Leitsatz (amtlich)

Der Abzugsbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG mindert sich nur dann um Ausbildungshilfen, die das Kind anlässlich einer Ausbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes bezogen hat, wenn die Ausbildungshilfe Leistungen abdeckt, zu denen die Eltern gesetzlich verpflichtet sind.

 

Sachverhalt

Die Kläger (Eheleute) machten im Streitjahr 1997 für ihren 1968 geborenen SohnM Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG mit dem Höchstbetrag von 12 000 DM geltend. M hatte im Streitjahr an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilgenommen, für die er Leistungen nach dem AFG bezog. Das Arbeitsamt hatte ihm nach § 45 AFG in der Zeit vom 3.4.1995 bis 31.3.1998 insgesamt 26477 DM bewilligt. Hiervon entfielen 18 909 DM auf Lehrgangsgebühren, 7 328 DM auf Fahrtkosten und 240 DM auf Arbeitskleidung. Die Lehrgangsgebühren wurden vom Arbeitsamt übernommen. Das Finanzamt kürzte im ESt-Bescheid 1997 den Höchstbetrag um die auf das Streitjahr entfallenden Leistungen nach dem AFG von 8 825 DM unter Abzug eines Freibetrages von 1200 DM, im Einspruchsverfahren in voller Höhe, so dass nur noch 3 535 DM zum Abzug zugelassen wurden. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Regelung in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG, nach der Ausbildungshilfen aus öffentlichen Mitteln stets auf den Abzugshöchstbetrag anzurechnen sind, ist dem Zweck der Vorschrift entsprechend einzuschränken. Bei Ausbildungshilfen sieht das Gesetz keine Einschränkung dergestalt vor, dass nur Zuwendungen für den üblichen Ausbildungsbedarf angerechnet werden. Dies erklärt sich daraus, dass Eltern bürgerlich-rechtlich im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung anfallen, aufzukommen haben, also auch für Sonderbedarf, sofern dieser nach dem Ausbildungsgang notwendigerweise anfällt[1]. Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die einen ausbildungsbedingten Sonderbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes abdecken, den zu leisten die Eltern danach bürgerlich-rechtlich verpflichtet sind, mindern die Unterhaltsverpflichtungen von Eltern und rechtfertigen daher die Kürzung des Abzugsbetrags nach § 33a Abs. 1 EStG. Nicht gerechtfertigt ist dagegen die Anrechnung von Ausbildungshilfen für Maßnahmen, deren Kosten die Eltern aufgrund ihrer Unterhaltspflicht nicht zu tragen hätten; denn insoweit werden die Eltern nicht von ihren Unterhaltspflichten entlastet.

Divergieren Gesetzeswortlaut und -zweck, ist der Wortlaut der Vorschrift ihrem Zweck entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion), sofern sich das Gesetz - gemessen an seinem Zweck - als planwidrig zu weitgehend erweist[2]. Die Gesetzesmaterialien ergeben nicht, dass der Gesetzgeber in bewusster rechtspolitischer Entscheidung Ausbildungshilfen in den Regelungsbereich des § 33a Abs. 1 EStG einbeziehen wollte, welche die Un-terhaltsverpflichtungen der Eltern nicht mindern. Vielmehr hatte er offenbar den Regelfall vor Augen, bei dem die Hilfe zueiner Einschränkung der Unterhaltsverpflichtung führt und aus diesem Grund ihre Anrechnung rechtfertigt[3]. Es ist daher davon auszugehen, dass der Wortlaut des § 33a Abs. 1 EStG planwidrig zu weit geraten und folglich dem Zweck der Vorschrift entsprechend einzuschränken ist. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird nunmehr feststellen müssen, ob der Sohn der Kläger im Streitjahr dem Grunde nach einen Anspruch auf Fort- oder Ausbildungsunterhalt gegenüber seinen Eltern hatte[4]. Bejahendenfalls hat das FG zu beachten, dass die Ausbildung in Deutschland meist kostenfrei ist. Ausbildungs- und Fortbildungsunterhalt beschränken sich deswegen im Allgemeinen auf den Unterhalt zum Leben, Arbeitsmittel sowie Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte und zurück. Nur wenn die Ausbildung etwas kostet, etwa bei dem Besuch einer Privatschule oder einer privaten Universität, müssen die Eltern auch diese spezifischen Ausbildungskosten tragen, sofern die private Ausbildung angemessen ist[5]. Die Ausbildung eines volljährigen Kindes an einer Privatschule oder sonstigen privaten Bildungseinrichtung ist allerdings nur dann von den Eltern zu tragen, wenn eine vergleichbare Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte, die keine oder geringere Gebühren erhebt, nicht möglich oder nicht zumutbar ist[6].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 4.12.2001 – III R 47/00

[1] Vgl. § 1610 Abs. 1 und 2 BGB
[2] Vgl. BFH-Urteil vom 7.4.1992, VIIIR 79/88, BStBl II1992, S. 786
[3] Vgl. BT-Drs. 13/1558, S. 164, zu Nr. 6
[4] Vgl. dazu z.B. BGH-Urteile vom 4.3.1998, XIIZR 173/96, FamRZ 1998, S. 671; vom 14.7.1999, XII ZR 230/97, FamRZ 2000, S. 420
[5] Vgl. Staudinger, BGB, IV/2000, § 1610 Rz. 78, 80, 86
[6] Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.3.1997, 12 WF 59/97, FamRZ 1997, S. 960

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