Leitsatz

Veräußert ein Steuerpflichtiger sein Grundstück an seinen Nachbarn, der mit dem Eigentumserwerb zugleich erreichen möchte, dass der Steuerpflichtige seine öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte gegen dessen Bauvorhaben nicht (mehr) geltend macht, so ist das Entgelt dem nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbaren Veräußerungsvorgang auch dann zuzuordnen, wenn sich der Steuerpflichtige im Kaufvertrag ausdrücklich zum Verzicht auf seine Nachbarrechte verpflichtet.

 

Sachverhalt

A war Eigentümer eines 1989 für 115 000 DM erworbenen Grundstücks. In der Folgezeit stellte die Stadt einen Bebauungsplan auf und wies die ihm unterfallenden Parzellen, darunter auch das Grundstück des A, als Sondergebiet aus. X plante als Eigentümerin der Nachbargrundstücke ein Frachtzentrum und erhielt 1993 eine entsprechende Baugenehmigung. Hiergegen legte A Widerspruch ein und erstritt einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG. Während des dagegen anhängigen Beschwerdeverfahrens veräußerte A sein Grundstück an X für 2 550 000 DM. Der Vertrag verpflichtete A zum Verzicht auf Rechtsmittel. A kam dem nach, so dass ihm der Kaufpreis im Streitjahr 1995 ausgezahlt wurde. Finanzamt und -gericht unterwarfen den Kaufpreis, soweit er den Wert des veräußerten Grundstücks überstieg, nach § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung. Der BFH wertete den Vorgang als nicht steuerbar.

 

Entscheidung

Der Kaufpreis von 2 550 000 DM ist eine Gegenleistung für eine nicht steuerbare Grundstücksveräußerung. Er entgilt nicht – auch nicht zum Teil – eine von A erbrachte sonstige Leistung und ist deshalb nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Veräußerungsvorgänge sind von der Besteuerung sonstiger Einkünfte ausgenommen, und ein Veräußerungsvorgang liegt hier vor. Davon lässt sich keine im Rechtsmittelverzicht liegende sonstige Leistung abspalten. Das Entgelt ist allein dem Veräußerungsvorgang zuzuordnen. Zwar enthält der notarielle Kaufvertrag die Verpflichtung des A, die Rechtsmittel zurückzunehmen. Diese Nebenleistungspflicht begründet aber kein wirtschaftlich eigenständiges Verhalten, das von der Übertragung des Eigentums abgespalten werden könnte. Die nachbarrechtlichen Abwehransprüche des A, auf die er nach dem Vertrag verzichten sollte, sind vielmehr Ausfluss seiner Eigentümerposition und mit ihr untrennbar verbunden. Deshalb hat der vertraglich ausbedungene Verzicht auf dieses Recht deklaratorische Bedeutung. Denn mit der Grundstücksübertragung verliert A ohnehin das Rechtsschutzbedürfnis, die verwaltungsprozessualen Verfahren weiterzuführen. Er stünde dann – bloß zeitlich versetzt – so, wie er steht, wenn er der vertraglichen Regelung entsprechend sämtliche Rechtsbehelfe zurücknimmt: Er kann sein materielles Recht nicht mehr durchsetzen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung führt klar vor Augen: Liegt in der Leistung eine Veräußerung eines Wirtschaftsguts, scheidet die Steuerbarkeit des Verhaltens als sonstige Leistung von vornherein aus. Zwar hatte Frachtzentrumsbetreiber X den hohen Kaufpreis nur für das Erlöschen der Nachbarrechte gezahlt. Dies allein war seine Motivation, das Eigentum am Grundstück überhaupt zu erwerben. Man kann diese Intention aber nicht am Rechtsmittelverzicht des A festmachen. Man muss umgekehrt fragen, wie das Ergebnis ausgefallen wäre, wenn die Parteien keinen Rechtsmittelverzicht vereinbart hätten. A hätte seine Rechtsposition als geschützter Nachbar spätestens mit dem Eigentumsübergang verloren. In diesem Fall wäre der hohe Kaufpreis allein dann steuerbar, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorlägen. Das kann nicht anders sein, wenn die Parteien ausdrücklich einen Rechtsmittelverzicht vereinbaren.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 18.5.2004, IX R 63/02

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