Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung eines durch eine Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts innerhalb der Spekulationsfrist, die mit dem Erwerb der Altaktie beginnt, ist nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1986 (= § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG n.F.) zu versteuern.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige erwarb im September 1986 für 400 000 DM VW-Aktien. Im Zusammenhang damit gewährt ihr VW nach entsprechendem Kapitalerhöhungsbeschluss Bezugsrechte, die sie schon im Oktober für 15 000 DM verkaufte. Das Finanzamt unterwarf den Verkaufspreis der Besteuerung. Die Klage hatte Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, die Bezugsrechte seien als eigenständige Rechte erst durch den Kapitalerhöhungsbeschluss entstanden, so dass die Steuerpflichtige sie nicht erworben habe. Dieser Betrachtungsweise hat sich der BFH nicht angeschlossen.

 

Entscheidung

Bei Bezugsrechten, die zum Erwerb junger Aktien nach § 186 AktG berechtigen, ist zu unterscheiden. Solange das Bezugsrecht durch den Beschluss der Hauptversammlung noch nicht konkretisiert ist, gehört es zu den durch die Aktie vermittelten allgemeinen Mitgliedschaftsrechten des Aktionärs und ist von der Aktie nicht abtrennbar. Durch den Kapitalerhöhungsbeschluss wird das allgemeine Bezugsrecht zu einem selbständig verwertbaren Forderungsrecht des Aktionärs konkretisiert. Das ändert aber nichts daran, dass seine Anschaffung durch den Aktienerwerb vermittelt wird. Nach überwiegender Rechtsauffassung kommt es mit dem Beschluss zu einer Abspaltung in der Substanz und damit verbunden zu einer Aufteilung der einheitlichen Anschaffungskosten in solche, die auf die Aktie und in solche, die auf das Bezugsrecht entfallen. Der BFH folgt dem Gedanken der Substanzabspaltung nicht nur bei der Bewertung der alten Aktien[1] sondern auch bei der Auslegung des Steuertatbestandes des § 23 EStG. Sind den Bezugsrechten Anschaffungskosten zuzuordnen und entsteht mit der Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist, die mit der Anschaffung der Aktien beginnt, ein Gewinn als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis und den auf die Bezugsrechte entfallenden Anschaffungskosten, so ist dieser Gewinn nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. Dabei bejaht der BFH auch die wirtschaftliche Identität des angeschafften (Aktie) und des veräußerten Wirtschaftsguts; denn die Identität eines aufgeteilten Wirtschaftsgutes bleibt in seinen Teilen erhalten.

 

Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung hat der BFH erstmals zu der Besteuerung von Bezugsrechten Stellung genommen. Die Lösung dieses Falles war aber bereits in der Entscheidung des IV. Senats[2] angelegt, die für die Bewertung der Altaktien der Abspaltungstheorie folgt. Vermindert man aber die Anschaffungskosten der Altaktien um die Beträge, die auf die durch den Kapitalerhöhungsbeschluss entstandenen Bezugsrechte entfallen, so müssen die Beträge als Anschaffungskosten der Bezugsrechte gewertet werden.

Für die praktische Rechtsanwendung ist Folgendes zu berücksichtigten: Im Streitfall hatte das Finanzamt den Veräußerungserlös der Besteuerung unterworfen. Das ist so nicht richtig; denn Besteuerungsgegenstand des Veräußerungsgeschäfts ist der Gewinn. Manmuss also den bei der Veräußerung der Bezugsrechte erzielten Verkaufspreis um die zugeordneten Anschaffungskosten mindern. Doch wie teilt man die Anschaffungskosten auf? Der BFH folgt hier der sog. Gesamtwertmethode. Dabei wird das Verhältnis des Börsenkurses des Bezugsrechts zum Börsenkurs der alten Aktie auf das Verhältnis der Buchwerte übertragen. Der zu ermittelnde Buchwertanteil des Bezugsrechts verhält sich zu dem bisherigen Buchwert der Altakte wie der Börsenkurs des Bezugsrechts zum Börsenkurs der Altaktie unmittelbar vor der Kapitalerhöhung[3]. Das ist – insbesondere aus der Retrospektive – nicht leicht anzuwenden. Hier könnten und sollten sich die Beteiligten über die einzelnen Werte tatsächlich verständigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.05.2003, IX R 9/00

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