Leitsatz

Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs gezahlt werden können, das Unternehmen jedoch weder über einen positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert verfügt. Es handelt sich um Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige übernahm am 1.1.1988 von seinen Eltern eine in gepachteten Räumen betriebene Gastwirtschaft mit allen Aktiva und Passiva. Im Gegenzug verpflichtete er sich, den Eltern kostenlos Speisen, Getränke sowie Lebensmittel zum persönlichen Bedarf zu überlassen, Miete, Strom und Heizung für die elterliche Wohnung sowie deren private Versicherungsbeiträge zu zahlen. Das Finanzamt lehnte den Abzug einer dauernden Last ab. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der für das Revisionsverfahren zuständige X. Senat fragte beim Großen Senat des BFH an, ob die im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten Versorgungsleistungen auch dann als dauernde Last abziehbar seien, wenn sie zwar aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs bezahlt werden können, aber der Substanzwert des Betriebes negativ ist und sein Ertragswert 0 DM beträgt. Der Große Senat verneinte die Frage.

 

Entscheidung

Ein Betrieb ohne Substanz- und Ertragswert stellt kein "Vermögen" dar, das an die folgende Generation übertragen werden könnte. Selbst dann, wenn ein übergebenes Unternehmen ausreichend Nettoerträge abwirft, um die im Zusammenhang mit der Übergabe versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen, hat es möglicherweise keinen oder sogar einen negativen Ertragswert. Die zur Ermittlung des Ertragswerts eines Unternehmens zugrunde gelegten Gewinne sind nämlich um einen Unternehmerlohn zu kürzen. Ist nach Abzug eines Unternehmerlohns kein Unternehmenswert vorhanden, können – abgesehen davon, dass der übergebene Betrieb kein Vermögen darstellt – die Leistungen, die der Übergeber vom Übernehmer zu seiner Versorgung erhält, nicht mehr als vorbehaltene Erträge des übergebenen Unternehmens verstanden werden. Sie werden vielmehr ausschließlich durch die Arbeitsleistung des Übernehmers finanziert.

Es sind Fälle denkbar, in denen das übergebene Unternehmen ausreichende Nettoerträge abwirft, um die versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen, und nach Abzug des Unternehmerlohns ein Unternehmenswert bleibt, der aber so gering ist, dass es nicht mehr gerechtfertigt erscheint, den Betrieb als "Vermögen" zu bezeichnen. Eine ähnliche Konstellation kann sich ergeben, wenn beispielsweise ein bebautes Grundstück übergeben wird, dessen Nettoerträge (nahezu) ausschließlich auf Investitionen des Übernehmers zurückzuführen sind. Ein solcher Fall ist aber jedenfalls nicht gegeben, solange der nach Abzug des Unternehmerlohns verbleibende Unternehmenswert mindestens 50 % des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistungen ausmacht. Insoweit stellt die "50 %-Grenze" nach wie vor ein Beweisanzeichen für die Abgrenzung zwischen steuerlich wirksamen Versorgungsleistungen und steuerlich unbeachtlichen Unterhaltsleistungen dar. Da es sich nur um ein Beweisanzeichen handelt, gilt der Umkehrschluss zur vorstehenden Aussage nicht. D.h., die wiederkehrenden Leistungen stellen nicht zwangsläufig ganz oder teilweise Unterhaltsleistungen dar, wenn der Unternehmenswert weniger als 50 % des Kapitalwerts beträgt. Die Beantwortung der Frage richtet sich vielmehr nach der Gesamtheit der Umstände des jeweiligen Falles.

Der Große Senat lässt ausdrücklich die Frage offen, ob bei Unterschreiten der 50 %-Grenze, also dann, wenn der Wert des übergebenen Vermögens weniger als 50 % des Kapitalwerts der zugesagten wiederkehrenden Leistungen beträgt, die wiederkehrenden Leistungen – entsprechend der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung – insgesamt als Unterhaltsleistungen zu werten sind, oder ob eine Aufteilung in Versorgungsleistungen (vorbehaltene Erträge) einerseits und Unterhaltsleistungen andererseits vorzunehmen ist. Hierfür könnte sprechen, dass die Rechtsprechung auch in anderen Fällen, z.B. bei der Prüfung der Angemessenheit von betrieblichen Versorgungsleistungen, eine Aufteilung befürwortet hat[1].

 

Praxishinweis

Im Gegensatz zur Ansicht des X. Senats[2] genügt es nach Auffassung des Großen Senats für die Abziehbarkeit der dauernden Last nicht, dass die aus dem übergebenen Betrieb erzielbaren Nettoerträge zur Bestreitung der wiederkehrenden Bezüge an den Betriebsübergeber ausreichen. Vielmehr muss hinzu kommen, dass der übergebene Betrieb einen positiven Wert hat. Das leuchtet ein. Ist der Betrieb real, also nicht nur buchmäßig, sondern auch unter Berücksichtigung der stillen Reserven einschließlich eines etwaigen Geschäftswerts – wie im vorliegenden Fall – überschuldet, so kann von einer Übertragung von Vermögenswerten vom Ü...

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