Leitsatz (amtlich)

Der Verzicht des an einem Flurbereinigungsverfahren beteiligten Grundstückseigentümers auf Landabfindung zugunsten eines Dritten verbunden mit der Übertragung des vorläufig eingewiesenen Besitzes unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.

 

Sachverhalt

Frau K war Eigentümerin von Grundstücken, die zu einem Flurbereinigungsgebiet gehörten. Am 25.8.1994 gaben Frau K und die Klägerin, ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen, vor dem örtlich zuständigen Amt für Agrarstrukturen Erklärungen ab, wonach Frau K zugunsten der Klägerin unwiderruflich auf Abfindung in Land für vier in ihrem Eigentum stehende Grundstücksflächen in dem Flurbereinigungsgebiet verzichtete. Hierfür sollte sie von der Klägerin eine Geldabfindung erhalten. Überdies wurde vereinbart, dass Sitz, Verwaltung, Nutzung und Gefahr an den neu gebildeten Grundstücksflächen, die nach der neuen Feldeinteilung an Frau K fallen sollten und in deren Besitz sie bereits vorläufig eingewiesen war, mit dem 1.10.1994 auf die Klägerin übergehen sollten. Das Finanzamt sah diesen Vorgang als nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 grunderwerbsteuerpflichtig an. Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Klägerin wurde lediglich das Recht zur Nutzung der Grundstücksflächen übertragen, nicht aber die rechtliche Möglichkeit zu einer Verfügung (Verwertung) über diese selbst, noch erhielt sie eine dem wirtschaftlich gleichstehende Rechtsposition. Die Besonderheit des Streitfalles, auf die das Finanzamt die Steuerpflicht des Vorgangs stützt, besteht allein darin, dass aller Voraussicht nach mit der Ausführung des Flurbereinigungsplans die Klägerin auch rechtlich Eigentümer der bisher nur in ihrem Besitz befindlichen Grundstücksflächen wird. Diese Rechtsposition ist jedoch so ungesichert, dass sie den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht erfüllt. Der Flurbereinigungsplan kann gemäß § 60 FlurbG geändert werden. Das Flurbereinigungsverfahren muss auch nicht notwendigerweise mit der Rechtskraft des Flurbereinigungsplans enden. Es kann z.B. auch nach § 9 FlurbG mit einer Einstellung des Verfahrens enden mit der Folge, dass die im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Rechtsänderungen endgültig nicht eintreten. Die Übertragung des Anspruchs auf Abfindung in Land verbunden mit der Übertragung des vorläufig eingewiesenen Besitzes an den neuen Grundstücksflächen ist insgesamt eine Rechtsposition, die zwar auf Übertragung des Eigentums an diesen Grundstücken zielt und diese vorbereitet, diese aber rechtlich noch nicht gewährleistet. Die Erklärung vom 25.8.1994 sollte mithin zwar zu einem Erwerb des Eigentums der Klägerin an den betreffenden Grundstücken führen, diesen jedoch erst mit Eintritt der Rechtsänderung durch Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans bewirken. Erst dann tritt Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 ein. Ein Entstehen der Steuer bereits mit Übertragung des Besitzes auf die Klägerin wäre demgegenüber eine unzulässige Vorverlegung der Steuerpflicht.

Die Erklärung vom 25.8.1994 unterliegt hinsichtlich der neuen Grundstücksflächen auch nach keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt der GrESt. Der bereits durch Anordnung der Flurbereinigung grundsätzlich entstehende Anspruch des beteiligten Eigentümers auf Abfindung in Land unterliegt nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der GrESt, da dieser nicht auf Übertragung eines bestimmten Grundstücks oder bestimmter Grundstücksflächen gerichtet ist. Die Abtretung dieser Rechtsposition führt dementsprechend auch zu keinem nach § 1 Abs. 1 Nrn. 5 und 7 GrEStG 1983 der GrESt unterliegenden Vorgang[1].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 17.5.2000 - II R 47/99

[1] Vgl. auch BFH-Urteil vom 10.12.1997, II R 27/97, BStBl II1998, S. 159 = INF 1998, S. 253, betr. Abtretung eines Anspruchs nach dem Vermögensgesetz auf Rückübertragung des Eigentums

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