Leitsätze (amtlich)

  1. Die Regelung über die Entstehung der Steuer für vereinnahmte Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG enthält einen selbständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand.
  2. Von einem Organträger versteuerte Anzahlungen für Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft abschließend erbracht werden, sind bei der Steuerfestsetzung gegenüber der vormaligen Organgesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen.
 

Sachverhalt

Der Kläger ist Konkursverwalter einer GmbH, die 1995 in Konkurs fiel. Die GmbH, ein Bauunternehmen, war bis zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft. Aufgrund des fortgeschrittenen Bauzustandes entschloss sich der Kläger, das Bauvorhaben X fertig zu stellen. Die Auftraggeberin hatte zuvor in den Jahren 1993 und 1994 erhebliche Anzahlungen geleistet. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens und Abrechnung erhielt der Kläger eine Restzahlung von rd. 170 000 DM brutto. Das Finanzamt meinte, die Organschaft sei mit der Konkurseröffnung beendet worden. Infolge dessen habe die GmbH als ehemalige Organgesellschaft nach der Fertigstellung der Baumaßnahme die gesamte Netto-Bausumme der Umsatzsteuer zu unterwerfen, während die Versteuerung der Anzahlungen beim Organträger rückgängig zu machen sei. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[1]. Die Revision hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

1. Die GmbH war ab Eröffnung des Konkursverfahrens am 28.2.1995 selbständiger Unternehmer. Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens verlor sie ihre Stellung als Organgesellschaft, weil der Organträger damit den maßgeblichen Einfluss an den Konkursverwalter verlor[2].

2. Im Streitfall wurde der umsatzsteuerrechtliche Leistungstatbestand[3] für sämtliche von der GmbH bzw. von ihrem Organträger im Rahmen des Bauvorhabens X erbrachten Leistungen erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums verwirklicht, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Bei den ausgeführten Bauleistungen handelte es sich um Werklieferungen, die (insgesamt) von der Auftraggeberin erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens abgenommen worden sind. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass vorher Teilleistungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG erbracht worden sind.

Entgegen der Ansicht des Finanzamts und des FG müssen gleichwohl die vor Konkurseröffnung vom damaligen Organträger der GmbH gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG versteuerten Anzahlungen von der USt-Schuld der GmbH abgesetzt werden. Diese Vorschrift enthält einen selbständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn dieser Vorschrift. Die Entstehung der Steuerschuld nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG führt zu einer Vorverlagerung der Entstehung des Steueranspruchs. Die Vorschrift beseitigt den Zinsvorteil, den der leistende Unternehmer bei Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts (zuzüglich Umsatzsteuer) vor Ausführung der Leistung ohne diese Regelung hätte. Dafür, dass § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG einen selbständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand enthält, spricht auch § 14 Abs. 1 Satz 6 UStG. Dass die Versteuerung von Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG endgültig ist, lässt sich schließlich auch aus der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 1 UStG ableiten. Dass die Anzahlungen nicht von der GmbH, sondern (zu Recht) von ihrem damaligen Organträger gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG versteuert worden sind, während der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erst nach der Beendigung der Organschaft von der - inzwischen selbständigen - GmbH verwirklicht worden ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Während des Bestehens der Organschaft ist allein der Organträger - und nicht die Organgesellschaft - USt-Subjekt. Hieraus folgt, dass in diesem Zeitraum eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG - wie dargelegt abschließend - entstandene Steuerschuld des Organträgers nach Beendigung der Organschaft nicht erneut gegen die vormalige Organgesellschaft festgesetzt werden darf. Andernfalls käme es im Umfang der bereits versteuerten Leistungen zu einer Doppelbesteuerung.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 21.6.2001 – V R 68/00

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