Leitsatz

  1. Der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer GmbH gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 setzt voraus, dass zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuen Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Werden Anteile mehr als ein Jahr vor einem Branchenwechsel und der Zuführung neuen Betriebsvermögens übertragen, kann ein derartiger Zusammenhang nicht unterstellt werden. Maßgeblich sind vielmehr die Gegebenheiten des Einzelfalls (Anschluss an Senatsurteil vom 26.5.2004, I R 112/03, BStBl II 2004, S. 1085 = INF 2004, S. 889 sowie Senatsbeschluss vom 15.12.2004, I B 115/04, BStBl II 2005, S. 528 = INF 2005, S. 289; Abweichung vom BMF-Schreiben vom 16.4.1999, IV C 6 – S 2745 – 12/99, BStBl I 1999, S. 455 Tz. 12, 33).
  2. Ist das Finanzamt im Körperschaftsteuerbescheid 1997 sowie im Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1997 davon ausgegangen, eine GmbH habe ihre wirtschaftliche Identität gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n.F. im Jahr 1997 verloren, und werden diese Bescheide auf Antrag der GmbH aufgehoben, kann das Finanzamt grundsätzlich den bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1996 wegen widerstreitender Steuerfeststellungen gemäß § 174 Abs. 4 AO ändern, wenn es nunmehr davon ausgeht, der Verlust der wirtschaftlichen Identität sei nach § 8 Abs. 4 KStG 1996 a.F. bereits im Jahr 1996 eingetreten.
 

Sachverhalt

Alleinige Gesellschafterin der X-GmbH war zunächst die A-GmbH. In den Jahren 1993 und 1994 wurden die Anteile auf Frau F übertragen. Diese schenkte 50 % davon im Mai 1996 ihrem Ehemann; zugleich wurden Unternehmenszweck und Firma der X-GmbH geändert. Zuvor hatte diese ihre Geschäftsräume verlegt.

Das Finanzamt hatte für die X-GmbH zum 31.12.1995 einen verbleibenden Verlustabzug festgestellt. Auch für 1996 erklärte die X-GmbH einen Verlust; der verbleibende Verlustabzug wurde darauf zum 31.12.1996 auf 184934 DM festgestellt. Im Feststellungsbescheid auf den 31.12.1997 berücksichtigte das Finanzamt diesen Verlustabzug nicht mehr, da dem § 8 Abs. 4 KStG in der seit 1997 geltenden Fassung entgegenstehe. Dagegen erhob die X-GmbH Klage. Im Klageverfahren äußerte das FG, die X-GmbH habe ihre wirtschaftliche Identität wohl schon in 1996 verloren. Daher sei der Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1996 unrichtig. Dennoch sei wegen der Bindungswirkung dieses Bescheids der darin festgestellte Verlust bei der Veranlagung für 1997 zu berücksichtigen. Das Finanzamt änderte darauf den Feststellungsbescheid 1997 antragsgemäß; zugleich erließ es aber einen Änderungsbescheid auf den 31.12.1996, in dem es den verbleibenden Verlustabzug mit 0 DM feststellte. Die Beteiligten streiten jetzt darum, ob es hierzu verfahrensrechtlich befugt war.

 

Entscheidung

Das Finanzamt durfte den Bescheid auf den 31.12.1996 nach § 174 Abs. 4 AO ändern. Es war im Bescheid zum 31.12.1997 zunächst davon ausgegangen, dass die Vorgänge aus 1996 erst nach der seit 1997 geltenden Fassung des § 8 Abs. 4 KStG bei der X-GmbH zum Verlust der wirtschaftlichen Identität und damit zur Versagung des Verlustabzugs geführt hatten. Nachdem es diese Position im Klageverfahren wegen 1997 aufgegeben hatte, durfte es daraus die Konsequenz ziehen, dass die Rechtsfolge des § 8 Abs. 4 KStG schon 1996 eingetreten und daher im Bescheid auf den 31.12.1996 zu berücksichtigen war. Die für die Änderung geltenden Fristen in § 174 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AO sind gewahrt.

Unklar ist aber, ob die X-GmbH tatsächlich nach der in 1996 geltenden Fassung des § 8 Abs. 4 KStG ihre wirtschaftliche Identität verloren hat. Dafür kann zwar eine Anteilsübertragung in Verbindung mit einem Branchenwechsel und der Zuführung neuen Betriebsvermögens ausreichen[1]. Das setzt aber voraus, dass die genannten Maßnahmen miteinander zusammenhängen. Ein solcher Zusammenhang kann hier nicht ohne weiteres angenommen werden, da die einzelnen Vorgänge zum Teil mehr als drei Jahre auseinander lagen. Deshalb muss das FG noch prüfen, ob er vorliegt.

 

Praxishinweis

Die Finanzverwaltung hält bei § 8 Abs. 4 KStG ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Anteilsübertragung und Zuführung neuen Betriebsvermögens für notwendig und sieht ihn stets als gegeben an, wenn zwischen beiden Vorgängen nicht mehr als fünf Jahre liegen[2]. Der BFH meint dagegen, dass diese Frage nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.3.2006, I R 8/05

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