Leitsatz

Wurden bei der erstmaligen Steuerfestsetzung keine Erstattungs- oder Nachzahlungszinsen festgesetzt, weil die Frist des § 233a Abs. 2 AO noch nicht abgelaufen war, so sind nach einer Änderung der Steuerfestsetzung Zinsen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen dem neuen und dem früheren Soll gem. § 233a Abs. 5 Satz 2 AO zu berechnen.

 

Sachverhalt

K, die in den Streitjahren 1990 und 1991 Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte, wurde zunächst antragsgemäß veranlagt. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für 1990 bzw. 1991 auf 120 DM bzw. 444 DM fest. Unter Anrechnung von Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer blieb für 1990 bzw. 1991 ein Steuerbetrag von –3263 DM bzw. von –3979 DM. Nach Bekanntwerden höherer Kapitaleinkünfte erließ das Finanzamt am 28.6.2000 geänderte Bescheide, in denen es die Einkommensteuer für 1990 bzw. 1991 auf 3037 DM bzw. 4789 DM festsetzte. Nach Steueranrechnung blieben nun Steuerbeträge von –2010 DM bzw. –1333 DM. Für die Differenz zwischen dem jeweils verbleibenden und zuvor festgesetzten Betrag von 1253 DM bzw. 2646 DM – jeweils gerundet auf volle hundert DM – berechnete das Finanzamt gem. § 233a Abs. 5 AO für die Zeit vom 1.4.1992 bis 31.3.1996 bzw. vom 1.4.1993 bis 31.3.1997 Nachzahlungszinsen von 288 DM für 1990 und 624 DM für 1991. Aufgrund nachgereichter Belege über anrechenbare Quellensteuern änderte das Finanzamt die Zinsbescheide im Dezember 2001 und setzte die Nachzahlungszinsen nun auf 264 DM bzw. 528 DM fest. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt. § 233a Abs. 5 AO ist auch bei der Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung anzuwenden, die selbst nicht zu einer Zinsfestsetzung geführt hat, weil es innerhalb der Karenzzeit zu einer Steuererstattung gekommen ist. Das entspricht Wortlaut, systematischer Stellung und Zweck der Vorschrift.

Wird eine Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 AO zu ändern. Für die Zinsberechnung ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 2 AO der Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter und zuvor festgesetzter Steuer maßgeblich, jeweils vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer. Der BFH geht davon aus, dass § 233a Abs. 5 AO nach seinem Wortlaut bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung ansetzt. Der bestimmte Artikel – "die Steuerfestsetzung" – macht deutlich, dass eine Steuerfestsetzung ergangen sein muss. Rechtsfolge von deren Korrektur ist die Änderung einer bisherigen Zinsfestsetzung. § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 AO ist deshalb immer dann anzuwenden, wenn eine Steuerfestsetzung korrigiert wurde, aber ursprünglich keine Zinsen festgesetzt wurden.

Diese Auslegung steht im Einklang mit der Systematik der Norm. § 233a Abs. 5 AO trägt verfahrensrechtlich der Abhängigkeit der Zinsen von der Steuer als Hauptforderung Rechnung und regelt – als lex specialis zu den §§ 172ff. AO – abschließend die Folgen einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung. Waren bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung wegen der Frist des § 233a Abs. 2 AO keine Zinsen zu berechnen, kommt es – mangels einer § 155 Abs. 1 Satz 3 AO entsprechenden Regelung für Zinsen – nicht zum Erlass eines Zinsbescheids. Das ändert aber nichts an der Abhängigkeit des Zinsanspruchs von Steuerfestsetzung.

§ 233a Abs. 5 AO gilt nicht nur für Konstellationen, in denen aufgrund der geänderten Steuerfestsetzung ein früherer Zinsbescheid zu ändern ist, sondern auch für diejenigen, bei denen aufgrund der geänderten Steuerfestsetzung erstmals die Voraussetzungen für die Festsetzung von Zinsen erfüllt sind. Das trifft insbesondere auf die Fälle zu, in denen bei der erstmaligen Steuerfestsetzung eine Verzinsung entfiel, weil die Karenzzeit noch nicht abgelaufen war. Dass der Zinsbescheid dann als erstmaliger Bescheid anzusehen ist, ändert an der Anwendbarkeit des § 233a Abs. 5 AO nichts.

 

Praxishinweis

Der BFH legt seiner Entscheidung zu Grunde, dass § 233a AO im Interesse der Besteuerungsgleichheit einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass die Steuern bei den Steuerpflichtigen – aus welchen Gründen auch immer – zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Diesem Zweck entspricht es, in Fällen, in denen bei der erstmaligen Steuerfestsetzung wegen noch laufender Karenzfrist keine Zinsen festgesetzt wurden, bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung gem. § 233a Abs. 5 Satz 2 AO erstmalig Zinsen ausgehend vom Unterschied zwischen neuem und ursprünglichem Soll zu berechnen. Andernfalls würden Steuerpflichtige besser gestellt, deren Erstbescheid außerhalb der Karenzzeit ergangen ist und bei denen nach § 233a Abs. 3 Satz 1 AO zunächst Erstattungszinsen und dann entsprechend der Minderung des Erstattungsbetrags Nachzahlungszinsen festzusetzen wären.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 18.5.2005, VIII R 100/02

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