Leitsatz

Nicht angelegtes Geldvermögen (ein bestimmter Geldbetrag) kann nur dann Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein, wenn sich der Vermögensübernehmer im Übergabevertrag verpflichtet, eine ihrer Art nach bestimmte, ertragbringende Vermögensanlage zu erwerben. Beruft sich der Vermögensübernehmer darauf, dass für die Zukunft ausreichend hohe Nettoerträge aus dem übertragenen Vermögen zur Bestreitung der Versorgungsleistungen zu erwarten seien, sind der Ertragsprognose i.d.R. die Nettoerträge im Jahr der Übergabe und in den beiden folgenden Jahren zugrunde zu legen. Umstände, die nach der Behauptung des Vermögensübernehmers zu einer künftigen Verbesserung der Ertragslage führen sollen, können grundsätzlich nur berücksichtigt werden, wenn sie im Zeitpunkt der Vermögensübergabe bereits konkret bestimmbar waren.

 

Sachverhalt

Mit notariellem Vertrag vom 8.3.1993 übertrugen die Eltern dem Steuerpflichtigen eine Eigentumswohnung. Im Gegenzug verpflichtete er sich gegenüber seinen Eltern zur Übernahme der dinglich gesicherten Verbindlichkeiten sowie zur Zahlung eines nach § 323 ZPO abänderbaren monatlichen Betrags von 1000 DM. In derselben Urkunde übertrugen die Eltern dem Bruder des Steuerpflichtigen ein anderes Grundstück, wobei sich der Bruder verpflichtete, an die Eltern 330000 DM zu zahlen, die diese ebenfalls dem Steuerpflichtigen zuwendeten. In seinen Einkommensteuererklärungen 1994 und 1995 begehrte der Steuerpflichtige, die an die Eltern geleisteten wiederkehrenden Zahlungen von je 12000 DM als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzuziehen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Die Klage vor dem FG blieb erfolglos. Auf die Revision des Steuerpflichtigen hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück.

 

Entscheidung

Nach dem Beschluss des Großen Senats vom 12.5.2003[1] kann auch die Übergabe von Geldvermögen den bisher unter der Bezeichnung "existenzwahrend" zusammengefassten Vermögensarten gleichgestellt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Empfänger des Geldvermögens bereits im Übergabevertrag verpflichtet, eine ihrer Art nach bestimmte Vermögensanlage zu erwerben, die einen zur Erbringung der zugesagten Versorgungsleistungen ausreichenden Nettoertrag abwirft.

Da der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der Übertragung der Eigentumswohnung persönliche Verbindlichkeiten seiner Eltern übernommen hat, ist insoweit von einem teilentgeltlichen Erwerb auszugehen. Die gezahlten Zinsen lassen den unentgeltlichen Teil der Übertragung unberührt. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Erträge, die auf den unentgeltlich übertragenen Teil entfallen, – gegebenenfalls zusammen mit den Erträgen aus dem zugewendeten Geldbetrag – zur Erbringung der Versorgungsleistungen ausreichen. Das FG muss überdies feststellen, ob der Steuerpflichtige den Betrag von 330000 DM in Absprache mit seinen Eltern ertragbringend angelegt hat. Zudem muss das FG die Höhe des erzielbaren Nettoertrags ermitteln.

Für die Ertragsprognose ist auf die Verhältnisse des Vertragsabschlusses abzustellen. Wurden in der Vergangenheit ausreichende Überschüsse erwirtschaftet, so bieten diese einen gewichtigen Anhaltspunkt. Dabei kann der Ertragsprognose der durchschnittliche Nettoertrag des Jahrs der Übergabe und der beiden vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt werden. Macht der Steuerpflichtige geltend, dass in der Zeit nach der Vermögensübergabe höhere Erträge als in der Vergangenheit zu erwarten sind, kann auch ein künftiger – überschaubarer – Prognosezeitraum zugrunde gelegt werden. Hierbei müssen jedoch die späteren, eine günstigere Ertragsentwicklung versprechenden Umstände grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Vermögensübergabe konkret bestimmbar sein.

 

Praxishinweis

Das Urteil stellt zunächst klar, dass – anders als vor dem grundlegenden Beschluss des Großen Senats[2] – auch Geldvermögen als taugliches Objekt einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen in Betracht kommt. Da nicht ertragbringend investiertes Geld keine Früchte abwirft, muss allerdings bereits im Übergabevertrag vereinbart werden, dass der übergebene Geldbetrag in bestimmter Weise ertragbringend angelegt werden soll[3].

Überdies konkretisiert das Urteil die vom Großen Senat[4] entwickelten Grundsätze zur Ertragsprognose insbesondere für den Fall, dass die vom Vermögensübergeber bisher erzielten Nettoerträge zur Bestreitung der vereinbarten Versorgungsleistungen nicht ausreichen, der Vermögensübernehmer aber geltend macht, fortan seien ausreichende Erträge zu erwarten. Für die in diesem Fall anzustellende Ertragsprognose ist grundsätzlich nur auf den relativ kurzen Zeitraum zwischen dem Jahr der Übergabe und den folgenden beiden Jahren abzustellen, wobei die hierbei zu berücksichtigenden Umstände bereits im Zeitpunkt der Übergabe konkret bestimmbar sein müssen. Durch diese Einschränkung wollte der BFH offenbar verhindern, dass die Ertragsprognose allzu sehr in den spekulativen Bereich gerät.

 

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