Leitsatz

Es ist i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG "unbillig", wenn eine Vereinbarung zur Folge hat, dass der Wohnungseigentümer von substanzlosen Miteigentumsanteilen bei einem Stimmrecht, das an die Wohnflächen anknüpft, ein Stimmrecht nach der Größe der – fiktiven – Wohnfläche hat.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 2 Satz 3, § 21 Abs. 8

 

Das Problem

  1. Bauträger B plant 4 Häuser und 1 Tiefgarage. B errichtet im Jahr 1994 aber nur 2 Häuser mit 122 Wohnungseigentumsrechten und die Tiefgarage. Die substanzlosen 120 Wohnungseigentumsrechte, von denen 9 Sondernutzungsrechte in der Tiefgarage zugeordnet sind, in den weiteren 2 Häusern gehören B. Nach der Gemeinschaftsordnung werden die Kosten und Lasten im Verhältnis der Wohnflächen verteilt, die nach der II. Berechnungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Teilung geltenden Fassung ermittelt werden. In den Tiefgaragen werden die Kosten nach einem gesonderten Umlageschlüssel verteilt. Das Stimmrecht richtet sich nach dem Anteilsverhältnis, nach dem die Eigentümer gemeinschaftliche Kosten zu tragen haben. B hat danach einen Stimmkraftanteil von rund 48 %.
  2. Die Wohnungseigentümer lehnen im Jahr 2017 einen Antrag ab, dass sich B's Stimmrecht nach dem jeweiligen Miteigentumsanteil für die nicht errichteten Wohnungen berechnet, bis diese bezugsfertig errichtet werden. Dagegen wendet sich Wohnungseigentümer K. Das AG weist seine Anfechtungsklage gegen diesen Negativbeschluss ab. Auf Antrag des K trifft es allerdings im Wege der Beschlussersetzung folgende Regelung:

    Solange eine Sondereigentumseinheit nicht bezugsfertig errichtet ist, errechnet sich die Stimmkraft des betreffenden Miteigentumsanteils aus dem Wert in der Spalte "Eigentumsanteil 10.000stel" der oben genannten Anlage II multipliziert mit dem Faktor 1,0. Für die Nutzungsrechte an der Tiefgarage sind die Werte für fiktive Flächen hinzuzurechnen, und zwar für jeden Einzelstellplatz der Wert von drei und für jede Box der Wert von zwei (1 Doppel-Parker zusammen also ein Wert von 4). Ab dem Zeitpunkt der bezugsfertigen Errichtung des Sondereigentums ist die Stimmkraft des damit verbundenen Miteigentumsanteils mit dem Wert zu berücksichtigen, der sich aus der anteiligen Wohnfläche ergibt. Die Wohnfläche wird dabei nach den Regelungen der II. Berechnungsverordnung in der am 2.11.1994 geltenden Fassung ermittelt.

    Die Regelung führt im Ergebnis zu einer Herabsetzung des Stimmkraftanteils des B auf etwa 36 %. Das LG weist die hiergegen gerichtete Berufung des B zurück. Dagegen richtet sich die Revision. Ohne Erfolg!

 

Die Entscheidung

K habe gegen die anderen Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen Anspruch auf Abänderung der Stimmkraftregelung.

 

Kommentar

  1. Dass B aufgrund der vereinbarten Stimmrechtsregelung, der die Annahme einer zeitnahen Fertigstellung aller geplanten Wohnungen zugrunde liege, fast die Hälfte aller Stimmen zukomme, sei unbillig. Zwar bestünden in der Wohnungseigentumsanlage Untergemeinschaften, die, soweit wie rechtlich möglich, als selbstständige Gemeinschaften behandelt werden sollen. Das ändere aber nichts daran, dass die Verwaltung des Grundstücks als Ganzes den Wohnungseigentümern gemeinsam zustehe, sodass B etwa bei der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung, über den (Gesamt-)Wirtschaftsplan und die (Gesamt-)Abrechnung zu beteiligen sei. Dabei sei unerheblich, ob B seine faktische Mehrheitsmacht in rechtsmissbräuchlicher Weise ausübe. Unerheblich sei auch, dass B nach § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG künftig für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu etwa 48 % hafte, während seine Stimmkraft nur noch 36 % betrage.
  2. Die vom AG nach § 21 Abs. 8 WEG getroffene Bestimmung sei zwar "wenig überzeugend", im Ergebnis aber ermessensfehlerfrei. Die Herabsetzung der Stimmkraft für die nicht errichteten Wohnungen um etwa 25 % bzw. der Gesamtstimmkraft um 12 Prozentpunkte von etwa 48 % auf etwa 36 % für die Zeit bis zur Fertigstellung der weiteren Bauabschnitte sei hinzunehmen.
Anmerkung

§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG begründet einen (Individual-)Anspruch jedes Wohnungs- oder Teileigentümers gegen die anderen Miteigentümer auf Abschluss einer Vereinbarung, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Die vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist in erster Linie Sache des Tatrichters.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Die rechtsgeschäftliche Begründung eines substanzlosen – auch isoliert genannten – Miteigentumsanteils ist unzulässig. Ist die rechtsgeschäftliche Begründung eines substanzlosen Miteigentumsanteils nicht erlaubt, so kann es nach h.M. dennoch von Gesetzes wegen zu einer solchen Isolierung kommen. Diese Substanzlosigkeit ist in der Praxis gleich in mehreren Fällen vorstellbar.

Miteigentumsanteil: substanzlos

Vor allem die im Folgenden genannten Konstellationen sollten jedem Verwalter bekannt sein.

Übersicht:

  • Nich...

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