das Finanzamt hat die vorzulegenden Unterlagen so konkret zu benennen, dass der Vorlageverpflichtete sich auf mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der Unterlagen beschränken kann.

Hier verstieß das Vorlageverlangen gegen § 97 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach die Vorlage von Urkunden i.d.R. erst dann verlangt werden soll, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen:

  • Das Finanzamt muss einen Sachverhalt vorrangig durch Einholen von Auskünften aufklären. Das Vorlageverlangen ist nur hilfsweise zulässig. Die Auskunftserteilung nach § 93 AO ist im Vergleich dazu regelmäßig das weniger belastende Mittel.
  • Die Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 1 AO ist als Sollvorschrift gefasst, sodass das Finanzamt i.d.R. danach verfahren muss und nur in atypischen Fällen davon abweichen darf. Die Vorlage von Urkunden ohne vorheriges Auskunftsersuchen kann etwa gefordert werden, wenn steuerrelevante Tatsachen nur durch Vorlage eines Schriftstücks beweisbar sind oder eine Auskunft untauglich ist. Dass die Vorlage einer Urkunde das geeignetste Aufklärungsmittel ist, berechtigt das Finanzamt nicht dazu, von einem Auskunftsersuchen abzusehen und sofort die Urkundenvorlage zu verlangen.
  • Hier lag kein atypischer Fall vor, der das unmittelbare Vorlageverlangen rechtfertigen konnte. Der Sachverhalt wäre auch durch eine Auskunft klärbar gewesen. Das Finanzamt hätte die Bank per Auskunftsverlangen auffordern können, zu regelmäßigen Abhebungen Stellung zu nehmen; dies hätte zur Aufklärung des Sachverhalts ausgereicht.
 

Hinweis

Wesentlicher Grund für den Rechtsstreit war, dass auf § 93 AO gestützte Auskunftsersuchen nach § 107 AO zu einem Entschädigungsanspruch des Auskunftspflichtigen führen, Herausgabeverlangen nach § 97 AO dagegen nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 24.2.2010, II R 57/08.

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