Leitsatz (amtlich)

Vermieten Eltern ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine ihnen gehörende Wohnung, dann ist der Mietvertrag nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977, weil das Kind die Miete aus dem Barunterhalt der Eltern zahlt (Änderung der Rechtsprechung gegenüber BFH-Urteil vom 23.2.1988, IX R 157/84, BStBl II1988, S. 604 = INF 1988, S.355).

 

Sachverhalt

Die in X wohnenden Kläger sind seit 1983 Eigentümer einer Eigentumswohnung in Y, die sie ab diesem Zeitpunkt an fremde Dritte (Studenten) und im Jahr 1993 - zu unveränderten Bedingungen - an ihre nun in Y studierende (volljährige) Tochter vermieteten. Die Miete (einschließlich Nebenkosten) betrug nach dem mit der Tochter geschlossenen Mietvertrag 500 DM monatlich und war auf das Bankkonto der Kläger zu überweisen. Die Kläger zahlten der Tochter in den Streitjahren 1993 und 1994 jeweils 1 200 DM monatlich als Unterhalt. Die eigenen Einkünfte der Tochter betrugen in den Streitjahren 1 152 DM bzw. 4 142 DM. In ihren ESt-Erklärungen machten die Kläger bei den Einkünften aus der Vermietung der Wohnung in Y nach § 21 Abs. 1 EStG ermittelte Werbungskosten-Überschüsse (1993: 4 575 DM und 1994: 7 152 DM) geltend, die das Finanzamt ab dem Zeitpunkt der Vermietung der Wohnung an die Tochter nicht mehr zum Abzug zuließ. Das FG wies die Klage ab[1]. Die Revision der Kläger hatte dagegen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat das strittige Mietverhältnis zu Unrecht nicht der Besteuerung zugrunde gelegt. Entgegen dessen Ansicht stellt das mietweise Überlassen der Wohnung an die unterhaltsberechtigte Tochter der Kläger keine Naturalunterhaltsleistung dar.

  1. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vereinbarungen zwischen den Klägern und ihrer Tochter nur zum Schein getroffen sein könnten[2] und das Mietverhältnis deshalb als Scheingeschäft gemäß § 41 Abs. 2 AO steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen ist. Der Mietvertrag hält auch dem Fremdvergleich stand. Die Kläger hatten die Wohnung zu unveränderten Bedingungen in den Jahren zuvor an fremde Dritte vermietet. Die getroffenen Vereinbarungen wurden tatsächlich durchgeführt.
  2. In dem Vermieten der Wohnung an die Tochter liegt auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO. An der gegenteiligen Auffassung[3] wird nicht mehr festgehalten. Auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.

Der Unterhalt für Kinder[4] ist grundsätzlich durch Entrichten einer Geldrente zu gewähren[5]. Das Gesetz räumt aber den unterhaltsverpflichteten Eltern die Möglichkeit ein, gegenüber ihrem unverheirateten Kind die Art der Unterhaltsgewährung zu bestimmen[6]. Sie können ihr Bestimmungsrecht auch in der Weise ausüben, dass sie neben einer Teilrente in Geld eine Wohnung außerhalb des Elternhauses bereitstellen. Die Kläger haben sich im Streitfall für die Gewährung von Barunterhalt entschieden. Sie haben damit nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von dem ihnen durch das Gesetz eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die von den Klägern gewählte Gestaltung wird auch nicht dadurch rechtsmissbräuchlich, dass die Tochter die Miete - zumindest im Wesentlichen - aus dem gewährten Barunterhalt zahlte. Der Einwand, bei einer solchen Gestaltung würden aufgrund eines Gesamtplanes nur Geldbeträge hin- und hergeschoben, was unter dem Gesichtspunkt des "vorprogrammierten Rückholverfahrens" rechtsmissbräuchlich sei[7], gründet letztlich auf der Überzeugung, bei dem gegebenen Sachverhalt sei ein anderer Weg, das unentgeltliche Überlassen der Wohnung (als Naturalunterhalt), naheliegender sowie allgemein üblich und dementsprechend auch steuerrechtlich maßgebend. Dieser Beurteilung wäre zu folgen, wenn die Eltern dem Unterhalt empfangenden Kind gleichsam die Miete "schenken" und (nur) durch den gleichzeitigen Abschluss des Mietvertrages einen an sich privaten Vorgang in die Einkunftssphäre verlagerten. Dies trifft jedoch im Fall der Ausübung des gesetzlichen Bestimmungsrechts gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu. Durch die Zahlung von Unterhalt erfüllen die Eltern ihre Leistungspflicht[8] und werden insoweit frei[9]. Die Unterhaltszahlung einerseits und die Erfüllung der mietvertraglichen Vereinbarungen andererseits sind zwei bürgerlich-rechtlich und wirtschaftlich unterschiedliche Vorgänge, die auch steuerrechtlich voneinander zu trennen sind.

Das Kind benötigt den Barunterhalt für seinen Bedarf an Wohnen. Die Kosten für eine Wohnung entstehen, gleichgültig ob das unterhaltsberechtigte Kind diese bei den Eltern oder bei Dritten mietet. Der Umfang der Unterhaltsverpflichtung verringert sich im Falle des Anmieten...

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